Die Bezahlkarte für Flüchtlinge weist immer noch Lücken auf - Linke und Grüne Aktivisten versuchen, den Sinn der Karte zu konterkarieren
Die Bezahlkarte für Flüchtlinge weist immer noch Lücken auf - Linke und Grüne Aktivisten versuchen, den Sinn der Karte zu konterkarieren
© 123rf

Aktuelle Fälle

Bezahlkarte für Flüchtlinge: Chancen, Probleme und Umgehungsstrategien

Die Idee klingt simpel: Asylbewerber erhalten Leistungen, die statt in bar auf eine Prepaid-Karte geladen werden. Je nach Region sind damit meist 50 Euro Bargeld abhebbar. Mit der Bezahlkarte können Betroffene wie mit einer Kreditkarte einkaufen – oft jedoch nur im Landkreis, in dem sie registriert sind. Ziel der Politik war es, das Versenden von Bargeld ins Ausland oder an Schleuser einzudämmen und gleichzeitig Anreize zur Einreise nach Deutschland zu verringern. Doch die Missbrauchsfälle häufen sich. Ein Überblick!

Die rechtliche Basis liefert das Asylbewerberleistungsgesetz, das Sachleistungen ausdrücklich bevorzugt. Lange Zeit setzten Landkreise diese Möglichkeit nicht um – Bargeldauszahlungen waren die Regel. Erst der politische Druck ab 2023, insbesondere im Vorfeld ostdeutscher Landtagswahlen, brachte Bewegung.

Der Landkreis Greiz in Thüringen führte im Dezember 2023 als erster die Bezahlkarte ein. Im April 2024 schufen Bundestag und anschließend der Bundesrat Mindeststandards für eine deutschlandweite Einführung. Trotzdem liegt die konkrete Ausgestaltung bis heute weitgehend in der Hand der Bundesländer sowie der Landkreise und kreisfreien Städte. 

Tauschbörsen unterlaufen das System

Schnell zeigten sich Lücken: In Bayern, wo die Karte flächendeckend eingeführt wurde, riefen linke Organisationen Flüchtlinge auf, Gutscheine zu kaufen – etwa für Drogerien, iTunes oder andere digitale Dienste. Diese Gutscheine wurden anschließend gegen Bargeld getauscht.

Manche Abgeordnete, etwa der Linken-Bundestagsabgeordnete Luigi Pantisano, öffneten sogar ihre Wahlkreisbüros für solche Tauschaktionen. Aktivisten verteilten mehrsprachige Flugblätter, um Asylbewerber gezielt zu erreichen. So wurde die Bezahlkarte faktisch ausgehebelt.

Sicherheitsmechanismen und ihre Grenzen

Die Karten selbst enthalten technische Sperren: Überweisungen ins Ausland sind unmöglich, Glücksspiel oder Alkoholkauf sind untersagt. In vielen Bundesländern ist die Nutzung auf den Wohnort beschränkt. Doch der Erwerb von Gutscheinen fällt in die Kategorie „Allgemeiner Einzelhandel“ – damit lassen sich die Restriktionen umgehen.

Kontrollen wären theoretisch möglich, indem Landkreise Transaktionen auswerten. In der Praxis fehlt es jedoch an Personal. Viele Kommunen sind finanziell ohnehin am Limit: Sie erhalten nur rund ein Siebtel aller staatlichen Einnahmen, tragen aber über ein Viertel der Ausgaben.

Rechtliche Grauzone beim Umtausch

Ob Tauschbörsen gesetzlich verboten werden können, ist unklar. Manche Innenministerien halten das Problem für gering, da es nur kleine Summen betreffe. Andere verweisen auf die praktische Schwierigkeit, private Bargeldgeschäfte nachzuweisen.

Linke und Grüne sehen im Umtausch sogar eine „legitime Form des Protests“, da die Bezahlkarte die Selbstbestimmung von Flüchtlingen einschränke. Urteile gibt es bislang nicht. Zudem wäre eine technische Anpassung der Karten teuer und aufwendig – und aufgrund der zahlreichen unterschiedlichen Anbietern kaum einheitlich umsetzbar.

Im Interview mit dem SAT1 Frühstücksfernsehen hat KOMMUNAL-Chefredakteur Christian Erhardt-Maciejewski die Hintergründe der Karte genauer erklärt:

Wirkung auf die Asylzahlen

Daten aus den ersten Pilotregionen deuten darauf hin, dass die Bezahlkarte durchaus wirkt. Im Landkreis Greiz stieg die Zahl freiwilliger Ausreisen nach Einführung um 30 Prozent, in Brandenburg verdoppelte sie sich binnen drei Monaten.

Anders in Hannover: Dort durften Asylbewerber 2024 unbegrenzt Bargeld mit der Karte abheben. Die Zahl freiwilliger Ausreisen sank um 36 Prozent. Inzwischen wurde die Stadt verpflichtet, sich dem niedersächsischen System mit 50-Euro-Limit anzuschließen.

 

Entlastung für Kommunen – aber nicht ohne Haken

Befürworter argumentieren, die Bezahlkarte könne Bürokratie abbauen. Tatsächlich entfallen heute gefährliche Bargeldtransporte in die Unterkünfte. Früher mussten Mitarbeiter teils sechsstellige Beträge in bar auszahlen – mit Sicherheitsbegleitung und hohem Verwaltungsaufwand.

Die Karte ermöglicht eine bessere Nachvollziehbarkeit von Ausgaben. Allerdings bleiben viele Probleme: individuelle Klagen, aufwendige Dokumentation und unklare Rechtslagen. Die Missbrauchsmöglichkeiten sind eingeschränkt, aber nicht beseitigt.

Für Kommunen bedeutet die Karte in erster Linie organisatorische Erleichterungen. Doch solange Umgehungsstrategien wie Tauschbörsen existieren und rechtlich kaum greifbar sind, bleibt die Wirksamkeit begrenzt.

Dem Radiosender Kontrafunk (Sendegebiet Schweiz und angrenzendes Deutschland zwischen Friedrichshafen und Konstanz) hat Christian Erhardt-Maciejewski zum Thema ein längeres Interview gegeben, Sie können es hier nachhören: