In diesem Tönnies-Betrieb war das Corona-Virus ausgebrochen, das zum ersten "lokalen" Lockdown führte - Ausreiseverbote gab es aber nicht!
In diesem Tönnies-Betrieb war das Corona-Virus ausgebrochen, das zum ersten "lokalen" Lockdown führte - Ausreiseverbote gab es aber nicht!

Zoff um Lockdown-Pläne

Corona: Ausreiseverbote für ganze Landkreise sind vom Tisch

Kanzlerin Merkel wollte Ausreiseverbote für besonders von Corona betroffene Landkreise unterstützen. Gegen die Pläne aus dem Kanzleramt regte sich Widerstand. Nun haben sich die Chefs der Staatskanzleien geeinigt. Wir stellen Ihnen die Pläne und die vorherige Diskussion um das Thema vor.

UPDATE: 17. Juli 2020 

Der unten stehende Text gibt den Sachstand der Diskussion vom 14. Juli 2020 wieder, als er formuliert wurde. Am 16.7. haben sich die Regierungschefs der Länder auf anderslautende Regelungen im Kern geeinigt. Den neuen Sachstand finden Sie im oberen, aktualisierten Teil des Textes. Er stammt im Original aus der Zusammenfassung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. 



 

Die Chefs der Staatskanzleien und der Chef des Bundeskanzleramtes haben auf Empfehlung der Gesundheitsministerkonferenz neue Kriterien festgelegt, wie in der Urlaubs- und Reisezeit auf regionale Ausbrüche reagiert werden soll, damit eine Verbreitung des Virus in Urlaubsgebiete vermieden wird.

Teststrategien weiterentwickeln

Die jeweiligen Test- und Monitoringkonzepte der Bundesländer und des Bundes tragen zur Vermeidung von größeren Ausbrüchen erheblich bei. Sie sollen auf der Grundlage der bestehenden Beschlüsse und unter Berücksichtigung des Beschlusses vom 16.07.2020 angepasst und der Gesundheitsministerkonferenz übersandt werden, damit die jeweiligen Länderkonzepte allen Bundesländern zur Verfügung gestellt werden können. Das Bundesgesundheitsministerium soll zusammen mit der Gesundheitsministerkonferenz die nationale Teststrategie im Hinblick auf den Umgang mit Reiserückkehrern überarbeiten.

Lokale Cluster wirksam isolieren

Ausbruchsgeschehen, die in einem bestimmten Cluster (z. B. Unternehmen, Einrichtung, Freizeitgruppe, Glaubensgemeinschaft, Familienfeier) auftreten, sollen mit den bewährten Maßnahmen wie Quarantäne, Kontaktnachverfolgung und Testung in Bezug auf das Kontakt- beziehungsweise Ausbruchscluster bekämpft werden. Die Quarantäneanordnungen für das betroffene Cluster (wie Arbeitsplatzumgebung, Freizeitgruppen etc.) sollen lokal festgelegt und rasch ergriffen werden. Umfangreiche Tests sollen schnellstmöglich durchgeführt werden. Die Maßnahmen sollen kontinuierlich beobachtet und analysiert werden.

Urlaub nur mit negativem Test

Bund und Länder bestätigten den Beschluss vom 26. Juni, nachdem bezüglich Reisenden aus den besonders betroffenen Gebieten oder Clustern Vorsorge zu treffen ist. So sollen Beherbergungsbetriebe diese Reisenden nur aufnehmen dürfen, wenn ein ärztliches Zeugnis in Papier- oder digitaler Form vorliegt, welches bestätigt, dass keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 vorhanden sind.

Hier beginnt der Original-Text mit seinen Beispielen und der Kritik, aber dem Sachstand vom 14. Juli 2020: 

Was passiert, wenn in einem Fall wie im Kreis Gütersloh beim Fleischverarbeiter Tönnies neue Corona-Hotspots entstehen? Die Antwort der Bundesregierung soll künftig heißen: Ausreiseverbote für alle Menschen, die im betroffenen Landkreis leben. Kanzleramtsminister Braun schlägt vor, statt der bisherigen Beherbergungsverbote entsprechende Ausreiseverbote zu verhängen.

Was das bedeuten würde, zeigen wir hier mal an einem absolut zufällig ausgesuchtem, fiktiven Beispiel auf: Tritt in Bad Rothenfelde an der niedersächsischen Landesgrenze zu NRW ein Corona-Hotspot auf, wäre der gesamte Landkreis Osnabrück mit seinen 2100 Quadratkilometern und seinen gut 350.000 Einwohnern von dem Ausreiseverbot betroffen. Das würde etwa den 65 Kilometer entfernten Ort Bersenbrück dann ebenso betreffen, denn auch er gehört zum Kreis Osnabrück.

Theoretisch dürften die Menschen im benachbarten Versmold im Kreis Gütersloh aber weiter reisen, wie sie wollen. Der Ort liegt 9 Kilometer von Bad Rothenfelde entfernt. Ebenso gäbe es keine Ausreiseverbote im nur wenige Kilometer entfernten Sassenberg im Kreis Warendorf (14 Kilometer mit dem Auto) zumal beide Landkreise zwar nah an Bad Rothenfelde grenzen aber zu NRW gehören. Aufgrund der Nähe könnte es aber auch Ausreiseverbote für diese beiden Landkreise geben. Dann wieder für ganze Landkreise. Sassenberg und das ebenfalls im Kreis Warendorf liegende Ahlen am Rande des Ruhrgebiets liegen wiederum etwa 45 Kilometer auseinander, einfache Strecke vom fiktiven Hotspot mit dem Auto (ohne Stau): 70 Minuten. 

Ausreiseverbote könnten von Gerichten gekippt werden 

Diese Regelung halten die Kommunenvertreter für völlig unsinnig und willkürlich. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg etwa sagt: "Es ist richtig, regionale Ausbrüche gezielt zu bekämpfen, wir müssen das aber noch kleinteiliger betrachten". Ein- und Ausreisekontrollen seien zudem fast unmöglich. Auch der Präsident des Landkreistages, Sager, hält die Lockdown-Pläne für überzogen. Eine Lehre aus dem Lockdown in den Kreisen Gütersloh und Warendorf nach dem Tönnies-Fall sei gewesen, dass dieser kreisweite Lockdown nicht differenziert genug war. 

In der Tat hatte das Oberverwaltungsgericht in Münster den Lockdown im Kreis Warendorf noch vor dessen Ablauf gerichtlich gekippt. Die Begründung der Richter: "Es ist nicht verhältnismäßig, dass sich die Beschränkungen auf das gesamte Kreisgebiet beziehen". Denn in vielen Gemeinden gab es zu dieser Zeit keinerlei Corona-Fälle. 

Bei dem Lockdown im Juni gab es noch keine so drastischen Maßnahmen wie Ausreiseverbote. Die Bewohner durften aber nicht in Hotels, Ferienwohnungen oder aus Campingplätze in andere Regionen. Außerdem waren Schwimmbäder, Fitness-Studios und andere Einrichtungen vorübergehend wieder geschlossen.