
Das Gewaltmonopol liegt beim Staat
Ein Kommentar von Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft
Dort, wo Bürgerwehren sich gründen, hat die Sicherheitspolitik im Land versagt. Es ist Teil unserer rechtsstaatlichen Grundordnung in Deutschland, dass der Staat nicht nur das Gewaltmonopol ausübt, sondern auch die Innenminister ihren Verfassungsauftrag wahrnehmen, die Bürgerinnen und Bürger zu schützen. In Absatz 1 des Grundgesetzes heißt es eben: Die Menschenwürde ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Wenn der Staat sich zurückzieht von seiner Pflicht, die Menschen zu schützen, meinen manche Bürger, die Aufgabe, Sicherheit zu gewährleisten, selbst übernehmen zu müssen. Die Menschen müssen aber darauf vertrauen können, dass der Staat ausreichende Sicherheitsmaßnahmen schafft und unterhält, die es entbehrlich machen, dass sie selbst ihren Schutz in die Hand nehmen.
Dies ist leider in manchen Teilen unseres Landes längst nicht mehr gewährleistet. Unter Hinweis auf abnehmende Bevölkerungszahlen hat sich die Polizei aus manchen Flächen zurückgezogen, Dienststellen geschlossen und die Präsenz nahezu auf null reduziert. Wer die Polizei sehen will, muss sie aus einem konkreten Anlass rufen und lange warten. Das genügt bei weitem nicht, um das legitime Schutzbedürfnis der Menschen zu befriedigen. Deshalb greifen manche Bürgerinnen und Bürger zu unterschiedlichen Methoden, um Sicherheit auch in der Fläche zu organisieren. In Sachsen-Anhalt ist sogar die erste Gemeinde dazu übergegangen, einen privaten Schutzgeist zu engagieren, weil die Polizei fehlt. Anderswo laufen Anwohner Streife, zuweilen mit Hunden, Taschenlampen, Funkgeräten oder sogar Schutzausstattung wie Pfefferspray. Da ist es dann nicht mehr weit zur Selbstjustiz - und sei es auch nur aus mangelnder Professionalität im Übereifer.
Damit das niemand falsch versteht: Keiner hat etwas dagegen, den Nachbarn darum zu bitten, im Urlaub einen Blick auf das Haus und Grundstück zu werfen oder aufmerksam zu sein, wenn die Frequenz des Besuchs ortsfremder Personen in einer Ortschaft zunimmt. Überhaupt muss der Bereich der Kriminalprävention, das heißt die Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger für vorbeugende Maßnahmen zur Straftatenverhinderung gestärkt werden. Auch an dieser Stelle hat es fatale Folgen, wenn sich der Staat zurückzieht. Oft helfen schon einfache Tipps, zum Beispiel wie man sich gegen Haus- und Wohnungseinbrüche schützt, um kriminellen Handlungen vorzubeugen. Aber wenn systematisch Streife gelaufen wird, weil die Polizei nicht da ist, ist die Grenze zur ungewollten Bürgerwehr längst überschritten. Dann werden auch Extremisten rasch angelockt werden, um "für Recht und Ordnung zu sorgen". Niemand kann das wollen.