
Recht aktuell
Nach Sturz auf Gullydeckel: Gemeinde muss zahlen
Ein Moment der Unachtsamkeit – und doch hätte er nicht passieren dürfen. Für einen 27-jährigen Spaziergänger aus Lindwedel endete ein Hundespaziergang im September 2020 mit einer gebrochenen Kniescheibe. Jetzt hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle entschieden: Die Gemeinde haftet und muss 12.500 Euro Schmerzensgeld zahlen – plus rund 4.400 Euro für Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden und Anwaltskosten.
Gullydeckel kippte weg – Sturz in den Sickerschacht
Der Mann war in der Nähe des Bahnhofs auf einem Grünstreifen unterwegs, als er auf einen Gullydeckel trat. Dieser kippte zur Seite, das rechte Bein rutschte in den darunterliegenden Sickerschacht. Die Folge: eine komplizierte Knieverletzung, monatelange Arbeitsunfähigkeit.
In erster Instanz hatte die Gemeinde Lindwedel vor dem Landgericht Verden noch gesiegt. Sie verwies darauf, dass der Gullydeckel regelmäßig kontrolliert worden sei. Doch das Oberlandesgericht Celle stellte in der Berufung jetzt klar: Ein Sickerschacht ist Teil der Kanalisation – und damit eine „gefährliche Anlage“ im Sinne des Haftpflichtgesetzes. Die Gemeinde hätte beweisen müssen, dass höhere Gewalt den Unfall verursachte, nicht etwa Materialfehler oder mangelhafte Wartung.
Beweislage gegen die Gemeinde
Dieser Beweis sei der Gemeinde nicht gelungen – auch, weil der Gullydeckel inzwischen entsorgt war und nicht mehr begutachtet werden konnte. Ein weiteres Argument half der Gemeinde ebenfalls nicht weiter: Möglicherweise habe jemand den Deckel absichtlich herausgehoben. Tatsächlich habe es in der Samtgemeinde Schwarmstedt ähnliche Vorfälle gegeben, sagte ein Bauamtsmitarbeiter als Zeuge. Doch auch hier hielt das OLG dagegen: Gerade bei bekannten Risiken müssten Gullys besonders gesichert werden.
Orientierung an Schmerzensgeldtabellen – aber keine Schablone
Bei der Höhe des Schmerzensgeldes von 12.500 Euro orientierte sich der 14. Zivilsenat an bekannten Schmerzensgeld-Tabellen. Diese bieten jedoch nur Anhaltspunkte, so das Gericht: Verletzungen und ihre Folgen seien immer individuell zu bewerten. Im Fall des Klägers wirkten sich neben der Schwere der Verletzung auch die beruflichen Einschränkungen aus. Da der Kläger über mehrere Monate krankgeschrieben war, muss die Kommune zusätzlich zum Schmerzensgeld rund 4.400 Euro für Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden und Rechtsanwaltskosten zahlen. Die Urteile zu Unfällen im Zusammenhang fallen unterschiedlich aus.
Künftige Schäden eingeschlossen
Das Urteil verpflichtet die Gemeinde nicht nur zu diesen Zahlungen. Das Gericht befand: Auch für mögliche Folgeschäden muss sie einstehen - eine Entscheidung, die auch andere Kommunen beunruhigen dürfte.
Für Kommunen ist der Fall eine deutliche Warnung: Infrastruktur, die ein Sicherheitsrisiko bergen kann, muss nicht nur regelmäßig, sondern auch mit Blick auf bekannte Gefahren besonders kontrolliert und gesichert werden.
OLG Celle, Urteil vom 11. Juni 2025, Az. 14 U 138/23.
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