
Dobrindt wirbt für ÖPP
Mehr Spielräume für Erhalt und Ausbau
Indem man "privates Kapital für Investitionen in große Straßenbauprojekte" aktiviere, erhalte "die öffentliche Hand neue Spielräume zum Erhalt und Ausbau leistungsfähiger Verkehrswege". Zugleich entstehe, so Dobrindt, "ein neuer Markt" für Anleger. "Sie können ihr Kapital langfristig, stabil und sicher in die deutsche Verkehrsinfrastruktur investieren."
Eine echte Win-Win-Win-Situation
Dabei sollen auch institutionelle Anleger wie Lebensversicherungen oder Pensionsfonds die Möglichkeit erhalten, sich mit eigenem Kapital zu beteiligen. Die Einbindung institutioneller Anleger hält der Bundesverkehrsminister für "eine echte Win-Win-Win-Situation". Profitieren würden "der Bund, die Autofahrer, die Investoren".
Folgende Finanzierungsmodelle sind möglich:
• Die Baufirmen erbringen ihren Anteil entweder über ein klassisches Bankendarlehen oder über institutionelle Anleger wie Lebensversicherungen und Pensionsfonds. Auch beide Elemente zu kombinieren ist möglich.
• Die Lebensversicherungen und Pensionsfonds werden von sich aus tätig. Sie suchen sich Bau- oder Betreiberunternehmen, die die Maßnahmen ausführen und übernehmen dabei die Federführung.
Die ÖPP-Offensive sorgt auch für Kritik
Am Vorstoß des Bundesverkehrsministers scheiden sich die Geister. Die Deutsche Bauindustrie lobt die ÖPP-Offensive. "Die Bundesregierung tut gut daran, künftig verstärkt auch auf ÖPP im Bundesfernstraßenbau zu setzen, da die Projekte zur Zufriedenheit der Auftraggeber laufen und privates Kapital kurzfristig in öffentliche Infrastrukturmaßnahmen eingebunden werden kann", sagt der Vorsitzende des Arbeitskreises ÖPP der Deutschen Bauindustrie, Nikolaus Graf von Matuschka.
ÖPP-Projekte hätten sich im Straßenbau bewährt. Alle ÖPP-Verkehrsprojekte seien vor der Zeit und ohne nennenswerte Mehrkosten fertiggestellt worden. "ÖPP steht beispielhaft für die Leistungsfähigkeit unserer Unternehmen. Wenn Planen und Bauen stärker gekoppelt und mehr Verantwortung auf die private Seite übertragen wird, hat dies gerade bei Großprojekten für alle Seiten Vorteile", betonte Matuschka. Die neue Generation ÖPP zeige zudem, dass wesentliche Weiterentwicklungen in die Konzeption neuer Modelle eingeflossen seien. Matuschka: "Wenn künftig verstärkt auf Verfügbarkeitsmodelle gesetzt wird, verantworten die Unternehmen Risiken, die sie selbst steuern können. Das bietet mehr Sicherheit für die privaten Anbieter und auch für den öffentlichen Auftraggeber. Außerdem hat der Bund damit auch auf die Bedenken des Mittelstands reagiert."
Die Bauwirtschaft steht hinter ÖPP
Die neue Generation ÖPP sei zudem ein gutes Zeichen für die Versicherungswirtschaft. "Es ist ein wichtiges Signal der Bundesregierung, dem institutionellen Kapital kurzfristig neue Anlagemöglichkeiten zu bieten. Denn einen anhaltenden Kapitaltransfer ins Ausland können wir uns sicherlich nicht mehr leisten", bemerkte Matuschka. Er wandte sich gleichzeitig gegen den Vorwurf, dass der Bund hierdurch hohe Renditen subventioniere. Im Gegenteil: private Anleger übernähmen bei ÖPP umfangreiche Projektrisiken, wodurch sich eine höhere Rendite als bei risikolosen Bundesanleihen rechtfertige. Matuschka: "In einem freien Markt ist Rendite nun mal ein Ausdruck von Risiko. Zudem kommen diese Renditen den Versicherungsnehmern, also den Bürgerinnen und Bürgern, zu Gute." Die Lösungen der Kritiker, Investitionen vor allem über neue Schulden zu finanzieren, hält Matuschka für ein Vabanquespiel. "Angemessene Gewinne privater Altersvorsorge verteufeln und den Steuerzahlern gleichzeitig neue Schulden aufdrücken. Mehr 'Lose-Lose' für den Bürger geht wohl nicht", so Matuschka.
Die Gewerkschaften sehen den Bund selbst in der Pflicht
Matuschka machte sich abschließend dafür stark, ÖPP auch in anderen Infrastrukturbereichen zu nutzen: "ÖPP ist auch ein Instrument für Kommunen, um ihre Projekte effizient und wirtschaftlich zu realisieren." In einer Umfrage des Bundeswirtschaftsministeriums unter 1.000 Kommunen im Rahmen der Fratzscher-Kommission bestätigten 85 % die Kostensicherheit von ÖPP. Dagegen gaben 52 % der gleichen Kommunen an, dass die Kostensicherheit konventioneller Projekten allgemein schlechter oder viel schlechter als geplant sei. Ähnliche Antworten ergaben sich bei einer entsprechenden Frage zur Termintreue. "Die guten Erfahrungen mit ÖPP sind keine Erfindung der Bauindustrie, sondern Realität", so Matuschka.
Kritik kommt hingegen von den Gewerkschaften. Sie vertreten die Ansicht, dass der Bund sich derzeit fast zum Nulltarif Geld leihen könne. Vor diesem Hintergrund sei es unnötig, Investoren einen Aufschlag zu bezahlen, statt einfach selbst zu bauen. "Es gehört nicht zu den Kernaufgaben des Staates, die Geschäftsmodelle von Banken und Versicherungen abzusichern", findet DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell.