Erbbaurechte geben Kommunen zahlreiche Möglichkeiten

Erbbaurecht konsequent nutzen

6. Juli 2016
Viele Kommunen kämpfen noch immer mit den Folgen, die Hertie und Karstadt in den Innenstädten hinterlassen haben. Leerstehende Gebäude in bester Lage – ein fatales Signal in Fußgängerzonen. Was tun?

Erbbaurecht und seine Möglichkeiten - ein Gastbeitrag des Juristen Sebastian Hauptmann für KOMMUNAL Um das Heft in der Hand zu behalten und die Suche nach Investoren nicht dem Zufall zu überlassen, greifen viele Kommunen selbst zu und erwerben die leerstehenden Immobilien. Da die in den 60er- und 70er-Jahren errichteten Häuser in ihren Ausmaßen oftmals die Grenzen mehrerer Grundstücke überschritten, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht erworben werden konnten, unterliegen die Gebäude oft dem Erbbaurecht, während Grund- und Boden nach wie vor Dritten gehören. Wer die leerstehenden Häuser erwerben möchte, muss deshalb die Erbbaurechte kaufen. Dabei stellt sich regelmäßig eine Frage, von der der Erfolg der gesamten Transaktion abhängt: Die nach der Wirksamkeit des oder der Erbbaurechte.

Erbbaurecht muss auch wirklich wirksam sein

Grund hierfür ist § 1 Abs. 3 ErbbauRG. Nach dieser Vorschrift ist die Beschränkung des Erbbaurechts auf einen Teil eines Gebäudes unzulässig. Bei einem Verstoß, also der „Durchschneidung“ eines Gebäudes durch ein Erbbaurecht, entsteht das Erbbaurecht erst gar nicht. Obwohl ein Erbbaurechtsvertrag unterzeichnet, obwohl das Erbbaurecht im Grundbuch eingetragen wurde, obwohl es jahrzehntelang gelebt und obwohl der Erbbauzins gezahlt wurde, existiert das Erbbaurecht nicht. Auffallen kann dies beim Grundbuchamt auch Jahre später; es könnte jederzeit gelöscht werden. Der Erwerb des Erbbaurechts durch die Kommune wäre gegenstandslos, ebenso die Veräußerung an den Investor. Als tauglicher Beleihungsgegenstand – elementar für die Projektfinanzierung – schiede es aus. Es ergäben sich kaum mehr rekonstruierbare

Die Fallstricke im Erbbaurecht - Sebastian Hauptmann kennt sich aus

Rückabwicklungsszenarien. Die Wirksamkeit des Erbbaurechts ist deshalb von zentraler Bedeutung. Sie muss in jeder Transaktion geprüft werden, besonders, wenn Kaufgegenstand ein Erbbaurecht ist, dessen Grenze durch ein Gebäude verläuft. Die in diesem Fall zu Recht angebrachten Zweifel an der Wirksamkeit ziehen sich durch den gesamten Transaktionsprozess. Besteht das Erbbaurecht nicht, hätte die Kommune nichts erworben, sie könnte nichts verkaufen und die Bank des Investors hätte keine Sicherheit.

Wann ist ein Erbbaurecht unwirksam?

Doch wann genau ist mit diesen drastischen Folgen zu rechnen? Scheitern Erwerb und Weiterveräußerung der alten Warenhausimmobilie immer schon dann, wenn die Grenze eines Erbbaurechts quer durch eine Immobilie verläuft? Führt die Überschreitung der Grenzen des Erbbaurechts immer zur Unwirksamkeit? Die Antwort ist: Es kommt darauf an. Entscheidend ist, wie es zur Beschränkung des oder der Erbbaurechte auf einzelne Gebäudeteile kam. § 1 Abs. 3 ErbbauRG zielt darauf ab, Wirtschaftseinheiten auch rechtlich als Eigentumseinheiten zu erhalten, also die Aufteilung eines Gebäudes auf mehrere Erbbaurechtsberechtigte zu verhindern. Mit anderen Worten: Ein Gebäude soll nicht Gegenstand mehrerer Erbbaurechte sein, das – jedes für sich genommen – fungibel ist. Hieran gemessen sind jedenfalls solche Erbbaurechte unwirksam, die zum Zeitpunkt ihrer Begründung nur auf einzelne Gebäudeteile beschränkt wurden, sei es, weil ein vorhandenes Gebäude Gegenstand mehrerer Erbbaurechte wurde, sei es, weil zum Zeitpunkt der Begründung des Erbbaurechts feststand, dass künftig über die Grenze des Erbbaurechts gebaut werde. In diesen Konstellationen – in denen beim Abschluss des Erbbaurechtsvertrags klar war, dass das Gebäude die Grenzen des Erbbaurechts überschreitet – ist für die Vertragsgestaltung und die

Erbbaurechte - viele Städte arbeiten mit dieser Möglichkeit der Stadtplanung

Transaktionsberatung stets von einer Unwirksamkeit auszugehen. Anders hingegen sind Fälle zu beurteilen, in denen die Bebauung über die Grenze des Erbbaurechts hinweg nicht von vornherein feststand, sondern nachträglich durch einen Überbau überschritten wurde. Hier kann der Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich der Überbau befindet, zwar Beseitigungsansprüche haben. Die Wirksamkeit des Erbbaurechts hingegen steht nicht in Frage.

Fehler beim Erbbaurecht korrigieren

In den Griff bekommt man diese Thematik, indem man die Historie der Erbbaurechte bis zu ihrer Begründung – die freilich Jahrzehnte zurückreichen kann – detailliert nachvollzieht. Nur so kann entweder sichergestellt werden, dass es das Erbbaurecht als Kaufgegenstand auch wirklich gibt. Wenn nicht, kann versucht werden, Fehler zu korrigieren, z.B. indem die Erbbaurechtsgrundstücke ebenfalls erworben werden, was in bestimmten Konstellationen – z.B. der Kirche als Eigentümer des Grund und Boden – jedoch schwierig werden kann. Gleichwohl ist die Klärung solcher Unsicherheiten für die Akquisition der Immobilie notwendige Bedingung. In den Investorenverhandlungen hilft sie dabei, den Verkaufsprozess zu strukturieren und Diskussionen über rechtliche Risiken – die Transaktionen erfahrungsgemäß mindestens verzögern, wenn nicht sogar verhindern – von vornherein zu unterbinden. Zumindest die Schatten der Vergangenheit eines Erbbaurechts stünden der erfolgreichen Umsetzung vielversprechender Nutzungskonzepte für die Schlüsselgrundstücke in den betroffenen Innenstädten dann nicht mehr entgegen. zur Person: Sebastian Hauptmann ist Rechtsanwalt. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Kiel und Bochum sowie einem Referendariat in Bayern hat er eine Ausbildung zum Wirtschaftsmediator absolviert. Seit dem Jahr 2006 arbeitet er in Essen in der Kanzlei Aulinger unter anderem mit dem Schwerpunkt Immobilientransaktionen.