Burg Hanstein in Thüringen
Burg Hanstein in Thüringen - bei Tagesausflüglern beliebt. Sie liegt im Landkreis Eichsfeld, einem Corona-Hotspot.
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Lockdown-Verschärfung

Kommunen kritisieren 15-Kilometer-Radius

Bürger fühlen sich durch die von Bund und Ländern beschlossenen neuen Corona-Regeln verunsichert. Kritik am 15-Kilometer-Radius kommt aber auch von den Kommunen - vor allem im ländlichen Raum. Die Vorgabe bedeutet: In Regionen mit besonders vielen Corona-Infektionen dürfen die Bürger bald nur mehr aus triftigen Gründen den Ort im Umkreis von 15 Kilometern verlassen. Nicht alle Länder aber machen mit, die Verantwortung liegt damit allein bei den Städten und Gemeinden.
Aktualisiert am 13. Januar 2021

Kurz nachdem  Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Beratung mit den Länderchefs die neusten Beschlüsse zur Verlängerung des Lockdowns bis 31. Januar verkündet hatte, herrschte erst einmal große Verunsicherung. Aufgeregte Bürger fragen  bei den kommunalen Vertretern nach, wie die neuen Regeln genau aussehen. Auf Facebook verwies der Bürgermeister der bayerischen Stadt Waldkirchen, Heinz Pollak, eine Bürgerin an die Corona-Hotline der Landesregierung. Offen gab er zu: "Ich kann den Großteil der zahlreichen Fragen nicht beantworten, da mir auch nicht mehr Infos, als unten vorliegen." Unten listete er in seinem Facebook-Post die jüngsten Corona-Beschlüsse auf.

15-Kilometer-Radius gilt nicht in der Großstadt wie Berlin

Juristen zweifeln die Regelung an. Es ist daher damit zu rechnen, dass es zu Klagen gegen den eingeschränkten 15-Kilometer-Radius kommen wird.Zwischenzeitlich besteht zumindest inhaltlich schon mehr Klarheit über die neuen Regelungen - und damit wächst auch die Kritik. Innerhalb einer Großstadt gilt der verordnete 15-Kilometer-Radius bei der Bewegungsfreiheit nicht - auch nicht in Hotspots wie Berlin.Vielen Bürgern aber leuchtet nicht ein, wieso eine Fahrt in den öffentlichen Verkehrsmitteln in der Hauptstadt ungefährlicher sein soll als die Fahrt im eigenen Pkw über 15 Kilometer hinaus. Dafür aber auch dem Land.

Unterschiedliche Verordnungen in den Ländern

Die Regelung soll Regionen gelten, in denen mehr als 200 neue Infektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gezählt werden, also sogenannte Hotspots. Ausschlaggend sind die Zahlen im Landkreis oder kreisfreien Städten. Dort dürfen die Menschen nur noch aus triftigen Gründen weiter als 15 Kilometer von der Ortsgrenze hinweg unterwegs sein - etwa zur Arbeit oder zum Arzt. Ausflüge sind damit gestrichen.

 Inzwischen haben die Länder ihre Verordnungen zu den neuen Corona-Regeln erlassen - und da wird deutlich, dass die 15-Kilometer-Bewegungseinschränkung nicht in allen Ländern vorgegeben ist. Auch nicht in jedem Fall ab der Ortsgrenze gilt.Damit wird es wieder mal einen Regel-Flickenteppich geben.

Eingeschränkter Radius bislang nur in Sachsen

So fühlen sich die Kommunen in Thüringen alleingelassen. Die Mobilitätsbeschränkung werde lediglich „in den Katalog der Empfehlungen für die Kreise aufgenommen“, kündigte Ministerpräsident Bodo Ramelow an. Wie BILD berichtete, hatte er die 15-Kilometer-Regel nach sächsischem Vorbild auch als Reaktion auf einen Ansturm auf die Thüringer Wintersportorte vorgeschlagen. Minister der SPD und der Grünen hatten im Landeskabinett dagegen jedoch Bedenken angemeldet. Bisher galt nur in Sachsen ein eingeschränkter Radius von Zuhause aus.

Kritik von Hildburghauser Landrat und Erfurter Oberbürgermeister

"Es  ist schon ein starkes Stück, das jetzt den Kommunen unterzujubeln“, sagte der Landrat des Landkreises Hildburghausen Thomas Müller (CDU). „Das ist wieder mal typisch Land, das geht gar nicht", zitiert ihn südttüringen.de. Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) bezeichnete die Regelung als absurd. „Das geht komplett am Leben vorbei und bringt die Menschen zu Recht auf die Palme“, hatte er gesagt. „Wir dürfen ihnen nicht noch die Natur verbieten.“ Es sei vor allem„Schwachsinn“, eine solche Regelung nicht landesweit einheitlich zu erlassen – oder eben das gerade zu lassen. „Entweder wir machen das alle oder wir halten die Füße still“, betonte Müller.

Die neuen Coronaregeln Grafik

NRW: Land legt 15-Km-Regelung nicht fest

In der ab 11. Januar geltenden neuen Corona-Schutzverordnung von NRW ist die 15-Kilometer-Regelung in Hotspots nicht festgelegt. Landkreise und kreisfreie Städte können sie allerdings  bei mehr als 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb sieben Tagen in Absprache mit dem Landes-Gesundheitsministerium  umsetzen.

Der 15-Kilometer-Radius in Hotspots im Saarland bezieht sich nur auf tagestouristische Reisen. Es soll weiterhin möglich sein, Angehörige zu besuchen, die weiter als 15 Kilometer von der eigenen Stadtgrenze entfernt wohnen.

In  Rheinland-Pfalz soll die 15- Kilometer-Radius- Regelung nur in Absprache mit betroffenen Kommunen in Kraft treten. Den Kommunen und Kreisen bleibt es auch überlassen, strengere Regelungen bei den Kontaktbeschränkungen zu erlassen, wenn dies die Infektionszahlen für erforderlich machen.Dann darf das Haus nur noch aus triftigen Gründen verlassen werden.

Der Aufenthalt außerhalb der eigenen Wohnung ist in Baden-Württemberg derzeit nur aus triftigen Gründen erlaubt. Die 15- Kilometer-Beschränkung in Hotspots wurde daher nicht expliziert eingeführt.

Bayern setzt die 15- Kilometer-Regelung  um. Ab der Wohnanschrift gilt dort auch die 15-Kilometer-Regelung für Ausflügler. Die 15-Kilometer-Regelung in Hotspots überlässt das Land Niedersachsen den Kommunen. Sie  soll  von der Wohnadresse und nicht vom Wohnort aus gelten. Ob die Regelung angewendet wird, überlässt Niedersachsen den Kommunen.

Die 15-Kilometer-Regel um den Wohnort soll in Schleswig-Holstein von den Kreisen und kreisfreien Städten umgesetzt werden - bei über 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Sie ist vom Land aber nicht festgeschrieben. In Mecklenburg-Vorpommern gilt die 15-Kilometer-Regel ab Wohnadresse in  Landkreisen mit mehr als 200 Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche.

Die 15- Kilometer-Beschränkung in Hotspots ist in Sachsen-Anhalt  vorgeschrieben und wird von den Landkreisen verfügt. Der Abstand wird ab den Grenzen von Städten und Gemeinden gemessen. Die Kommunen können in Thüringen die 15-Kilometer-Regelung in Hotspots selbst umsetzen, sie ist nicht durch das Land vorgeschrieben. In Brandenburg gilt die 15-Kilometer-Regelung ab der Landkreisgrenze oder der Grenze der kreisfreien Stadt gilt bereits jetzt in Hotspots.

In Berlin gilt vom 16. Januar an, dass ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 200  der 15 Kilometer-Radius um die Stadtgrenzen gezogen wird. Diesen Bereich dürften die Bewohner der Hauptstadt dann nur noch aus triftigen Gründen verlassen.

Landsberg: 15-Kilometer-Regelung kaum kontrollierbar

Wie soll überhaupt kontrolliert werden, ob sich die Bürger an die 15-Kilometer-Regelung halten?  Das fragt sich auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg. "Fraglich ist, wie der Beschluss, dass sich Menschen in besonderen Risikogebieten nur noch in einem Radius von 15 Kilometer von seinem Wohnsitz bewegen dürfen, in der Praxis umgesetzt werden kann", sagte Landsberg. Er betonte: "Ein solch eingeschränkter Bewegungsradius ist allerdings kaum kontrollierbar und es ist fraglich, ob er letztlich durch die vielen Ausnahmen, zum Beispiel Pendeln zur Arbeit, Wirkung entfalten wird. Es ist abzuwägen, ob in einzelnen Gebieten, Städten oder Kreisen, in denen exorbitant hohe Inzidenzzahlen vorliegen, solche zusätzlichen Einschränkungen vorgesehen werden sollten."

Landkreistag: Ländliche Räume besonders betroffen

 Auch der Deutsche Landkreistag äußert sich kritisch.  Präsident Landrat Reinhard Sager unterstrich, es  komme entscheidend auf die Kooperation der Bevölkerung an. "Deshalb müssten die Maßnahmen nachvollziehbar und angemessen sein, um von den Menschen mitgetragen und befolgt zu werden", sagte Sager. „Ich habe Bedenken, ob mit Bewegungseinschränkungen und Kontaktbeschränkungen auf nur eine Person außerhalb des eigenen Haushalts nicht der Bogen überspannt wird. Vor allem die ländlichen Räume, in denen immerhin zwei Drittel der Bevölkerung leben, sind von einer Einschränkung der Bewegungsfreiheit auf einen 15-Kilometer-Radius besonders betroffen.“