Nach der Reform
Grundsteuer: Es muss nicht teurer werden
Die eigentlich aufkommensneutral geplante Reform der Grundsteuer hat zu teils drastischen Erhöhungen der Hebesätze und entsprechenden Mehrbelastungen für die Bürger geführt. Aber nicht überall. Manche Städte und Gemeinden haben sich anderer Einnahmequellen besonnen. Und in gut zwei Dutzend Orten in Deutschland verzichtet man sogar ganz darauf, Grundsteuer auf Wohngrundstücke zu erheben.
Wahlbach im Hunsrück: Windkraft statt Grundsteuer
Ein Beispiel ist die Gemeinde Wahlbach, gelegen im rheinland-pfälzischen Hunsrück. Ein 185 Einwohner zählendes Dorf, umgeben von sanften, grünen Hügeln. Hier verzichtet der Gemeinderat schon seit einigen Jahren ganz darauf, die Grundsteuer B zu erheben.
Drei Windräder finanzieren die Gemeinde
Wie das funktioniert? „Wir haben drei Windkraftanlagen, die auf unserer Gemarkung stehen“, sagt Ortsbürgermeisterin Alexandra Krebs. „Und wir haben uns einen Weg überlegt, wie wir die Bürger an den Pachteinnahmen der Windräder beteiligen.“ Für die Gemeinderäte sei der Verzicht auf die Grundsteuer B da eine gute Möglichkeit gewesen. Aber: „Wir entscheiden jedes Jahr aufs Neue, ob wir das beibehalten“, betont Krebs. „Wir gucken auf die Finanzlage, ob wir uns das weiter so leisten können.“
Der Windkraft an sich steht die Kommunalpolitikerin dabei eher zurückhaltend gegenüber. „Unsere Windräder gibt es schon seit mehr als zehn Jahren: Damals hatte man sich weniger Gedanken über die Belastungen gemacht, die mit den Windkraftanlagen einher gehen“, sagt Krebs. „Heute ist man vorsichtiger, man weiß, was man sich damit antut.“ Denn jedes Windrad sorgt auch für einen gewissen Lärmpegel. „Die Windkraft ist an sich eine sinnvolle Sache, aber auch hier sollte man Maß und Ziel nicht aus den Augen verlieren“, sagt Krebs.
Das hat auch Folgen für die Grundsteuer in Wahlbach: Sollten die Ausgaben der Gemeinde steigen, kann sich die Ortsbürgermeisterin ein weiteres Windrad zur Finanzierung eher nicht vorstellen. Ohnehin sind die Finanzen der Gemeinde derzeit solide: „Wir haben keine Schulden, aber auch keine hohen Rücklagen“, sagt die Ortsbürgermeisterin. „Wir sind so aufgestellt, dass wir unsere Aufgaben erfüllen können – deswegen konnten wir uns auch in diesem Jahr dafür entscheiden, auf die Grundsteuer B zu verzichten.“
Weitere Beispiele in Schleswig-Holstein
Andere Beispiele für Gemeinden, die ohne Grundsteuer auskommen, finden sich beispielsweise in kleinen Kommunen Schleswig-Holsteins. Und auch hier sind es oft die Einnahmen aus der Windkraft, die es den Gemeinden ermöglichen, auf die Grundsteuer zu verzichten.
Verl in NRW: Hebesatz gesenkt statt erhöht
Anders ist die Situation in einer Mittelstadt in Nordrhein-Westfalen. In Verl, einer Stadt mit mehr als 26.000 Einwohnern, hat der Stadtrat den Hebesatz für die Grundsteuer B im vergangenen Jahr von 238 auf 208 Prozent gesenkt. Denn man wollte das Versprechen der Bundesregierung einhalten: Die Grundsteuerreform sollte von den Städten und Gemeinden aufkommensneutral umgesetzt werden.
Aktualisierte Daten ermöglichten Korrektur
„Zwischen der ursprünglichen Kalkulation im November 2024 und der anschließenden Veranlagung im März 2025 hat das zuständige Finanzamt zahlreiche aktualisierte und vollständig erfasste Messbeträge sowie notwendige Korrekturen übermittelt“, sagt ihr Bürgermeister Robin Rieksneuwöhner. Viele dieser neuen Grundstücksbewertungen hätten zum Zeitpunkt der ersten Berechnung noch nicht vorgelegen, sodass damals nur eine vorläufige Einschätzung möglich gewesen sei. „Auf Basis der nun deutlich präziseren Datengrundlage ergaben sich höhere Erträge als zunächst prognostiziert“, so der Bürgermeister. Deshalb habe man die Hebesätze noch einmal neu überprüft. Und das Ergebnis war die Senkung des Hebesatzes.
„Eine zusätzliche Belastung für Unternehmen und private Haushalte würde aus unserer Sicht in der aktuellen wirtschaftlichen Lage das falsche Signal setzen“, hat Rieksneuwöhner schon in seiner diesjährigen Haushaltsrede betont.
Angesichts steigender Kosten und der angespannten wirtschaftlichen Situation wollen wir es vermeiden, zusätzliche finanzielle Lasten aufzuerlegen.
Wichtiger sei die Förderung der heimischen Wirtschaft – der in der Stadt ansässigen „Global Player" ebenso wie von Handwerkern und Mittelstand.
Grundsteuer spielt nur untergeordnete Rolle
Der Stadt Verl kommt dabei allerdings zugute, dass die Grundsteuer für sie keinen großen Posten im städtischen Haushalt darstellt. Rieksneuwöhner spricht von einer „vergleichsweise geringen Bedeutung“ dieser Abgabe: Bei geplanten Gesamterträgen für das Jahr 2026 in Höhe von 93 Millionen Euro kämen gerade einmal 2 Millionen Euro aus der Grundsteuer. „Das entspricht einem Anteil von 2,24 Prozent am Gesamtertragsaufkommen“, sagt der Bürgermeister. Tatsächlich lebt Verl vor allem von der Gewerbesteuer der dort ansässigen Unternehmen. Geht es ihnen gut, geht es auch dem städtischen Haushalt gut. Doch auch Einkommenssteuer, Umsatzsteuer, die Zuwendungen des Finanzausgleichs und städtische Gebühren sind für die Stadt noch wichtiger als die Grundsteuer, meint der Bürgermeister.
Norderstedt: Differenzierte Hebesätze als neuer Weg
Einen anderen Weg geht die Stadt Norderstedt bei Hamburg. „Wir werden im kommenden Jahr erstmals von der neuen gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch machen, bei der Grundsteuer B zwischen der Nutzung eines Grundstücks als Wohngrundstück und einer Nutzung als Gewerbegrundstück zu unterscheiden“, sagt der Leiter des Amtes für Finanzen der Stadt Norderstedt, Jens Rapude.
Gewerbe profitierte überproportional
Denn Norderstedt stehe vor dem Problem, dass durch die Neuberechnung der Grundstückswerte die Grundsteuer für viele Bürger deutlich teurer geworden ist, obwohl die Stadt den Hebesatz sogar reduziert hat.
Wir haben den Hebesatz von 410 auf 390 Prozent gesenkt, weil wir Gewinn gemacht hätten, wenn wir den alten Hebesatz beibehalten hätten. Aber gefühlt müssen fast alle Bürger mehr bezahlen, während Gewerbegrundstücke deutlich geringer belastet worden sind.
Neue gesetzliche Möglichkeiten werden genutzt
Insgesamt sei die Grundsteuer auch in Norderstedt nicht die dominante Einnahmequelle. „Bei 400 Millionen Einnahmen macht die Grundsteuer 14,6 Millionen Euro aus – das ist nicht der Burner“, betont er. Das habe der Stadt die Überlegungen zur Reform erleichtert. „Wir werden jetzt differenzierte Hebesätze einführen für Wohngrundstücke und Nicht-Wohngrundtücke“, sagt Rapude. „Das ist eine neue Möglichkeit, die uns die Grundsteuerreform bietet, und die werden wir nutzen.“

