In Tübingen muss neben Mannheim die höchste Grundsteuer bezahlt werden.
In Tübingen muss besonders viel Grundsteuer bezahlt werden.
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Klagen

BFH-Urteil zur Grundsteuer: Entscheidung mit Sprengkraft für Kommunen

Bis 10. Dezember entscheidet der Bundesfinanzhof (BFH) über drei Grundsteuerklagen. Das Urteil könnte Finanzen und Belastungen in elf Ländern massiv verändern.

Was die Grundsteuer betrifft, so ist Deutschland ein Flickenteppich. Wie viel Haus- und Wohnungseigentümer jährlich dafür bezahlen müssen, hängt davon ab, wo ihre Grundstücke sich befinden. Es kommt dabei nicht nur auf das Bundesland an, sondern auch auf die Stadt und sogar auf die Straßenseite. Besonders hoch ist die Grundsteuer nach einer aktuellen Erhebung im Auftrag des Eigentümerverbandes "Haus & Grund" im Südwesten Deutschlands. Die Unterschiede sind enorm: Zahlen Grundstückseigentümer im baden-württembergischen Tübingen durchschnittlich pro Jahr 1.377 Euro, rund 434 Prozent mehr als im sächsischen Zwickau. Mit Blick auf alle 100 betrachteten Städte in der Erhebung ist die Grundsteuer nach dem Ranking im Vergleich zum Vorjahr um 46 Euro gestiegen.

Tausende Klagen vor den Gerichten gegen neue Grundsteuer

Seit der Reform der Grundsteuer, die zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft ist, beschäftigen Beschwerden die Verantwortlichen in den Kommunen, zahlreiche Fälle landeten inzwischen vor den Gerichten. Bundesweit wurden bereits über 2000 Klagen und zehntausende Widersprüche eingereicht. Viele Finanzgerichte haben ihre Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs  ausgesetzt.

Drei Klagen vor dem Bundesfinanzhof

Doch diese Entscheidung könnte Auswirkungen auf Grundsteuerberechnungen in den meisten Bundesländern haben: Am 10. Dezember wird eine wegweisende Entscheidung des obersten deutschen Finanzgerichts erwartet. Es wird spannend, wie der Bundesfinanzhof (BFH) in München drei Klagen aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Berlin bewertet. Besonders in der Kritik steht das Bundesmodell. Elf Bundesländer wenden das Modell - zum Teil modifiziert  an, das auf einen Vorschlag des damaligen Finanzministers Olaf Scholz zurückgeht.

Worum geht es in dem BFH-Verfahren gegen die Grundsteuer?

Im Mittelpunkt der Klagen steht die Frage, ob die Bewertung der Grundstücke noch vom zulässigen pauschalierenden Ansatz gedeckt ist oder ob sie so deutlich vom realistischen Wert abweicht, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorliegt. Das Dilemma: Der Gesetzgeber musste Kriterien für die Neubewertung von rund 36 Millionen Grundstücken finden – ein komplexes Unterfangen. 

Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?

Am 10. Dezember will der II. Senat des BFH in den Verfahren II R 25/24, II R 31/24 und II R 3/25 entscheiden. Sie stehen stellvertretend für zahlreiche Streitfragen zum Bundesmodell.

Warum gelten neue Grundsteuerberechnungen?

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2018 die damalige Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Grund war das über Jahrzehnte nicht aktualisierte Bewertungsverfahren, das zu erheblichen Wertverzerrungen geführt hatte. Der Gesetzgeber musste daher nachbessern. Die neue Grundsteuer wird seit Anfang 2025 erhoben. Schon im Vorfeld war klar, dass es zahlreiche Klagen geben würde.

Wie funktioniert das Bundesmodell?

Das Bundesmodell arbeitet bei Wohngebäuden vor allem mit dem pauschalierten Ertragswertverfahren. Es berücksichtigt Gebäudetyp, Baualtersklasse und eine statistisch ermittelte Nettokaltmiete, die regelmäßig aktualisiert wird. Zusätzlich gibt es Zuschläge für städtische und Abschläge für ländliche Lagen.

Wie lautet die Kritik am Bundesmodell?

Kritiker wie Haus & Grund oder der Bund der Steuerzahler halten diese Methodik für übermäßig belastend und teilweise verfassungswidrig. Betroffen sind nicht nur Eigentümer, sondern über die Nebenkosten auch Mieter. "Das Bundesmodell hat ebenfalls zahlreiche Steuersteigerungen ermöglicht und ist wegen seiner Komplexität und Intransparenz Spitzenreiter bei der Unzufriedenheit der Bürger", so der Interessensverband.  "2,8 Millionen Einsprüche sprechen eine deutliche Sprache."

Wie könnte das Verfahren vor dem BFH ausgehen?

Der BFH kann auf zwei Wegen entscheiden:

  • Der Bundesfinanzhof hält das Bundesmodell für verfassungsgemäß und spricht ein Urteil. Die Kläger könnten dann Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einlegen.
  • Der BFH hat selbst verfassungsrechtliche Zweifel. Dann muss er die Verfahren – sowie weitere anhängige Verfahren zum Bundesmodell – aussetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorlegen, das allein über die Verfassungsmäßigkeit entscheidet. Eine endgültige Klärung wäre damit noch nicht erreicht.

Grundsteuer im Südwesten besonders hoch

Klagen laufen nicht nur gegen das Bundesmodell, sondern auch in Ländern mit eigenen Modellen – Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen. Mehr dazu bei :diegemeinde

Der II. Senat des Bundesfinanzhofs will am Mittwoch, dem 10. Dezember 2025, ab 9 Uhr in den drei Verfahren zur Grundsteuer (II R 25/24, II R 31/24, II R 3/25) seine Entscheidungen verkünden. Mehr Infos zu den einzelnen Fällen.

Anhängige Verfahren zur Grundsteuer bei den Finanzgerichten zum Bundesmodell.