Tourismus: Bedeutung der Brunnen für die Stadt
© Ronald Ziepke

Tourismus: Brunnen, die Schmelztigel der Stadt

24. Juli 2018
Brunnen sprudeln Geschichten hervor: Während hinter einem das Wasser plätschert, zeigt sich vor einem das Gesicht der Stadt. In Kommunen verbinden sie Gewerke, Dienstleister, Ehrenämter, Behörden und Brauchtümer miteinander. KOMMUNAL besuchte fünf Brunnen in fünf Bundesländern und fand fünf Quellen, die viel über ihre Heimatorte verraten.

Text von: Ronald Ziepke

Tourismus: Mannheim, Baden-Württemberg: Brunnen mit der Grupello-Pyramide auf dem Paradeplatz

Tourismus: Bedeutung der Brunnen für die Stadt

Der Brunnen-Gigant thront auf dem Paradeplatz mitten im Stadtzentrum. Umrahmt wird er von populären Einkaufsstraßen. Alle Straßenbahnlinien kreuzen sich dort. Bürgermeisterin Felicitas Kubala, Dezernat V, mag den urbanen Ort, denn hier verbringen Menschen vieler Kulturen und unterschiedlichen Alters gemeinsam Zeit: „Ich sitze da selbst gern,  genieße als Innenstadtbewohnerin das muntere Treiben und im Sommer das kühlende Wasser. Die angrenzenden Rasenflächen, Bäume und Blumenbeete bieten grünen Freiraum in der dicht bebauten Innenstadt.“  

Obwohl es scheint, als wäre die Pyramide für den Mittelpunkt Mannheims geplant gewesen, stand sie zuvor in Düsseldorf und Schwetzingen. Um 1740 ließ Kurfürst Carl Philipp die „Statua“ nach Mannheim überführen und auf einen steinernen Sockel heben.  

Der Brunnen hat offiziell keinen Namen und war früher keiner: Erst rund 150 Jahre später - mit dem Bau des Wasserturms, dem anderen Wahrzeichens Mannheims - wurde die Stadt mit Wasserleitungen versorgt und das Kunstwerk mit einem Brunnenbecken versehen. 

Wertvolle Historie kostet und muss gehegt werden. Der Paradeplatz hat die höchste Pflegestufe. Das heißt, Gärtner überprüfen bei Bedarf täglich Pflanzungen, bewässern Beete und beseitigen Unkraut. Obdachlose trinken hier ihr Bier und daneben essen Anzugträger Mittag, da muss auf Sauberkeit geachtet werden. So wird beispielsweise das Wegwerfen von Zigarettenkippen oder Kaugummis mit bis zu 100 Euro sanktioniert. „Einschließlich Versicherung und Betriebskosten kostet der Brunnen rund 10.000 Euro im Jahr. Bezahlt wird das vom Fachbereich Immobilienmanagement der Stadt“, erklärt die Pressesprecherin der 300.000-Einwohner-Metropole.

Tourismus: Schwerin, Mecklenburg-Vorpommern: „Rettung in Seenot“-Brunnen auf dem Grunthalplatz vor dem Hauptbahnhof 

Tourismus: Bedeutung der Brunnen für die Stadt

Dieser Brunnen reiht sich in die Bauwerke ein, die bei ihrer Einweihung einen Skandal auslösten - „zu hässlich“, „zu teuer“ oder wie hier: „zu nackt“.  Die abgebildeten Schiffbrüchigen sind hüllenlos. Die Stifterin, Emma Mühlenbruch, hatte sie aber für den Marktplatz angezogener bestellt. Durchsetzen konnte sich jedoch der Künstler Hugo Berwald. Die Konsequenz: Die Sittlichkeit erlitt Schiffbruch. Bei der Einweihung 1911 äußerten sich die Marktfrauen herablassend über das Kunstwerk: „Een poor nackige Minschen, de sick upp’n Steenhoppen rümrangeln“. Feine Damen fielen angeblich in Ohnmacht und sogar Reichspräsident Paul von Hindenburg übte Kritik. 

Dabei wollte die Witwe Johannes Mühlenbachs, dem Mitbegründer der Warnemünder Seenotrettungsstation, der Stadt nur Gutes tun. Gerade Marktbrunnen hatten wichtige Funktionen: Händler konnten darin Gemüse waschen und ihre Pferde tränken.  

Doch für den beengten Platz war der Koloss zu wuchtig – auch die Figuren bekamen zu wenig Freiraum, um zu wirken. Seit 1927 steht das nackte Empfangskomitee deshalb auf dem Grunthalplatz. Der Brunnen das Erste, was Bahnreisende nach Ihrer Ankunft in der Stadt wahrnehmen. 

Der größere Skandal ereignete sich jedoch direkt neben dem Brunnen: SS-Wachmannschaften, die Gefangene aus Konzentrationslagern auf „Todesmärschen“ nach Westen führten, hatten nach Bekanntwerden von Hitlers Tod den spontanen Ausruf der Lehrerin Marianne Grunthal gehört: „Gott sei Dank, dann gibt es Frieden!“ Am 2. Mai 1945, nur wenige Stunden vor dem rettenden Einmarsch der amerikanischen Truppen, wurde die Frau - die auf der Flucht aus dem Nachbarort Zehdenik war - öffentlich an einem Laternenmast erhängt. Ihr zu Ehren bekam der Bahnhofsvorplatz ihren Namen. Damit wird nichts verschwiegen, aber der Brunnen setzt dem Schrecken etwas entgegen: Hoffnung.  

„Wir kämpfen zwar nicht wie die Schiffbrüchigen ums nackte Überleben, freuen uns aber angesichts unserer schwierigen  Haushaltslage über jeden Stifter für Kunst und Kultur – ohne dieses Engagement wäre die kleinste und schönste Landeshauptstadt Deutschlands weniger liebenswert. Daher passt der Brunnen zu uns. Schön, aber arm“, so sieht das Stadtsprecherin Michaela Christen. 

Tourismus: Homburg an der Saar, Saarland: Brunnen auf dem Marktplatz

Tourismus: Bedeutung der Brunnen für die Stadt

Gestiftet wurde der Brunnen von der ansässigen Karlsberg Brauerei anlässlich ihres 75-jährigen Bestehens. Das Wasser-Meisterwerk symbolisiert neben der Bierbraukunst auch alle anderen Handwerksbetriebe einer aufstrebenden Kleinstadt – gerade im Jahr 1953, wo er auf dem historischen Marktplatz der Stadt feierlich übergeben wurde.  

Abgebildet sind unter anderem keltische Kulthandlungen, die Erhebung zur Stadt oder der Aufbau der Festung unter der Besetzung Frankreichs. Über allem thronen drei Grazien. Sie wurden nach lebenden Personen gestaltet und mit Attributen versehen, die fürs Bierbrauen notwendig sind: ein Wasserkrug, Gerstenähren und einem Korb mit Hopfendolden.  

Es gab Diskussionen, den Brunnen umzusetzen, um mehr Parkplätze in der Innenstadt zu schaffen oder bei Veranstaltungen die Sicht vom Marktplatz auf die Tribüne vor dem Alten Rathaus zu verbessern. Dazu äußert sich Diplom-Ingenieur und Architekt Roland Ecker, Abteilungsleiter des Hoch- und Tiefbaus der Stadt, der in Homburg geboren und aufgewachsen ist: „Brunnen und Marktplatz bilden für mich eine untrennbare Einheit. Mich begleitet dieses Wahrzeichen mein Leben lang.“ Schafft ein Brunnen das, dann bekommt die Gemeinde ein Wahrzeichen und zugleich ein PR-Instrument, das autark Eigenwerbung für die Stadt macht. Aufgrund der Effekte von Zisternen und Fontänen ist ihr Wert für die Kommune schwer zu beziffern. Roland Ecker schätzt: „Auf Grund der Investitionen im Rahmen der Grundsanierung 2016 in Höhe von rund 130.000 Euro, ist hier jedoch mit einem Gesamtanlagenwert von circa  200.000 Euro zu rechnen.“ 

Tourismus: Kurstadt Bad Liebenwerda, Brandenburg: Marktbrunnen „Mädchen Barbara mit Fischen“ 

Tourismus: Bedeutung der Brunnen für Kommunen

Wasser, Wald und Wiesen: Bad Liebenwerda ist eine grüne Oase im Elbe-Elster-Land. Ein Wahrzeichen der südbrandenburgischen Kurstadt ist der Brunnen, der unter Denkmalschutz steht. Er befindet sich auf dem Marktplatz gegenüber dem Rathaus in unmittelbarer Nähe zur spätgotischen St. Nikolei-Kirche.Zu sehen ist  das Hirtenmädchen Barbara. Im 17. Jahrhundert kämpfte sie der Sage nach gegen die Pest. Mit dem Wasser der nahegelegenen Schwarzen Elster behandelte die junge Frau erkrankte Stadtbewohner und heilte viele von ihnen. Die Bildhauerin Dorothea von Philipsborn erschuf das Mädchen in den 50ern neu. 

 „Seit 1999 wird das Hirtenmädchen bei uns durch eine junge Frau verkörpert“, erzählt Bürgermeister Thomas Richter. „Sie repräsentiert mit Tracht, Schärpe und Krug die Kurstadt bei öffentlichen Anlässen.“ 

Nicht nur einen Brunnen, sondern gleich 36 gibt es in Wunsiedel im Fichtelgebirge. Dort gibt es sogar Gemeinschaften, die sich ehrenamtlich um sie kümmern: In der kleinen Stadt ist das „Brunnenfest“ das Größte. Am Wochenende „vor Johanni“ – meist im Juni -  schmücken die Wunsiedler ihre Wasserquellen mit Kerzen und Blumen. Nachprüfbar seit 1833. 

Die Bayern lassen so die heidnische Tradition des „Brunnenputzen“ aufleben und feiern gleichzeitig ein Fest der Wiederkehr. Auch wenn junge Leute in die weite Welt hinausziehen, zu diesem Fest kommen sie gern zurück. Und alle helfen mit: Kindergärten, Schulen, politische und nachbarschaftliche Vereine - vom Fünf- bis zum 95-Jährigen.  

Zum Brunnenfest werden alle Wasserquellen feierlich angestrahlt. 

Aufgrund dieser bundesweiten Einzigartigkeit von traditionellem Brauchtum und gesellschaftlichem Ehrenamt wurde das Brunnenfest 2016 in das Immaterielle Kulturerbe der UNESCO aufgenommen.