Wohnsitzauflage ist gut, intelligente Steuerung besser

25. Mai 2016
Wie verhindere ich Ghettobildungen in den Ballungsgebieten, wie praktikabel ist eine Wohnsitzauflage? Interview mit dem Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg.

Der Geschäftsführer des DStGB Gerd Landsberg ©Hardy Welsch

Frage: Warum hilft es der Integration, wenn man Flüchtlingen sagt, du darfst drei Jahre lang nur an einem bestimmten Ort wohnen?

Antwort: Ich glaube, eine solche Wohnsitzauflage ist unverzichtbar, wenn wir Ghettobildungen in den Ballungsgebieten vermeiden wollen, weil erfahrungsgemäß natürlich ein Großteil der Flüchtlinge immer in die Ballungsgebiete strebt... (Wir) brauchen einfach eine gerechte Verteilung.

Wobei ich auch ganz deutlich sage, es geht jetzt nicht nur darum, die irgendwohin zu schicken, wo Wohnungen sind. Entscheidend ist, dass es dort Arbeit gibt, dass es dort Infrastruktur gibt und dann auch Teilhabemöglichkeiten. Und das ist natürlich auch eine Chance für Gebiete, die unter dem demographischen Wandel leiden. Insofern haben wir das immer befürwortet und halten das für einen richtigen Ansatz.

Frage: Ist es denn wirklich gegeben, dass es dann an den Orten Arbeit gibt...? (Ist) die Wohnsitzauflage praktikabel, wenn zum Beispiel in einer ostdeutschen Kommune auf dem Land die Migranten selbst gar nicht dort leben wollen?

Antwort: Das ist richtig, und deswegen muss man die notwendigen Rahmenbedingungen dafür schaffen. Es wird ja auch noch über die Finanzierung zu reden sein.

Aber nehmen Sie mal ein einfaches Beispiel: Mecklenburg-Vorpommern ist ein wunderschönes Land mit auch einem hohen Bedarf an Arbeitskräften im Tourismusbereich. Warum sollte es nicht möglich sein, eine Gruppe zum Beispiel von Syrern, die auch eine Erfahrung vielleicht schon oder eine Vorerfahrung haben, dorthin zu bringen und zu sagen, ihr kriegt hier auch eine Ausbildung als Tourismusfachmann, dann werden die auch bleiben.

Also man muss es intelligent steuern. Es macht sicherlich keinen Sinn, zum Beispiel einen Syrer nach Berlin zu schicken, wenn dessen ganze Familie in München ist... Aber diese Möglichkeit zu haben, das ist uns schon wichtig... Wohnsitzauflage ist gut, aber intelligente Steuerung ist besser.

Frage: Glauben Sie, dass bei dieser Wohnsitzauflage alle Kommunen wirklich mitziehen...?

Antwort: ... Entscheidend ist ja nicht, was die Kommune will, sondern was das Land entscheidet. Die Länder werden ermächtigt, diese Wohnsitzauflage zu formulieren und umzusetzen. Das werden sie, wenn sie klug beraten sind, in Abstimmung mit den Kommunen tun.

Aber eine Kommune hat ja schon auch ein Interesse, wenn ich Wohnraum schaffe, wenn ich Kindergartenplätze schaffe, wenn ich die Schule erweitere wegen der Kinder, die dorthin gehen, wenn ich vielleicht sogar Arbeitsplätze in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur schaffe, dass die Leute dann da auch eine Zeit lang bleiben... Gerade unter dem Aspekt Planungssicherheit muss eine Kommune eigentlich ein Interesse daran haben.

Frage: ... Woran werden wir sehen können, ob die Integration von Zuwanderern (mit dem Integrationsgesetz) wirklich besser gelingt?

Antwort: Ob sie nur durch das Gesetz besser gelingt, da habe ich Zweifel. Entscheidend ist ja, füllen wir das Gesetz mit Leben. Und der Meilenstein liegt einfach darin, dass ich endlich mal einen gesetzlichen Rahmen habe. Wir sprechen ja seit Jahren über Integration... Aber einen festen gesetzlichen Rahmen nach dem Grundsatz "fördern und fordern", das ist schon ein Meilenstein, das finde ich gut.

Es gilt jetzt, dieses Gesetz mit Leben zu füllen, und dann gehören viele, viele Einzelheiten dazu. Beispiel: Die Flüchtlinge sollen Sprachkurse machen... Nur wir haben im Moment 220.000 Plätze, die Bundesagentur versucht, bis Ende des Jahres 500.000 Plätze zu schaffen. Wenn Sie aber die Zahlen vom letzten Jahr nehmen, über eine Million Flüchtlinge, ist da noch eine Menge Luft nach oben. Das heißt, Sie können von den Menschen ja nur was verlangen, wenn Sie umgekehrt auch was anbieten. Auch da müssen wir uns deutlich mehr noch anstrengen.

Schlagwörter