Investitionen in Kommunen sind dringend nötig - Feste wie hier die Einweihung eines neuen Bolzplatzes (Vereinsgelände Homburger Turngemeinde 1846 e.V.) werden immer seltener
Investitionen in Kommunen sind dringend nötig - Feste wie hier die Einweihung eines neuen Bolzplatzes (Vereinsgelände Homburger Turngemeinde 1846 e.V.) werden immer seltener
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Milliarden an den Kommunen vorbei

Milliarden für die Tonne? Warum das Sondervermögen Kommunen bisher kaum hilft

Wenn aus dem neuen Sondervermögen tatsächlich 100  Milliarden Euro für die Kommunen fließen sollen – ohne dass grundlegende Reformen folgen - droht das Geld in dünnen Luftschichten zu verpuffen. Und das wird jene treffen, die ohnehin am stärksten unter Druck stehen: Städte und Gemeinden mit 7.000 bis 15.000 Einwohnern. Ein Überblick!

Die große Gefahr des Pakets auf allen Ebenen, ob kommunal oder deutschlandweit liegt klar auf der Hand: "Mit dem Geld werden laufende Ausgaben finanziert, aber zu wenige Investitionen getätigt." Ein Beispiel: Deutschland hat rund 10.000 marode Brücken. Für deren Sanierung sind pro Jahr 2,5 Milliarden Euro vorgesehen. Bisher standen im Haushalt nur 1,9 Milliarden Euro. Also stehen 600 Millionen Euro mehr zur Verfügung. Denn im Bundeshaushalt hat die Regierung einen Trick angewendet. Die 2,5 Milliarden aus dem Sondervermögen fließen nicht zusätzlich, sondern die Summe ersetzt den bisherigen Plan von 1,9 Milliarden Euro. Das Problem: Mit diesem Geld lassen sich pro Jahr - je nach Größe - etwa 20-40 Brücken sanieren. Bei 10.000 maroden Brücken also ein Tropfen auf den heißen Stein. Die restlichen 1,9 Milliarden Euro hingegen wandern in andere Bereiche des Haushalts, etwa zur Finanzierung von Sozialausgaben. 

Welche Investitionen wirklich wirken 

Das Problem ist also: Es ist von vorneherein nicht richtig definiert, was unter "Investitionen" zu verstehen ist. Bürgergeld, Rentenerhöhung - sie bringen weder Wachstum noch Kapitalerhalt. Ökonomen warnen daher: Mehrkosten im Sozialbereich fressen das Geld auf, ohne nachhaltigen Mehrwert zu schaffen. Das Magazin Die:Gemeinde (erscheint wie KOMMUNAL im Verlag Zimper Media) hatte das bereits im März gut herausgearbeitet. Hier finden Sie den Artikel. Würde die Aufnahme von Schulden ein Wirtschaftswachstum von 3,5 bis 4 Prozent erzeugen, würde die Schuldenquote sinken – weil das Verhältnis von Schulden zum Bruttoinlandsprodukt sich dann verbessert. Doch das klappt nur, wenn die Mittel in wirkliche Infrastrukturprojekte fließen, nicht in Konsum. Also etwa neue Bahnhöfe oder ein flächendeckendes schnelles mobiles Internet. Das treibt Chancen, schafft Jobs und zieht Unternehmen an. Dagegen: Brückensanierung allein, etwa in Berlin – ist sinnvoll und dringend nötig, aber wachstumsneutral. Wenn eine Brücke stabilisiert wird, verhindert man den Kollaps, es handelt sich aber nicht um  Multiplikatorwachstum. Es geht also um Investitionen mit Hebelwirkung, nicht jene ohne Wachstumseffekt. 

Riesen Investitionsstau - trotz Milliarden 

Der Investitionsrückstand allein bei Kommunen liegt laut KfW‑Kommunalpanel 2024 bei 186 Mrd. €, verteilt auf Schulen (55 Mrd.), Straßen (48 Mrd.), Verwaltungen (18 Mrd.), Kitas (13 Mrd.) Selbst bei voller Ausschöpfung der 100 Mrd. für Kommunen dauert der Rückbau ein Jahrzehnt – ohne Reform ist das nicht zu schultern.

 

Warum das Paket scheitern könnte

  1. Geld wird nicht als echte Investition eingesetzt, sondern um vorhandene Lasten zu finanzieren.

  2. Keine klare Investitionsstrategie – Staatskonsum wird mit Wachstum verwechselt.

  3. Falsche Mittelverteilung – Infrastrukturprojekte mit Multiplikatorwirkung fehlen.

  4. Systematische Fehlsteuerung – bereits im Haushalt eingeplante Mittel werden umgelagert und neu verbraten.

Was muss passieren – fünf klare Forderungen

  1. Entschuldung durch Bund und Länder - Ohne Übernahme der Altschulden können keine neuen Investitionen getätigt werden

  2. Nur echte Wachstumsausgaben zählen – in moderne Infrastruktur, Digitalisierung, Verkehrsnetze investieren, nicht in laufende Bedürfnisse.

  3. Mehr und gezielter investieren – Superbahnhöfe, Glasfasernetz, intelligente Verkehrsachsen statt nur Brücken-Upgrade.

  4. Kapazitätsaufbau auch bei Privaten - die Bauwirtschaft braucht mehr Fachkräfte, sonst steigen die Baukosten, nicht aber die Bauqualität 

  5. Schuldenaufnahme nur für Wachstum nutzen – falls Wachstumspotenzial von 3,5 % erreichbar, dann tilgt sich die Quote selbst.

  6. ÖPP-Konzepte nutzen – öffentlich-private Partnerschaften können Projekte effizienter stemmen.

 

Das Wichtigste aber: Bund und Länder täten gut daran, die Praktiker in den Kommunalverwaltungen einzubinden. Denn die Bürgermeister wissen am Besten, wo der Schuh drückt - zu lange Verfahren, fehlendes Personal, überbordende Vorschriften. Die Kritik der Kommunalen zeigt: Wir müssen vereinfachen, das Personal aufstocken und vor allem die Verfahren modernisieren. 

Und zu guter Letzt: Die Kommunen erhalten aktuell 15 Prozent aller Einnahmen des Staates, sind aber für 24 Prozent der Ausgaben des Staates verantwortlich. Allein diese Zahl zeigt, dass die jetzige Form der Finanzverteilung zu Lasten der Kommunen langfristig nicht funktionieren kann. 

 

Was jetzt zählt - so wird das Sondervermögen zum Job-Turbo 

Das Sondervermögen hat Potenzial – als echte Zukunftschance für Kommunen. Aber: Ohne strukturelle Reformen droht eine Verschwendung des öffentlichen Geldes – ähnlich wie beim Konjunkturprogramm von 2009/10, nur zehnmal größer.

Wenn Bund, Länder und Kommunen jetzt den politischen Willen bündeln, Altschulden tilgen, Verwaltung digitalisieren und Bürokratie abbauen, kann aus dem Milliardenpaket ein echter Modernisierungsschub werden. Wenn nicht? Dann erleben wir die schlimmste Höhe‑und‑Fülle aller Zeiten: viel Geld, wenig Wirkung, länger bleibender Investitionsstau.

Den Kommunen fehlt nicht nur Geld – ihnen fehlt Handhabe, Tempo und Gestaltungsfreiheit. Wird das Paket zur Reformchance genutzt? Oder verpufft es als Verwaltungsrestposten? Die Antwort entscheidet über die kommunale Handlungsfähigkeit der nächsten Generation. Wir werden die Entwicklungen weiter kritisch und konstruktiv begleiten.