Das 49-Euro-Ticket wird wohl nicht pünktlich starten - die Probleme der Bahn löst es ohnehin nicht, meint Christian Erhardt
Das 49-Euro-Ticket wird wohl nicht pünktlich starten - die Probleme der Bahn löst es ohnehin nicht, meint Christian Erhardt
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Start im Januar?

49-Euro-Ticket: Endstation Abstellgleis? ÖPNV im Billigrausch!

Endlich wird der Dschungel an Zeit- und Monatskarten mit verschachtelten Tarifzonen überflüssig. Das deutschlandweite 49-Euro-Ticket macht es möglich. Nur der Start im Januar steht auf der Kippe. Mindestens Bayern sieht keine Chance für einen pünktlichen Start. Grund ist der Streit ums Geld. Doch das ist nur ein Problem der neuen Flatrate. Sie schafft neue Probleme auch für Kommunen, eine Verkehrswende braucht ohnehin weit mehr als ein Billig-Ticket, argumentiert Christian Erhardt.

Wer künftig Berlin besucht, muss sich mit den zahlreichen Tarifzonen endlich nicht mehr beschäftigen. Das in Gelsenkirchen gekaufte 49-Euro Ticket wird dann auch hier gelten. Die über 70 Verkehrsverbünde mit ihren verschachtelten Tarifzonen sind für Besitzer dieser Karte damit Geschichte. Das ist definitiv die gute Nachricht, wenn es pünktlich zum Jahreswechsel doch noch mit dem neuen 49-Euro Ticket klappen sollte. Auch wenn Bund und Länder aktuell noch über die Finanzierung des Tickets streiten – im Grunde sind alle im Billigrausch und wollen die neue Flatrate. Koste es den Steuerzahler, was es wolle. Immerhin wird dieser im Gegenzug beim Ticketpreis entlastet, so er denn das Monatsabo kauft. Genau hier werden viele Bürger aber scharf rechnen. In vielen Großstädten kostet das Monatsticket aktuell um 60 Euro, hier ist der Mitnahmeeffekt in Form der Vergünstigung also sicher willkommen. Spannender wird es in flächenmäßig größeren Gebieten. Wer etwa im Rhein-Main-Gebiet oder zwischen Köln und Düsseldorf unterwegs ist, zahlt wegen der verschiedenen Verbünde oft 150 Euro und mehr im Monat. In diesen staugeplagten Regionen wird das 49,-Euro Ticket mit Sicherheit für mehr Kunden sorgen. Kurz gesagt: In Ballungszentren und Speckgürtel von Großstädten, wo es ein Angebot des Regionalverkehrs gibt, führt das neue Ticket in der Tendenz zu günstigeren Preisen und mehr Kunden.

49-Euro-Ticket löst Probleme der Bahn nicht im Ansatz 

Auf dem Land sieht das aber ganz anders aus. Denn wirklich schnell und somit attraktiv sind nur die Eisenbahn und die S-Bahn. Wo Busse im Einsatz sind, war schon das 9-Euro Ticket ein Flop. Die einzige Chance wäre hier, einen möglichst effektiven Busverkehr als Zubringer zu den großen Regionalbahnen zu installieren – entsprechend getaktet mit dem Regionalverkehr. Der Busverkehr liegt aber meist in der Hand der Städte und Landkreise. Hier muss oftmals ein gutes Angebot erst mal geschaffen werden – was ebenfalls Milliarden kosten würde. Geld, über das Bund und Länder bis heute nicht gesprochen haben. Denn kurzfristig sind hier kaum Verbesserungen möglich, daher lassen Landes- und Bundespolitik den ÖPNV auf dem Land lieber gänzlich liegen. Schnelle medienwirksame Erfolgsgeschichten sind hier schließlich nicht zu erwarten. In diesen Regionen schafft Deutschland mit dem 49-Euro Ticket also ein Angebot ohne Nachfrage.

Ohnehin zeigt sich beim Geld, wo die wahren Probleme des 49-Euro Tickets liegen. Die Verkehrsverbünde mahnen seit längerem an, dass sie massiv von gestiegenen Kosten betroffen sind. Experten sehen den zusätzlichen Investitionsbedarf – zusätzlich zu den Kosten von drei Milliarden Euro im Jahr für die Finanzierung des Tickets – bei jährlich rund vier Milliarden Euro. Da geht es um Sanierungen, zusätzliche Mitarbeiter, mehr Strecken, mehr Züge. Ohne diese zusätzlichen Milliarden droht eine Ausdünnung des bestehenden Nahverkehrs. Und somit ein schlechteres Angebot, das zu sinkender Nachfrage führen wird. Und sei das Ticket noch so günstig.

Kleine Verkehrsunternehmen bekommen durch das 49-Euro-Ticket massive Finanzprobleme 

Zwei ganz konkrete Probleme kommen zudem auf die Kommunen zu. Erstens dürften die meisten Tickets, die ja vor allem digital angeboten werden sollen, meist über die großen digitalen Plattformen verkauft werden. Also über die App der Deutschen Bahn etwa. Für die kleinen Verkehrsunternehmen bedeutet das kurzfristig weniger Ticketerlöse. Zwar soll das in einem komplexen Prozess der Aufteilung der Gelder innerhalb des Systems wieder ausgeglichen werden, so das Versprechen. Aufgrund des Verfahrens jedoch wird das Geld erst nach mehreren Jahren umverteilt. Ob sich das die kleinen Verkehrsunternehmen leisten können, ist fraglich.

Weiter kommt auf die Kommunen die Finanzierung der Sozialtickets zu. Denn bisher ist nur die Rede von einem 49,- Euro Ticket. Wer etwa in Nürnberg Anspruch auf ein Sozialticket hat, zahlt dort nur 19,-Euro im Monat. Die Finanzierung von Bund und Ländern sieht solche Preisstaffeln nicht vor. Die Kommunen werden es also wieder draufzahlen müssen.

Bleibt die Frage, ob mit dem 49,- Euro Ticket das Ziel, mehr Menschen als bisher vom ÖPNV zu überzeugen, gelöst wird. Potential besteht ja vor allem bei denjenigen, die bisher nur als Gelegenheitsfahrer mit Bus und Bahn unterwegs sind. Gerade die dürften vom 49,- Euro Ticket aber nicht überzeugt werden. Denn wer nur ab und an mit der Bahn fährt, sieht sich weiter dem Dickicht von Einzel- Tages und Wochenkarten ausgesetzt. Für den Pendler, der eins- oder zweimal in der Woche aus dem Homeoffice ins Büro in die Großstadt fährt, lohnt sich weder das Tages- noch das Monatsticket. Vor allem lohnt es sich für ihn nicht, wenn vor Ort langsame, dünn getaktete Busse im Einsatz sind.

49-Euro-Ticket ist Billigrausch aber kein Konzept - was stattdessen passieren muss 

Was wir brauchen ist also mehr als ein symbolisches „Billig-Preisschild“.  Wer die Verkehrswende will, muss ein ganzheitliches ÖPNV-Angebot schaffen. Dazu gehört neben mehr Zügen und weniger Bussen – außer bei der Schülerbeförderung – ein System an Rufbussen, Sammeltaxis, das Thema autonomes Fahren nicht nur bei Bussen, Nachbarschaftsdienste, private Firmen wie Uber und vieles mehr. Am Ende wird nur ein Mix der verschiedenen Verkehrsmittel – vom Individualverkehr bis zur Schiene – erfolgreich sein. Dafür braucht es zugegeben mehr als einen Billigrausch, dafür aber weniger ideologische Schranken. Sonst heißt die Endstation: Abstellgleis!