Angehörigen-Entlastungsgesetz: "Kommunen werden zu Ausfallbürgen"
Bisher sieht es so aus: Wenn pflegebedürftige Senioren die Kosten ihrer Pflege nicht mehr selbst tragen können, müssen ihre Angehörigen für sie aufkommen. Grenzen gibt es für Geringverdiener - Wer als Alleinstehender weniger als 21.600 Euro netto verdient oder mit einer Familie weniger als 38.800 Euro, der wird vom Staat entlastet. Diese Grenzen hält die Bundesregierung jedoch für zu niedrig angesetzt. "Bisher konnte es passieren, dass Kinder zusätzlich zu der persönlichen Belastung auch noch zur Kasse gebeten wurden. Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz ändern wir das", sagt Bundessozialminister Hubertus Heil gegenüber den Funke Mediengruppe.
Entlastung auch für Eltern von Kindern mit Behinderung
Unterhaltsansprüche gegenüber Angehörigen sollen laut dem Angehörigen-Entlastungsgesetz erst bei einem Bruttojahreseinkommen von über 100.000 Euro gelten gemacht werden können. Die Entlastung soll zudem für alle Eltern und Kinder gelten, die gegenüber Sozialleistungsbeziehern unterhaltspflichtig sind. Somit gilt es auch für Eltern, die ein Kind mit Behinderung pflegen. Es befreit Angehörige zudem von Zuzahlungen, wenn Anspruch auf eine Eingliederungshilfe besteht - so etwa, wenn eine Wohnung barrierefrei umgebaut werden soll. Das Bundeskabinett hat das Angehörigen-Entlastungsgesetz nun beschlossen und damit dem Bundestag zur weiteren Beratung vorgelegt.
DStGB kritisiert das Angehörigen-Entlastungsgesetz
Kritik an dem Gesetzentwurf kommt aus den Kommunen. "Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz würde das Solidaritätsprinzip weitestgehend ausgehöhlt", kritisiert DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg die Pläne der Bundesregierung. "Es ist grundsätzlich zumutbar, dass Kinder und Eltern gegenseitig für einander einstehen. Daran sollte nicht gerüttelt werden." Für die Kommunen würde das Gesetz Mehrbelastungen in Milliardenhöhe bedeuten. Bereits durch die derzeit geltenden Entlastungen für Angehörige Pflegebedürftiger beziehen rund 400.000 Menschen finanzielle Hilfen von den Sozialämtern der deutschen Städte und Gemeinden. Jährlich bedeutet das für die Kommunen Ausgaben in Höhe von 3,8 Milliarden Euro. Diese sind durch Einnahmen, etwa aus dem Unterhaltsrückgriff, längst nicht gedeckt. Hier kommen jährlich 513 Millionen Euro an Einnahmen zusammen.
Bund soll für die Kosten aufkommen
„Der Deutsche Städte- und Gemeindebund wehrt sich dagegen, dass erneut Wahlversprechen aus dem Koalitionsvertrag auf die Kommunen abgewälzt werden sollen", sagt Landsberg. "Die im Angehörigen-Entlastunggesetz enthaltenen Maßnahmen, kommen nur in Betracht, wenn der Bund den entsprechenden Ausgleich für die Kommunen sicherstellt." Dazu gibt es bisher keine Signale des Bundes. Ein Hauptgrund für die - schon bei der aktuellen Regelung - steigende Zahl an Leistungsempfängern liegt darin, dass viele Menschen aufgrund von Einschnitten in vorgelagerten sozialen Sicherungssystemen nicht mehr in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt mit Rentenbezügen zu bestreiten. Sollte die geplante Regelung umgesetzt werden, würden rund 90 Prozent der Unterhaltsverpflichteten nicht mehr zum Rückgriff herangezogen werden. Die Kosten für die Kommunen würden enorm ansteigen.
Einerseits plant die Bundesregierung zu Recht die hoch verschuldeten Kommunen von ihren Altschulden in Milliardenhöhe zu entlasten, anderseits werden mit einem Federstrich im Gesetz neue Milliardenbelastungen auf den Weg gebracht, um Besserverdiener von eigentlich selbstverständlichen familiären Verpflichtungen zu befreien.