"Das Baurecht muss endlich einfacher werden", fordert unser Bürgermeister des Monats
"Das Baurecht muss endlich einfacher werden", fordert unser Bürgermeister des Monats

Bürgermeisterportrait

Das Baurecht in Deutschland ist zu komplex

Er ist Kleinstadtbürgermeister mit eigenem Flugplatz. Und er weiß: „Das Baurecht ist eines der größten Probleme für Kommunen, und die vielen Klagen sorgen dafür, dass viele Mitarbeiter im Rathaus „streng nach Vorschrift“ abarbeiten“. Aussagen von Helmut Krämer, Bürgermeister aus Giebelstadt in Bayern.

Zwei Zimmer neben dem Büro des Bürgermeisters sitzt die Flugplatzverwaltung. Denn das etwas über 5.000 Einwohner zählende bayerische Giebelstadt, in der Nähe von Würzburg gelegen, hat eine eigene Flughafenbetriebsgesellschaft. Und im Unterschied zum großen Berlin, das am Neubau eines Flughafens fast scheiterte, gelang es den Franken in den letzten Jahren gut, ihren vom US-Militär übernommenen Flugplatz zu entwickeln. „Der Flugplatz ist ein positives Beispiel für „Public-Private-Partnership“, sagt der Giebelstädter Bürgermeister Helmut Krämer. Eigentümer der Flugplatzgesellschaft seien die Firma Knauff und der Markt Giebelstadt. Die Betreibergesellschaft gehört der öffentlichen Hand: An ihr sind neben Giebelstadt auch die Stadt und der Landkreis Würzburg und der Kreis Kitzingen beteiligt.

40.000 Flugbewegungen in einem Ort mit 5000 Einwohnern...

Und was andernorts die Gemüter erhitzt, der Fluglärm nämlich, ist in Giebelstadt kein Thema: „Als die Amerikaner den Platz noch genutzt haben, hatten wir 40.000 Flugbewegungen im Jahr, und Hubschrauberflüge bis nachts um zwei“, erinnert sich Krämer. „Dagegen ist es heute ruhig – und im Vergleich zur Bundesstraße ist es überhaupt keine Belastung.“ Es gibt eine Tonnagebegrenzung: Größere Flugzeuge dürfen in Giebelstadt nicht landen. Und es gilt ein Nachtflugverbot. „Das Szenario, hier würde ein zweiter Flughafen Frankfurt-Hahn entstehen, war von vornherein ausgeschlossen“, sagt Krämer. Für die Gemeinde ist der Flugplatz indes ein Zuschussbetrieb. Ein paar tausend Euro im Jahr muss die Gemeinde regelmäßig an Betriebskosten zuschießen. Das aber nimmt der Bürgermeister gern in Kauf: „Letztlich ist der Flugplatz dafür da, der ganzen Region das Fliegen zu ermöglichen“, sagt Krämer. „Ich sehe das als ein Teil der Wirtschaftsförderung, wenn die Betriebe der Region hier einen Zugang zum Luftverkehr haben.“

Wenn das Baurecht der Gemeinde das Leben doch nicht so schwer machen würde...

Während Krämer erzählt, sitzt er in seinem Büro im zweiten Stock des Rathauses. Wobei in Giebelstadt kein nüchterner Verwaltungszweckbau Sitz des Stadtoberhauptes ist: Die Gemeinde residiert im Schloss der Herren von Zobel, einer alten Sommerresidenz der adligen Familie. Freilich liegt das Gebäude nicht in einem noblen Park, sondern direkt an der stark befahrenen Bundesstraße B19. Der Verkehrslärm vorbeibrausender Lastkraftwagen ist drinnen gut zu hören. „Die B19-Ortsumgehung ist ein Projekt, das seit Anfang der 80er Jahre die Runde macht“, sagt Helmut Krämer. Die Trasse sei bei Flurbereinigungsverfahren bereits freigehalten worden. Man habe erkannt, dass der Verkehr zu groß und zu stark war. „Mittlerweile läuft, nach rund 40 Jahren, immerhin das Planfeststellungsverfahren“, sagt Krämer. Und immerhin ist die Umgehungsstraße Teil des Bundesverkehrswegeplans geworden. Doch Naturschutzverbände haben Einwendungen angemeldet – Alltag im Planungsland Deutschland. 

„Grundsätzlich ist das Baurecht in Deutschland sehr komplex“, sagt Krämer. „Aber ich glaube, dass man beim Baurecht auch nicht wirklich abspecken kann – denn die einzelnen Belange sind doch viel zu komplex.“ Wichtig sei, dass genügend Personal bereitgestellt werde, um die Verfahren abzuarbeiten. Und dem Giebelstädter Bürgermeister geht es dabei vor allem um entscheidungsfreudiges Personal: Denn der Kommunalpolitiker, der mittlerweile in seiner dritten Amtszeit ist, hat in den letzten Jahren eines beobachtet: „Immer wenn neues Personal nachrückt, ist die Entscheidungsfreudigkeit nicht mehr so groß, weil man sich nichts mehr traut“, sagt Krämer. Die Bereitschaft, auch mal etwas mutiger zu denken, sei selten geworden. „Ich habe da ganz besonders die Juristen im Verdacht, dass die dahinterstecken“, sagt Krämer. Denn mittlerweile werde selbst wegen Lappalien geklagt. „Irgendwann kommen die Mitarbeiter in den Kommunen dann eben zur Entscheidung: Bevor ich mir da jedes Mal ans Zeug flicken lasse, gehe ich lieber ganz streng nach Vorschrift vor – doch dann dauert es eben oft unendlich lang.“

Interkommunale Zusammenarbeit - ein Schlüsselwort für den Erfolg der Kommune von heute und morgen

Viel bedeutet dem Giebelstädter Bürgermeister auch die Zusammenarbeit mit den Nachbarorten. Der Markt südlich von Würzburg ist Teil der „Interkommunalen Allianz fränkischer Süden“. 14 Gemeinden im südlichen Teil des Landkreises haben sich dort zusammengeschlossen, um Probleme gemeinsam anzugehen. „Bei uns ist die Gemeindestruktur ja sehr kleinteilig“, sagt Krämer. Manche Kommunen haben nur 700 oder 800 Einwohner. „Da stellt man sich schon die Frage, können die ihre Aufgaben noch leisten oder tut man sich nicht freiwillig zusammen und arbeitet zusammen?“ In Giebelstadt und Umgebung entschied man sich seit 2009 für die freiwillige Kooperation – angefangen bei Themen wie der Gemeindeentwicklung und der Landflucht und noch lange nicht endend bei der gegenseitigen Unterstützung der Verwaltungen. So betreibt Giebelstadt mittlerweile den Bauhof gemeinsam mit einer anderen Gemeinde. Anderswo unterstützt man sich beim Standesamt.

Wichtig ist Krämer dabei, dass auch in der Allianz die Chemie zwischen den Beteiligten stimmt. Denn als der studierte Vermessungsingenieur zum ersten Mal ins Amt des Bürgermeisters gewählt worden war, musste er in Giebelstadt viele Gräben zuschütten, die in einer politisch schwierigen Situation entstanden waren. „Es war nie in meinem Lebensplan, dass ich Bürgermeister werden wollte“, sagt Krämer. „Aber man hat mich jahrelang bekniet, dass ich mich aufstellen lasse.“ Wichtig war Krämer von Anfang an die politische Kultur im Ort: „Auch wenn man unterschiedlicher Meinung ist, kann man sich doch persönlich wertschätzen“, sagt Krämer. Wichtig sei es, in der Kommunalpolitik offen aufeinander zuzugehen, Argumente auszutauschen, zu gewichten und dann zu einer Entscheidung zu kommen. „Und das muss ohne Nachkanten gehen“, sagt Krämer. „Denn wenn eine Entscheidung anders ausgeht, als ich sie gern gehabt hätte, muss mir klar sein, dass ich es hätte besser vorbereiten müssen.“

Um mal von Baurecht und Co abzuschalten - der Golfplatz ist auch nicht weit...

Zum Ausgleich für die Arbeit in der Gemeinde hat Krämer mit dem Golfsport begonnen. „Morgens um halb sieben stehe ich im Sommer für eine Runde auf dem Platz“, sagt der Bürgermeister. „Dann bekomme ich den Kopf frei, bevor es ins Büro geht.“ Und was macht aus Sicht des Giebelstädter Stadtoberhauptes einen guten Bürgermeister aus? „Dass man authentisch bleibt“, sagt Krämer. „Man soll sich auf gar keinen Fall verstellen – es geht darum, so viel Objektivität zu bewahren, dass man die Eigenständigkeit behält.“