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  3. Bürokratie bremst Bauprojekte in Stakendorf
Bürgermeister Ernst Hansen vor der Pferdekoppel, die seit 10 Jahren auf ihre Häuser wartet.
Bürgermeister Ernst Hansen vor der Pferdekoppel, die seit 10 Jahren auf ihre Häuser wartet.
© Rebecca Piron

Aus unserer Serie: Bürokratie-Wahnsinn

Bürokratie bremst Bauprojekte in Stakendorf

von Rebecca Piron
Stellvertretende Chefredakteurin | KOMMUNAL
18. Juni 2025
In Stakendorf, einem idyllischen Dorf nahe der Ostsee, will man vieles richtig machen: bezahlbare Bauplätze anbieten, sichere Radwege bauen, öffentliche Einrichtungen stärken. Doch gute Ideen allein reichen nicht – wenn die Bürokratie sie jäh zum Erliegen bringt.

15 Bauplätze, zehn Jahre Stillstand

Ein schönes altes Dorf mit gemütlichem Ortskern aus roten Ziegelbauten, kleinen Plätzen und viel Grün. Stakendorf liegt einen Kilometer von der Ostsee entfernt mitten in einer beliebten Urlaubsregion. Entsprechend hoch ist – trotz der ländlichen Prägung – das Interesse an Bauplätzen. „Viele junge Leute, die hier in Stakendorf aufgewachsen sind, möchten gerne ihr eigenes Haus hier im Ort haben“, sagt Bürgermeister Ernst Hansen. 

Dem Wunsch möchte er gerne nachkommen. Denn das sichert auch den Fortbestand der Gemeinde mit knapp 500 Einwohnerinnen und Einwohnern. Und so hat der Bürgermeister schon vor zehn Jahren mit seinem Gemeinderat grünes Licht für den Kauf einer großen Weidefläche im Herzen von Stakendorf gegeben. „Wir haben die Fläche als Gemeinde gekauft, damit wir Bauplätze zu fairen Preisen anbieten können“, erklärt Ernst Hansen. „Hier rund um die Ostseebäder sind die Bauplätze zum Teil extrem teuer. Wir haben das Ziel, sie für unter 200 Euro den Quadratmeter anzubieten.“ 15 bezahlbare Bauplätze für 15 Träume vom Eigenheim. 

Doch: Zehn Jahre später grasen Pferde auf der Weide. Was nach lahmender Gemeindeverwaltung aussieht, ist ein Bürokratiemonster, das in Stakendorf schon unzählige Arbeitsstunden gefressen hat. Denn die Gemeinde hatte sich 2017 über die neu geschaffene Möglichkeit eines beschleunigten Bauverfahrens nach Paragraf 13 b BauGB gefreut. Für die Verwaltung hieß das: kein neuer Flächennutzungsplan, keine frühzeitige Bürger- und Behördenbeteiligung und weder Umweltprüfung noch -gutachten. 

Der Bebauungsplan war endlich fertig, als im Juli 2023 die Hiobsbotschaft ins Haus stand: Das Bundesverwaltungsgericht urteilte, das beschleunigte Verfahren sei nicht mit Europarecht vereinbar. Kommunen deren Bebauungspläne bereits abgesegnet waren, hatten Glück. Sie durften bauen. Kommunen wie Stakendorf, bei denen das noch nicht der Fall war, waren gezwungen, auf das Regelverfahren umzusteigen. Das hieß konkret: Öffentlichkeitsbeteiligung wiederholen, Umweltprüfung und -gutachten nachholen. „Wir waren quasi wieder bei null“, erinnert sich Hansen. „Wir haben die Anträge alle neumachen müssen.“

Baugebiet genehmigt? Eine Hängepartie

genommen. Nur um den Bebauungsplan zur Überarbeitung zurückzubekommen. Der Landesentwicklungsplan lasse 15 Baugrundstücke an der Stelle nicht zu, es müssten weniger sein. Also setzt sich die Gemeinde an die Planung für zehn Häuser – um erneut eine Absage erteilt zu bekommen. 

Das will Bürgermeister Ernst Hansen nicht auf sich sitzen lassen. Ende Mai ist er deshalb selbst im Innenministerium vorstellig geworden. „Die Ministerin hat mir zugehört und war schnell überzeugt“, berichtet Hansen. Etwas Schriftliches habe er noch nicht in der Hand, doch mündlich seien ihm die Bauplätze zugesagt worden. Auf Anfrage von KOMMUNAL äußerte sich das Innenministerium Schleswig-Holstein vorsichtiger: Man habe das Baugebiet bereits zugesagt, es gehe nun darum, wie viele Bauplätze kommen werden. „Bei einem Termin im Innenministerium hat es lediglich die Zusage gegeben, den Sachverhalt zu prüfen. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen“, so der Sprecher Tim Radtke. 

„Die Ministerin hat zu mir gesagt, es sei gut, dass wir persönlich gesprochen haben. Sie hätte sich die Situation ganz anders vorgestellt“, so Hansen. „Und das ist auch das Problem: Es ist viel schwerer geworden, einfach mal irgendwo anzurufen oder vorbeizukommen, um etwas zu klären. Alles muss über Formulare und zehn Hände laufen. Und hinterher weiß keiner, wer gerade eigentlich über was entschieden hat.“

Folge der Bürokratie: Wohnen wird teurer

Das bürokratische Hin und Her habe nun dafür gesorgt, dass die Interessenten zu einem viel höheren Preis bauen müssen, als es noch vor einigen Jahren möglich gewesen wäre. „Und wenn hier in der Region die Bauplätze nicht so teuer wären, wären mir die Interessenten in der Zwischenzeit längst abgesprungen“, gibt Hansen zu bedenken. „Wir haben das ‚Glück‘, dass die Baugebiete in den Nachbarkommunen so teuer sind. In Schönberg nehmen sie 500 Euro für den Quadratmeter. Das kann sich hier keiner leisten.“

Ein Radweg seit 1974 – immer noch in Planung

Zweifelhaften Ruhm erlangte Stakendorf in diesem Jahr durch Medienberichte über einen Radweg, der 1974 beschlossen und bis heute nicht gebaut wurde. Auch hier verhindern bürokratische Hürden die Arbeit der Kommune für ihre Bürgerinnen und Bürger. Vor über 50 Jahren hatte man beschlossen, einen acht Kilometer langen Radweg von Stakendorf über Krummbek bis Höhndorf zu bauen. Doch ohne eine Feinplanung kein Radweg.

Ernst Hansen vor 800 Metern Radweg, die seit 1974 acht Kilometer sein sollten.
Ernst Hansen vor 800 Metern Radweg, die seit 1974 acht Kilometer sein sollten.

Zunächst sei der Kreis für die Planung zuständig gewesen, dem das Geld fehlte. Dann sollte sich das Amt Probstei kümmern, das allerdings kein Planungsbüro finden konnte. „So ging das Projekt wieder an den Kreis zurück und wanderte dort in der Prioritätenliste über die Jahre nach unten“, sagt Ernst Hansen. Seit er 2013 ehrenamtlicher Bürgermeister ist, hatte er immer wieder versucht den Kreis zu weiteren Schritten zu bewegen, jedoch ohne Erfolg. „Was aktuell auf der Straße zwischen unseren Gemeinden passiert, ist einfach gefährlich“, sagt Hansen. „Da fahren Eltern mit ihren Kindern in Fahrradanhängern über die enge Landstraße, auf der Autos mit 70 Stundenkilometer vorbeibrettern.“ 

Nach 51 Jahren scheint der Kampf nun gewonnen. Der Kreis hat ein Planungsbüro gefunden, das seine Arbeit bereits aufgenommen hat. Im nächsten Jahr soll gebaut werden. Doch auch bis dahin liegt noch viel Arbeit vor dem Büro und den Gemeinden. Von der Wasser- bis zur Umweltbehörde sind verschiedenste Stellen zu beteiligen und alle Grundstücksbesitzer müssen davon überzeugt werden, ihre betreffenden Flächen zur Verfügung zu stellen. Und dann gilt es Fördermittel einzuwerben. „Mit diesen bürokratischen Hürden wird uns das Leben schwer gemacht“, sagt Hansen. 

Podest gefällig? Bitte erst Formulare ausfüllen!

Und zu diesen Verzögerungen komme es auch in den Nachbargemeinden. Da reiche es schon, wenn man in der Gemeinde Schönberger Strand ein Podest am Haus der Integration bauen will. „Der Hausmeister vor Ort hatte Angebote eingeholt, drei Firmen haben sich darauf gemeldet und eine Firma hätte sofort loslegen können“, erzählt Hansen. „Als das beim Amt Probstei angemeldet wurde, gab es allerdings erstmal einen Stapel Papier zurück – Formulare, die ausgefüllt werden müssen. Die werden dann geprüft und das Amt Probstei schickt jemanden zur Begehung vorbei. Irgendwann erfahren sie dann, wer den Auftrag bekommt.“ Ernst Hansen guckt ungläubig: „Das Podest könnte doch längst stehen!“ 

Wachsende Bürokratie gefährdet das Ehrenamt

Was den Bürgermeister besonders ärgere, sei, dass diese bürokratischen Schritte nicht wirklich eingeführt würden, um die betroffenen Projekte besser oder sicherer zu machen. „Das Hauptproblem ist: Niemand möchte mehr Entscheidungen treffen“, kritisiert Hansen. „Ab und zu muss man einfach mal machen. Und dann auch die Konsequenzen tragen. Viel von der Bürokratie, die wir heute haben, ist nur eine Absicherung für die Verantwortlichen.“ 

Aus Erfahrung wisse er, dass sich deshalb auch viele Handwerksfirmen nicht mehr auf öffentliche Ausschreibung bewürben. Und auch das Amt des ehrenamtlichen Bürgermeisters würde durch die überbordende Bürokratie immer unattraktiver. „Ich bin in Rente, ich kann mir die Zeit nehmen, um jeden Tag Berge von Formularen auszufüllen. Aber wie soll man das alles neben einer Berufstätigkeit schaffen“, fragt Hansen. Das Amt der ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sei zu einer Vollzeitstelle geworden. 

Im nächsten Jahr wird es in Stakendorf Bürgermeisterwahlen geben und Ernst Hansen wird sich nicht mehr aufstellen lassen. „Nicht wegen der ganzen Schwierigkeiten, sondern weil es Zeit für mich ist. Es macht ja trotzdem Spaß und man kann etwas bewegen – auch wenn es lange dauert“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Für seine Nachfolge sieht er allerdings schwarz. Bisher habe sich kein Interessent gefunden. Drei andere Gemeinden im Amt Probstei seien bereits ohne ehrenamtlichen Bürgermeister. 

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