
Vier Tische und ein Statiker
Bürokratie-Monster: Wenn ein Stuhl zum Staatsakt wird
Ein Bürokratie-Monster jagt das Nächste: Es ist die Geschichte von einem Land, in dem ein Klapptisch gefährlicher sein kann als ein leerstehendes Ladenlokal. Man könnte meinen, es sei ein Kabarett-Sketch von Dieter Hildebrandt aus den 80ern, aber nein – es ist Deutschland, April 2025. Und was sich in Hannovers Stadtteil List abspielt, ist kein Scherz, sondern Alltag in einer Verwaltung, die gezwungen wird mit deutscher Gründlichkeit bis zur letzten Schraube alles abzusichern – sogar die Stuhlbeine von vier klappbaren Tischen vor einem Delikatessengeschäft.
Der Laden „Elea“, eine charmante Adresse für alle, die statt Tiefkühlpizza lieber griechisches Olivenöl und ein wenig Dolce Vita auf der Zunge spüren, wollte seinen Kunden das Einkaufserlebnis verschönern. Vier Tische sollten vor die Tür. Nichts Wildes, kein Biergarten, keine Ballermann-Kulisse – einfach ein paar Sitzplätze. Doch was in Italien als Einladung zur Lebensfreude gilt, wird dank immer mehr Gesetzen, die in Kommunen umgesetzt werden müssen, zum Hochsicherheitsproblem.
Bürokratie-Monster: Die Angst vor dem Untergrund und der Ruf nach dem Statiker
Die Verwaltung – konkret: die Baubehörde – verlangte ein „belastbares statisches Gutachten“ von einem Fachbüro. Für vier Klapptische. Man fürchtete offenbar, dass unter dem Gewicht einer Käseplatte auf Tisch drei die Tiefgarage unter der Lister Meile in sich zusammenbrechen könnte. Ironischerweise hatte das Amt im Vorjahr zwei Stehtische genehmigt – offenbar gilt das Sitzen als statisch bedrohlicher Akt als das Stehen.
Aber halt – bevor der Zorn über Bürokratie und Kleingeist überkocht:
Schauen wir kurz in die Aktenlage. Die Kommune ist nicht der Schuldige in diesem Theaterstück mit kafkaesken Zügen. Vielmehr spielt sie den geprügelten Boten eines Regelwerks, das ihr vom Gesetzgeber um die Ohren geschmiedet wurde – oft mit besten Absichten, aber mit null Vertrauen in Augenmaß und Menschenverstand.
Denn was sollen die Sachbearbeiter im Rathaus tun? Wenn ein Gesetz besagt, dass bei Nutzungsänderung über Tiefgaragen eine statische Prüfung nötig ist, dann bleibt da kein Raum für „Ach, wird schon gutgehen, der Herr hat’s ja gut gemeint“. Die Kommune darf nicht entscheiden, ob geprüft wird – sie muss. Und wehe, sie tut es nicht, und wirklich passiert was. Dann steht der Bürgermeister am Pranger, und nicht der Gesetzgeber, der das Ganze mal wieder so formuliert hat, dass die deutsche Rechtsschutzversicherung feuchte Hände bekommt.
Zwischen Bürgerwille und Vorschriftenwand
Dabei sitzen in den Rathäusern oft Menschen, die das Anliegen des „Elea“ durchaus verstehen – die sich wünschen, dass die Innenstadt belebt wird, dass Handel und Wandel blühen. Aber sie sind gefesselt an ein Korsett aus Vorschriften, das ihnen jeden Spielraum nimmt. Und wenn dann einer fragt: „Warum ist das so?“ – dann müsste die ehrliche Antwort lauten: Weil der Gesetzgeber sich vor Verantwortung drückt und alles bis ins letzte Detail regeln will.
Die Verwaltung weiß es besser – und hat aktiv nach Auswegen gesucht
Der Fall war vor 2 Wochen DAS Gesprächsthema in der Hannoveraner Innenstadt, auch die örtliche Presse berichtete über den Fall. Und so hat sich auch die Verwaltung bemüht, doch noch eine Lösung zu finden. Und das ist auch gelungen: Das Bauamt wies den Ladenbesitzer darauf hin, „dass er anstatt einer Statik auch eine schlichte Erklärung einreichen kann, dass sich statisch nichts ändert“, schreibt die Hannoversche Allgemeine. Wobei der Lokalbetreiber der Zeitung auch mitteilte, er habe „den Antrag nicht selbst stellen können, er habe seinen Architekten damit beauftragen müssen“.
Was lernen wir daraus?
Wer heute als Kommune flexibel, kreativ und lösungsorientiert agieren will, der braucht keine gut gemeinten Broschüren vom Innenministerium, sondern endlich echte Ermessensspielräume. Die Menschen vor Ort sind nicht dümmer als ein Referent in Berlin-Mitte – im Gegenteil: Sie kennen ihre Bürger, ihre Straßen und auch die Tragfähigkeit ihrer Gehwege. Die Moral von der Geschicht: Die Verwaltung weiß es besser, darf aber nicht.
Bei so viel Bürkratie-Monstern: Ein bisschen Spaß muss sein – der KOMMUNAL-Brief an eine Tiefgarage in Hannover
Da die Tiefgarage und die Sorge um deren Sicherheit bei diesem Verwaltungsakt offenbar im Vordergrund stand, zuckte es dem Autor dieser Zeilen dan doch in den Fingern. Entstanden ist ein „offener Brief an die Tiefgarage in Hannover“ – natürlich nicht ganz ernst gemeint…
ACHTUNG SATIRE: Offener Brief an eine Tiefgarage in Hannover
Liebe Tiefgarage,
es ist mir ein Bedürfnis, mich heute direkt an dich zu wenden. Du bist ein Bauwerk der 80er, durchlüftet von dem kühlen Charme grauer Betontristesse und der leisen Hoffnung, dass wenigstens oben drüber das Leben tobt. Doch nun stehst du im Zentrum eines kleinen Dramas: Vier Tische, ein paar Stühle – und du, die du allem Anschein nach unter dieser Last zusammenzubrechen drohst.
Verzeih mir die Offenheit, aber man hätte dir mehr zugetraut. Schließlich hast du über Jahrzehnte Autos getragen, Geländewagen, Lieferdienste mit Wocheneinkäufen für fünfköpfige Familien – aber bei einem Holztisch mit Espressoflair fängst du angeblich an zu wackeln. Oder vielmehr: Man traut dir nicht mehr. Und das, liebe Tiefgarage, ist der eigentliche Skandal.
Denn in Wirklichkeit bist du nicht das Problem. Du bist das Symbol. Das Symbol für eine Gesellschaft, die dem Bürger alles zutraut – außer gesunden Menschenverstand. Eine Welt, in der Klapptische ein Fall für das Bauamt sind und Lebensfreude genehmigungspflichtig wird.
Ich hoffe, du hältst durch. Nicht nur physisch, sondern auch als Ort stillen Protests gegen ein Regelwerk, das das Sitzen gefährlicher macht als das Schweigen. Vielleicht wird man eines Tages eine Plakette an deinem Eingang anbringen: „Hier begann der Widerstand gegen das Statik-Gutachten für den Mittagstisch.“
Halt die Decke steif.
Dein
Freund des frei stehenden Mobiliars