Sandra Röse aus Oyten im Bürgermeisterportrait
Sandra Röse will ein bürgernahes Rathaus.
© Benjamin Lassiwe

Porträt

Unser Mann für Oyten - wie eine Bürgermeisterin durchstartete

Als Sandra Röse 2019 mit einem provokanten Slogan in den Wahlkampf zog, wollte sie vor allem eines: Aufmerksamkeit für Frauen in der Kommunalpolitik. Heute ist sie Bürgermeisterin – und zeigt, wie moderne Verwaltung, Mitarbeitermotivation und bürgernahes Handeln funktionieren können.

„Unser Mann für Oyten” stand auf dem Wahlplakat, das 2019 in der 16.000 Einwohner zählenden Gemeinde am Stadtrand von Bremen für Aufsehen sorgte. Denn auf dem Plakat abgebildet war eine Frau: Sandra Röse. Die Unternehmensberaterin, die damals als eine von nur sechs Frauen im 32 Mitglieder zählenden Gemeinderat saß, wollte als Kandidatin den Blick auf das Engagement von Frauen in der Kommunalpolitik lenken. „In Oyten ist das zum Glück nicht schwer”, sagt Röse in ihrem hellen, lichtdurchfluteten Amtszimmer im Oytener Rathaus. „Wir haben hier ein ganz gutes politisches Miteinander.” Aus Gesprächen mit Kolleginnen weiß sie aber, dass andere Bürgermeisterinnen geringschätzig behandelt werden - im eigenen Rathaus ebenso wie außer Haus. „Das erlebe ich hier Gott sei Dank nicht”, sagt Röse.

Von der Kompetenz Aller profitieren

Was auch am souveränen Auftreten der Oytener Bürgermeisterin liegen könnte. Wer ihr gegenübersitzt, merkt sofort: Hier sitzt eine Kommunalpolitikerin, die weiß, was sie will. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit hat sich Röse mit allen 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeinde getroffen. 20 Minuten lang führte sie ein persönliches Gespräch mit jeder und jedem. „Das war keine freiwillige Veranstaltung für die Kollegen”, sagt Röse. „Es war eine Pflichtveranstaltung für alle.” Denn die Bürgermeisterin wollte wissen, welche Herausforderungen vor der Gemeinde lagen. „Und so hatte ich den bestmöglichen Blick auf alles.“ Anschließend wurde die Verwaltung reformiert: Mit zwei bis drei Kolleginnen und Kollegen aus allen Fachbereichen traf sich die Bürgermeisterin für einen Samstag in der Turnhalle. Röse wollte von der Kompetenz der Rathausmitarbeiter profitieren. Vom langjährig erprobten Wissen aus der Verwaltung, ebenso vom Wissen frisch eingestellter Mitarbeiter, die manches anderswo vielleicht anders erlebt hatten.

Fachkräftemangel proaktiv angehen

Das gute Verhältnis zu allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist der Oytener Bürgermeisterin indes noch aus einem anderen Grund wichtig: Dem zunehmenden Fachkräftemangel in den Kommunen. „Wir haben genau wie alle anderen die Boomer-Generation in wenigen Jahren nicht mehr hier im Rathaus“, sagt die 54-jährige. Sie zu ersetzen, werde schwierig. Zwar sei der öffentliche Dienst für viele noch immer ein interessanter Arbeitgeber. „Aber es gibt nur einen kleinen Teich mit Fachkräften und sehr viele Bürgermeister, die darin alle fischen.“ Zudem würden die Menschen oft nicht bei einem Arbeitgeber bleiben. „Die Generation meiner Eltern hat sich den Ehepartner fürs Leben gesucht, den Arbeitgeber fürs Leben und das eine Haus fürs Leben gebaut.“ Das alles sei heute nicht mehr so. Wichtig sei es deswegen, dass sich die Menschen an ihrer Arbeitsstelle wohlfühlten. Dass die Stimmung im Rathaus gut ist. „Unsere Philosophie hier in Oyten ist die Bindung an den Menschen. Das ist die Aufgabe, die unsere Fachbereichsleiter haben: So gut zu sein, nicht nur fachlich, sondern auch zwischenmenschlich in der Führung, dass die Teams sich hier als Teams empfinden und die Mitarbeiter bei uns bleiben.“

Oyten investiert in öffentlichen Nahverkehr

Doch auch im Umgang mit den Bürgern ist es der Oytener Bürgermeisterin wichtig, das Engagement zu fördern. Zum Beispiel beim Bürgerbus: Wer mit dem Linienbus von Bremen nach Oyten fährt, bekommt die von Ehrenamtlichen gefahrenen Kleinbusse als valide Umsteigemöglichkeit angesagt. „Gut dreißig Prozent der Oytener sind schon heute älter als 60 Jahre. Das heißt, wir erleben eine wachsende Immobilität.” Die Bürgerbusse würden dabei helfen, dass sich gerade ältere Menschen weiter in der Kommune bewegen könnten. Die Gemeinde unterstützt das finanziell: Ein Tagesticket für den Bürgerbus ist für gerade einmal einen Euro zu haben. „Das kostet uns im Jahr um die 3.000 Euro”, sagt Röse. „Und weil die Ehrenamtlichen nicht immer den Bus fahren können, können Menschen ab 70 im Bürgerbus auch für fünf Euro einen Taxigutschein erwerben, der dann für eine Fahrt innerhalb der Gemeinde gilt.” Die Differenz zum Fahrbetrag auf dem Taxameter erstattet dann die Gemeinde. „Da übernehmen wir ein Pilotprojekt von unserer Nachbarstadt Achim, wo das bereits praktiziert wird.” Auch hier rechnet die Gemeinde lediglich mit Kosten von zwei oder dreitausend Euro.

So kommt Geld in die Gemeindekasse

Oyten kann sich so etwas leisten. Denn dank guter Gewerbesteuereinnahmen hat der Bremer Vorort noch „freie Spitzen” im Haushalt, wie es die frühere Unternehmensberaterin formuliert. „Wir haben bei unseren Gewerbeansiedlungen immer darauf geachtet, dass wir uns ganz breit aufstellen.” Autozulieferer für Mercedes, IT-Dienstleister, Handwerksbetriebe: „Wenn es in einer Branche eine Krise gibt, können die Oytener das an anderer Stelle kompensieren. Das ermöglicht uns diese hohen Gewerbesteuereinkünfte”, freut sich die 54-Jährige. Dank der guten Einnahmen könne man den Vereinen Geld geben, man leiste sich eine Bücherei, ein Jugendzentrum und mehr Schulsozialarbeiter als anderswo. 

Das wünscht sich die Bürgermeisterin von der neuen Bundesregierung

Aber natürlich leide auch Oyten unter der Unterfinanzierung der Kommunen durch das Land – etwa bei der Kinderbetreuung oder der Ganztagsschule. „Das ist auf Dauer schwierig”, so die Chefin der Gemeindeverwaltung. Denn vor den Kommunen liegen bei der Sanierung der Infrastruktur, bei Straßen, Brücken und Schulen erhebliche Aufgaben. „Ich wünsche mir deswegen auch, dass sich unsere neue Bundesregierung mit neuen Rechtsansprüchen und Pflichtaufgaben zurückhält“, so die Chefin von rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rathaus. „Alle Verantwortlichen wissen vom wachsenden Arbeitskräftemangel, von der Überforderung der Kommunen mit der Digitalisierung, von der steigenden Fluktuation und den klammen Kassen.“ Wer mit diesem Wissen immer noch mehr Aufgaben nach unten durchgibt, handele verantwortungslos.

Meine Leitlinie ist, dass wir Dienstleister für die Menschen hier sind.“

Sandra Röse, Bürgermeisterin von Oyten

Erste Ansprechpartner für die Menschen vor Ort

„Meine Leitlinie ist, dass wir Dienstleister für die Menschen hier sind“, sagt Sandra Röse. „Und auch wenn wir nicht primär zuständig sind, sind wir es in erster Linie doch bitte immer.“ Was konkret bedeutet: Wenn die Kommune ein Problem nicht selbst lösen kann, vermittele sie die Menschen weiter und helfe, dass das Problem der Menschen woanders gelöst wird. Und dann nennt sie eine Maxime, die sowohl die Arbeit des Oytener Rathauses als auch der Bürgermeisterin in wenigen Worten zusammenfasst: „Wir sind erreichbar, wir sind freundlich und wir müssen immer Leistung bringen.“