Bürgermeisterin Annegret Schwarz
Bürgermeisterin Annegret Schwarz hat ihr Amt mit einem riesigen Vertrauensvorschuss angetreten.
© Benjamin Lassiwe

Kommunalpolitik

Die 100-Prozent-Bürgermeisterin

8200 Einwohner – 100 Prozent Zustimmungsquote – das war das Wahlergebnis für Annegret Schwarz, als sie sich zur Bürgermeisterin wählen ließ. Ein Gespräch darüber, wie es gelingen kann, wirklich alle Bürger einer Gemeinde „mitzunehmen“. Unsere Bürgermeisterin des Monats!

Das Wahlergebnis von Annegret Schwarz ist auf den ersten Blick phänomenal: Sagenhafte 100 Prozent der kürzlich bei der Bürgermeisterwahl in Bismark in der Altmark im Norden Sachsen-Anhalts abgegebenen, gültigen Stimmen entfielen auf die Amtsinhaberin. Wie geht so etwas? „Ich habe das Herz der Bismarker ganz einfach erreicht“, sagt Schwarz. „Bismark gehört zur Altmark. Ich bin ja selber Altmärkerin und lebe in der benachbarten Gemeinde.“ Wobei „Nachbargemeinde“ in der Altmark eine andere Bedeutung hat als anderswo: Die Stadt Bismark, nach der sich einst auch die Familie des Reichskanzlers Otto von Bismarck benannte, hat eine Fläche von 290 Quadratkilometern. Die 8.160 Einwohner verteilen sich auf 39 Ortsteile. Und Schwarz ist regelmäßig in allen präsent. Wie viele Kilometer sie pro Jahr im Ort zurücklegt, weiß sie nicht. „Aber als Bürgermeisterin ist man natürlich 24/7 für seine Gemeinde präsent“, sagt Schwarz. Ihr Ziel sei es, am Wochenende „einen Tag oder zumindest einen halben Tag“ zu Hause zu sein.

Bürgermeisterin zu 100 Prozent - riesiger Vertrauensvorschuss

 Aber was ist nun ihr Erfolgsgeheimnis? „Ich bin ein sehr, sehr kommunikativer Mensch“, sagt Schwarz. „Ich rede gern mit den Menschen, und was mir noch wichtiger ist: Ich bin ehrlich.“ Die Bürgermeisterin versucht, Ideen aus der Bürgerschaft nicht gleich zu verwerfen, und Kritik nicht einfach wegzulächeln. Sie will die Menschen in der Gemeinde ernst nehmen und das auch vermitteln. Ein Beispiel: „Als ich im Jahr 2013 noch Hauptamtsleiterin war, musste ich vielen Eltern erklären, warum wir die Kita-Beiträge erhöhen“, sagt Schwarz. „Ich habe eine Kalkulation gemacht, richtig, wie es sich gehört, und da sind dann Beiträge fernab von Gut und Böse“ herausgekommen. Schwarz entschied sich, in jede der zwölf Kitas in der Einheitsgemeinde  zu gehen und mit den Eltern zu sprechen. In jeder Kita erklärte sie die Kalkulation. „Mir war wichtig, dass alle verstehen, dass das jetzt keine Bösartigkeit, sondern wirtschaftliche Notwendigkeit ist, dass wir die Beiträge erhöhen.“ So machte sie es auch mit dem Stadtrat. „Der hat dann eine politische Entscheidung getroffen, und nicht die maximale Erhöhung gewählt“, sagt Schwarz. „Aber insgesamt glaube ich, dass das der richtige Weg für eine Bürgermeisterin ist: Hingehen, mit den Menschen reden, die Dinge erklären.“ Drei Jahre nach der Episode mit den Kitagebühren wurde die Hauptamtsleiterin Schwarz zum ersten Mal zur Bürgermeisterin gewählt.

Bürgermeisterin Annegret Schwarz am Ortsschuld Bismark



 Ein anderes Beispiel sind die Baumaßnahmen. Auf der Trasse einer alten Kleinbahn, die einst Bismark mit dem an der Strecke von Stendal nach Uelzen gelegenen Bahnhof Hohenwulsch verband, ließ die Bürgermeisterin einen Radweg bauen. Asphaltiert und mit einer intelligenten Beleuchtung versehen, die immer genau dann angeht, wenn unter der vorherigen Laterne ein Fußgänger oder eine Radfahrerin erkannt wird. „Dafür mussten 16 Eigentümer Land abgeben“, sagt Schwarz. „Ich habe mit jedem Einzelnen von ihnen persönlich gesprochen.“ Das durchschlagende Argument: „Wollt Ihr die Ersten sein, die auf der unübersichtlichen Landstraße Kinder auf dem Weg zur Schule mit dem Trecker erwischen?“

Für Radwege-Projekt gekämpft

Ähnlich klar und deutlich lief die Kommunikation mit der Landesregierung in Magdeburg: „Ich habe einfach einen Brief geschrieben, dass wir den Radweg bauen wollen, dass wir Eigenkapital haben und Fördergelder brauchen“, sagt Schwarz. Nach kurzer Zeit kam eine positive Antwort - und dann kam die Überlegung, wie man den Radweg entlang der alten Bahntrasse in die nächstgrößere Ortschaft Kalbe an der Milde verlängern kann. Und das wird jetzt gemacht: Mit viel Rückhalt aus dem Stadtrat setzt Annegret Schwarz eines der größten Radwegeprojekte im Land um. Aber fährt Annegret Schwarz eigentlich auch selbst gern Fahrrad? „Ich besitze ein Fahrrad“, antwortet sie diplomatisch. „Aber wenn ich nicht mit dem Auto unterwegs bin, sitze ich am liebsten auf einem Pferd.“ Denn der Reitsport gehört zum wichtigsten Ausgleichssport der Bürgermeisterin.

Bürgermeisterin

Was es in Bismark dagegen gar nicht gibt, sind regelmäßige Sprechstunden der Bürgermeisterin. „Wozu auch?“, fragt Schwarz. Ihr ist es viel wichtiger, dass die Bürger nicht nur manchmal, sondern jederzeit in ihr Büro kommen können, wenn sie im Rathaus ist. „Und dann versuche ich ja auch, auf möglichst vielen Veranstaltungen in den Ortsteilen präsent zu sein - da kommt man immer miteinander ins Gespräch.“ Da kommt es schon einmal vor, dass sie direkt von einer Eheschließung im Rathaus zum Kürbisfest fährt. „Zwei Stunden war ich dann da, und das ist, glaube ich, das, was die Menschen wahrnehmen“, sagt Schwarz. „Die Bürgermeisterin kommt, sie ist ansprechbar, sie ist einfach da und redet mit uns.“ Und Annegret Schwarz versucht, die Menschen einzubeziehen: Als Bismark Gastgeber des altmärkischen Heimatfestes war, war es keine teure Werbeagentur, die das Plakat für die Veranstaltung entwickelte. Es waren die Schüler der örtlichen Sekundarschule. „Und dann hatten wir ein ganz tolles Plakat, auf dem die Schüler dargestellt haben, was ihnen Heimat und was ihnen Bismark bedeutet.“

Bürgermeisterin kümmert sich um heimische Wirtschaft

Wichtig ist der Bürgermeisterin auch, regelmäßig in den Geschäften der eigenen Gemeinde einzukaufen. Zum einen bekommt sie so mit, welche Probleme die Menschen dort gerade plagen. Zum anderen, und das ist ihr auch wichtig, fördert sie so den Mittelstand. Denn in Bismark gibt es noch eine ganze Reihe kleiner Läden. Eine Poststelle, eine Buchhandlung und ein Laden für Elektrogeräte gehören ebenso zum Ortsbild wie mehrere Supermärkte, das Ärztehaus und die Apotheke. „Wir leben hier in Bismark vom Mittelstand und der Landwirtschaft“, sagt Schwarz. „Aber wenn wir das beibehalten wollen, müssen wir natürlich auch etwas für den Mittelstand und die Landwirtschaft tun.“

Aber was würde Annegret Schwarz nun einer jungen Kommunalpolitikerin raten, die irgendwo in Deutschland für ein Bürgermeisteramt kandidiert? „Bürgermeisterin zu sein, geht nur, wenn man sein ganzes Herz und Verstand in diesen Job steckt“, sagt Schwarz. „Es ist ein 24/7-Job und man hat keine 40-Stunden-Woche.“ Vor allem aber, betont die Bürgermeisterin, sollte man sich immer an eines erinnern: „Am Anfang des Wortes Bürgermeister steht das Wort „Bürger“ - und genau darum geht es: Wer in diesem Amt ist, sollte sich mit ganzer Kraft, mit allem Herzblut dafür einsetzen, dass es seiner Gemeinde und ihren Bürgern gut geht - denn dafür wird man schließlich gewählt.“