Bürgerbegehen sollen in Schleswig-Holstein zurückgefahren und Bauvorhaben somit schneller umgesetzt werden können
Bürgerbegehen sollen in Schleswig-Holstein zurückgefahren und Bauvorhaben somit schneller umgesetzt werden können
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Kommunalrecht geändert

Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene werden schwerer

In Schleswig-Holstein ist eine lange Debatte über die Einmischungsmöglichkeiten der Bürger auf kommunalpolitische Entscheidungen entschieden. Nach fast zweijähriger Debatte hat das Land die direkte Demokratie vor Ort in ihre Schranken verwiesen. Damit sollen Planverfahren künftig deutlich beschleunigt werden. Auch für kleine Fraktionen im Gemeindeparlament und im Kreistag soll die Arbeit auf neue Beine gestellt werden.

Das Kommunalrecht in Schleswig-Holstein ist an zwei Stellen deutlich verändert worden. Größte Änderung ist der Umgang mit Bürgerbegehren im Land. Während in vielen Bundesländern in den vergangenen Jahren die sogenannte Direkte Demokratie an dieser Stelle ausgebaut wurde, hat die Schwarz-Grüne Koalition in Schleswig-Holstein sie nun erstmals wieder leicht eingeschränkt. Damit sollen vor allem Baugenehmigungen für Infrastrukturprojekte wie etwa Schulen, Krankenhäuser und Wohnungen oder auch Windräder beschleunigt werden und den Kommunen mehr Planungssicherheit gegeben werden. 

Konkret geht es um Bürgerbegehren gegen Bauleitplanungen. Sie sind künftig ausgeschlossen, wenn sie von einer Kommunalvertretung mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen wurden. Und erst nach zwei Jahren ist es möglich, ein Begehren erneut zu starten. Bürgerbegehren gegen einen Beschluss einer Kommunalvertretung müssen hingegen innerhalb von drei Monaten eingereicht werden. 

Ein Beispiel dazu: Ein Unternehmen will sich ansiedeln. Der Gemeinderat sagt Ja. Das Unternehmen steigt dann in die konkrete Planung und Umsetzung ein. Bislang kann die fortgeschrittene, teure Planung noch viele Monate später von den Bürgern gestoppt werden. Künftig muss spätestens drei Monate nach Beschluss der lokalen Politiker das Bürgerbegehren auf dem Weg sein, sonst hat der Investor Rechtssicherheit.

Was das Land zudem verhindern will, ist, dass ein Bürgerbegehren auf das nächste folgt – alle zum gleichen Thema; dass es beispielsweise im ersten Bürgerbegehren erst ein Ja zu einem Solarpark gibt, um es im nächsten Begehren schon wieder auszuhebeln. Um das zu verhindern, führt das Land eine „Sperrfrist für Wiederholungsbegehren“ ein. Das heißt, dass frühestens drei Jahre nach einem Entscheid der Bürger das nächste Begehren zum selben Thema gestartet werden darf.

Reaktionen auf die Änderungen bei Bürgerbegehren 

Mit dem Beschluss fährt Schleswig-Holstein als erstes Bundesland in Deutschland die Bürgerbeteiligung, deutlich zurück. Die Begründung der Koalitionäre: Bauplanungen sollen deutlich beschleunigt werden, Investoren sollen schneller Rechtssicherheit bekommen und Verfahrensverschleppungen sollen so verhindert werden. 

Ursprünglich sollte das Gesetz noch weiter gehen, die sogennante Generalklausel sollte gestrichen werden. Die hätte es erlaubt, Bürgerbegehren, die sich gegen die Grundinteressen des Landes richten, komplett zu verbieten. Das betrifft etwa Begehren gegen Infrastruktur-oder Klimaprojekte. Hier hatten aber nicht nur die Opposition sondern auch die Verbände heftigen Widerstand angekündigt, so dass der Wegfall nun gestrichen wurde. 

Beim Schleswig-Holsteinischen Gemeindetag ist man zufrieden mit der Neuregelung bei den Bürgerbegehren. In einer Stellungnahme hatte der Verband die Änderungen in den Bereichen Bürgerbegehren und Bürgerentscheid wie folgt begrüßt: "Das Instrument des Bürgerentscheids führt dazu, dass die repräsentative Verantwortung im Er- gebnis ersetzt wird. Dabei ist zu beachten, dass das Instrument der direkten Demokratie das grundsätzliche System der repräsentativen Demokratie auf kommunaler Ebene ergänzen, aber nicht ersetzen soll."

Im Weiteren verweist der Gemeindebund vor allem darauf, dass die Gemeindevertretung das zentrale Organ für Entscheidungen bleiben muss und nicht entwertet werden darf. Insbesondere mit Blick auf die anstehenden Kommunalwahlen im Frühjahr kommenden Jahres auch in Schleswig-Holstein. Wörtlich schreibt der Verband: "Es muss auch der Eindruck verhindert werden, dass sich Partikularinteressen gegenüber der Allgemeinwohlbindung repräsentativer Entscheidungen durchzusetzen vermögen. Insb. mit Blick auf die anstehende Kommunalwahl muss verhindert werden, dass die Bereitschaft sinkt, sich kommunalpolitisch in den kommunalen Vertretungen zu engagieren. Es gilt insoweit, auch das kommunalpolitische Ehrenamt zu stärken, was bspw. durch die jetzt vorgesehene Frist für kassa- torische Bürgerbegehren oder durch eine Planungssicherheit vermittelnde Regelung im Bereich der Bauleitplanung bei marginaler Anhebung der Quoren erreicht werden kann."

Die Opposition im Landtag hingegen sprach von einem Demokratieabbau statt des versprochenen Bürokratieabbaus."CDU und Grüne haben sich dazu entschieden, demokratische Errungenschaften aufgrund von gefühlten Wahrheiten und Empfindungen einzuschränken", so ein Vertreter. Ein anderer erklärte im Landtag wörtlich: "Alle Umfragen zeigen deutliche Mehrheiten für den Ausbau der direkten Demokratie. Und trotzdem möchte Schwarz-Grün hier als erstes Bundesland die Bürgerbeteiligung zurückbauen."

Hohe Mindestgröße der Fraktionen sorgt für Ärger 

Zweite wichtige Änderung im Kommunalrecht in Schleswig-Holstein ist die Erhöhung der Mindeströße für Fraktionen. Hier hat sich das Land an einer Regelung orientiert, die es ähnlich schon in Mecklenburg-Vorpommern gibt und die auch in Brandenburg vollzogen wurde. Dort allerdings als "Kann-Klausel". In einem Gemeinderat oder Kreistag mit mindestens 31 Mitgliedern können künftig Fraktionen nur noch aus mindestens drei Mitgliedern gebildet werden. Bisher waren es zwei. Damit will das Land die Zersplitterung von Gemeindevertretungen und Kreistagen verhindern. Das betrifft allerdings nur die Kommunen mit in der Regel mehr als 25.000 Einwohnern. Denn nur dort haben die Vertretungen 31 Mitglieder oder mehr. Kleinere Gemeinden sind somit nicht betroffen. 

Als Beispiel für eine Zersplitterung nannte die Landesregierung die Stadt Lübeck. Dort gibt es inzwischen zehn verschiedene Fraktionen.  „Gerade in Städten mit mehreren Kleinstfraktionen dauern – ausgelöst durch eine Vielzahl zu behandelnder Anträge und Wortbeiträge – Sitzungen oft bis in die späten Abendstunden.“ Das belaste die ehrenamtlichen Mandatsträger erheblich", so die Innenministerin des Landes. 

Kritiker werfen der Landesregierung vor, es mit der Neuregelung kleineren Parteien besonders schwer zu machen. Für 3 Vertreter in einer Stadt mit 31 Abgeordneten benötigt eine Partei im etwa ein Wahlergebnis von acht bis neun Prozent vor Ort. Parteien, die das nicht erreichen, haben keinen Fraktionsstatus, sind aber dennoch mit den gewählten eins oder zwei Abgeordneten vertreten. Sie sind dann jedoch nicht in den Ausschüssen vertreten. Kritiker meinen ,dadurch würden Diskussionen aus den Fachausschüssen allzu häufig in den Stadtrat verschoben und dort neu diskutiert, weil der Informationsstand der kleineren Parteien und Wählergruppen entsprechend schlechter sei.