Pro & Contra
Cannabis: Horrortripp für Kommunen?
In Deutschland ist der Konsum von Cannabis inzwischen für Erwachsene erlaubt. Jede erwachsene Person darf bis zu 25 Gramm Cannabis besitzen und mit sich führen. Erwachsene, die in Deutschland seit mindestens sechs Monaten einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, dürfen für den Eigenkonsum bis zu drei Cannabispflanzen gleichzeitig anbauen. Doch das entsprechende Gesetz verbietet den Cannabis-Konsum in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr und etwa auch in und um Schule und an und um Kinderspielplätzen. KOMMUNAL hat das Pro und Contra von zwei Bürgermeistern eingeholt.
PRO Cannabis-Legalisierung
"Der Staat soll nicht alles verbieten und reglementieren."
Heinz Pollak, Bürgermeister der Stadt Waldkirchen, rund 11.000 Einwohner, Bayern
"Ich war und bin schon lange der Meinung, dass eine Legalisierung von Cannabis richtig ist. Egal ob Portugal, Niederlande, 41 der 50 US-Bundesstaaten oder auch Kanada - viele Länder haben Cannabis schon seit Jahren beziehungsweise Jahrzehnten legalisiert - und dies ohne Probleme. Ich denke, dass jeder für sich selbst verantwortlich sein sollte und der Staat nicht alles verbieten und reglementieren sollte. Eine Freigabe von Cannabis kann zudem die Polizei, Justiz und auch Gefängnisse entlasten.
Ein sehr wichtiger Aspekt ist für mich der gesundheitliche Schutz. Da es bisher verboten war, wussten viele „bisher heimliche Konsumenten“ gar nicht, was sie eigentlich rauchten. Es wurde immer illegal irgendwo am Schwarzmarkt gekauft. Künftig soll die Qualität staatlich geprüft und damit das Risiko von gestrecktem Cannabis reduziert werden. Zudem können Steuereinnahmen durch den legalen Verkauf erzielt werden.
Seit 1. April darf jeder Erwachsene in Deutschland bis zu 25 Gramm Cannabis dabeihaben, ohne sich strafbar zu machen. Zuhause dürfen es 50 Gramm getrocknetes Cannabis pro Person sein. Die Entscheidung, den Konsum von Cannabis zu entkriminalisieren, war meiner Meinung nach überfällig. Aber eine Kritik habe ich am derzeitigen Gesetz: Die zahlreichen Einschränkungen und Ausnahmen. Als Bürgermeister stelle ich mir die Frage: Wie sollen diese Regeln kontrolliert werden? Cannabis darf laut dem in Kraft getretenen Bundesgesetz unter anderem nicht in unmittelbarer Nähe von Minderjährigen konsumiert werden und auch nicht 100 Meter im Umkreis von Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie Spielplätzen und in Sichtweite von öffentlich zugänglichen Sportstätten. In Bayern plant die Staatsregierung noch weitergehende Verbote. Sie will den Cannabis-Konsum auf Volksfesten und in Biergärten verbieten. Wieso kann man nicht - wie bei Alkohol oder Tabak - sagen: Cannabis ist legal und freigegeben – oder aber illegal und verboten. "
CONTRA Cannabis-Legalisierung
"Das Fass ist am Überlaufen."
Steffen Ball, Bürgermeister der Stadt Heusenstamm, 19.900 Einwohner, Hessen
"Cannabis bei uns zu legalisieren, halte ich grundsätzlich für falsch. Mediziner warnen vor der Schädigung junger Gehirne, es gibt zumindest rechtliche Herausforderungen mit bereits bestehenden Gesetzen und internationalen Abkommen. Neben den Lachgasballonnucklern sorgen nun Cannabis-Tüten rauchende Pot-Heads für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in den Innenstädten - und ob die Entlastung für das Justizsystem wirklich so groß ist wie vermutet, wird sich zeigen.
Dazu kommt: Wir Deutschen regeln gerne. Wir lieben Verordnungen und Gesetze. Regeln und Ordnung sind wichtig, denn sie sind Markenzeichen zivilisierter Gesellschaften. Mit der Einführung des Cannabisgesetzes (CanG) zum 1. April dieses Jahres wurden vom Gesetzgeber neue Rahmenbedingungen zum Umgang mit Cannabis geschaffen. Allerdings ohne die Folgen zu bedenken, die die Umsetzung und der Vollzug des Gesetzes vor Ort in den Kommunen mit sich bringt. Bis zum jetzigen Zeitpunkt fehlt eine klare Rechtsverordnung, die die Zuständigkeiten der einzelnen Behörden (Landes- und Stadtpolizei, Jugendämter, etc.) abschließend regelt. Hier trifft Theorie auf Praxis – mit allen Konsequenzen.
Das neue Gesetz sieht vor, dass der Cannabis-Konsum in unmittelbarer Nähe von Minderjährigen- Sichtweite 100 Meter - an öffentlichen Orten verboten ist. Ferner ist das Mitführen von mehr als 30 Gramm Stoff anzuzeigen, und der Handel und die Weitergabe an Kinder und Jugendliche ist nach wie vor ein Straftatbestand. Ich frage mich, wie und wer diese Vorgaben eigentlich kontrollieren soll. Woher kommt das Personal für die Stadt- und die Landespolizei? Wie priorisieren wir unsere täglichen Aufgaben? Müssen wir unsere Sicherheitsbeamtinnen und -beamten mit Zollstöcken und Briefwaagen ausstatten?
Dieses Land hat viele Probleme: Schlechte Wirtschaftslage, Herausforderungen mit der Integration von Geflüchteten, Bedrohung durch Kriege und ihre Folgen, Aufbau unseres Zivilschutzes. Das alles sind Aufgaben, die ebenfalls in den Kommunen und ihren Sicherheitsapparaten bearbeitet und gestemmt werden müssen. Dass wir uns in diesen Zeiten nun auch noch mit Gras auseinandersetzen müssen, ohne dass der Bund entsprechende Infrastruktur in den Ländern und Kommunen schafft, ist für mich schwer erträglich.
Erneut wird das Konnexitätsprinzip - wer bestellt, bezahlt - mit Füßen getreten. Wenn der Bund Cannabis legalisiert und es in einem bürokratischen Monstrum regelt, dann soll er bitte auch dafür Sorge tragen, dass auf lokale Ebene von der Manpower bis zur Finanzierung alles parat ist; nur so können Regeln auch adäquat umgesetzt werden. Wir Städte und Gemeinden dürfen nicht weiter allein gelassen werden. Das Fass ist am Überlaufen."