Rückgang der Windenergie
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Energiewende vor Ort

Einbruch des Windenergieausbaus – was können Kommunen tun?

2. April 2020
Erneuerbare Energien sollen massiv ausgebaut werden, doch gleichzeitig hat Windenergie in den letzten Jahren in Deutschland einen heftigen Einbruch erlebt. Jürgen Quentin und Frank Sondershaus von der Fachagentur Windenergie an Land erklären im KOMMUNAL-Gastbeitrag, woran das liegt und wie Kommunen positiv auf die Entwicklung einwirken können.

Es ist geradezu paradox: In Zeiten des auch in Deutschland spürbar fortschreitenden Klimawandels bricht der Aufbau einer der tragenden Säulen für CO2-freien Strom – die Nutzung der Windenergie –ein. Nach der Nuklearkatastrophe 2011 in Fukushima, infolge derer die Bundesregierung eine Kehrtwende in der Energiepolitik vollzog und die neuerliche Energiewende proklamierte, wurden im Schnitt 4.000 Megawatt (MW) Windenergieleistung pro Jahr errichtet. Auf diesem Ausbaupfad ließe sich das von der Regierung gesetzte Ziel, 65 Prozent des Strombedarfs bis 2030 aus erneuerbaren Energien zu decken, erreichen. Doch 2018 flaute der Zubau stark ab: Nur noch 2.400 MW gingen ans Netz. In diesem Jahr hat sich die Flaute nochmals drastisch verschärft: Bis Ende September wurden lediglich 514 MW neu installiert. Im Vergleich zu den letzten fünf Jahren ein Rückgang um 80 Prozent. 

Jürgen Quentin über Windenergie
Jürgen Quentin ist seit 2014 Referent für Energiewirtschaft bei der  Fachagentur Windenergie an Land 

Dabei ist die Unterstützung der Bevölkerung für den Ausbau der Windenergie ungebrochen hoch: Eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) ergab kürzlich, dass 82 Prozent der Bundesbürger den Windenergieausbau als „wichtig“ oder „sehr wichtig“ erachten. Innerhalb der „schweigenden Mehrheit“ erreicht die Zustimmungsrate sogar 86 Prozent. 

Gründe für den Rückgang der Windenergie

Was sind also die Gründe für den Einbruch? Da ist eine hohe Zahl an Gerichtsklagen gegen Windräder. Die FA Wind hat ermittelt, dass bundesweit über 300 Anlagen beklagt werden, wodurch der Bau mindestens verzögert, wenn nicht gar verhindert wird. Könnten sich diese Anlagen drehen, deckten sie rechnerisch den Strombedarf der Einwohner der Stadt Hamburg. Eine kleine, aber wehrhafte Gruppe kämpft mit politischer wie juristischer Vehemenz gegen Windräder. Obwohl viele Windkraftgegner Neuanlagen in ihrer Wohnumgebung aus anderweitigen Gründen verhindern wollen, fokussieren die Klagen oftmals Belange des Artenschutzes. 

Bruttozubau Windenergie

Es gibt zahlreiche weitere Hemmnisse, die dem Bau von Windrädern im Wege stehen. Das sind etwa Flugsicherungsaspekte, die viele hundert Windparkprojekte blockieren. Aber auch zwischen Denkmalschutz und Windenergie wächst die Zahl der Hürden. Ein Hemmschuh ist zudem die zu geringe Flächenbereitstellung. Gerade hier kommt der Politik auf allen Entscheidungsebenen eine Schlüsselfunktion zu. Die politische Diskussion um die Windenergie ist aktuell wesentlich von Widerständen vor Ort geprägt. Positive Aspekte treten dabei in den Hintergrund. Gerade in diesem Zusammenhang spielen Kommunen eine entscheidende Rolle. Sie können Widerständen frühzeitig begegnen und dem Protest eine positive Dynamik entgegensetzen.  

Großer Spielraum für Kommunen

Ohne Weiteres ist dies möglich, wenn die Kommune selbst über geeignete Flächen verfügt. Sie kann dann direkten Einfluss auf die Ausgestaltung des Projekts nehmen und über Pachteinnahmen unmittelbar profitieren. Auch wenn eine Kommune keine eigenen Flächen besitzt, kommt ihr an der Schnittstelle zwischen den Interessen von Öffentlichkeit, Naturschutz, Wirtschaft, Politik und Verwaltung eine zentrale Rolle zu. 

Frank Sondershaus über Windenergie
Frank Sondershaus Referent für Akzeptanz und Beteiligung bei der Fachagentur Windenergie an Land 

Die für Akzeptanz und Unterstützung vor Ort entscheidenden Faktoren sind Vertrauen und Gerechtigkeit. Durch Gerüchte oder Falschinformationen macht sich in frühen Planungsphasen Verunsicherung breit, die schnell in lauten Protest umschlagen kann. Einer solchen Entwicklung kann jedoch gut vorbeugt werden, beispielsweise in Verfahren frühzeitiger Öffentlichkeitsbeteiligung. Grundstein dafür sind frühzeitige Informationen, gute Kommunikation und eine konstruktive Auseinandersetzung mit den Windenergieanlagen. Kommunen, die sich gegen genehmigungsfähige Windenergieprojekte stellen, ohne diese effektiv verhindern zu können, verschärfen vorhandene Konflikte unnötig und verpassen es gleichzeitig selbst konstruktiv Einfluss auf die Projektentwicklung zu nehmen. Von der Wertschöpfung profitieren dann nur wenige. 

Kommunikation als Schlüssel

Neben Transparenz ist in frühen Planungsphasen insbesondere die Kommunikation mit den Eigentümern der potenziellen Standorte von grundlegender Bedeutung. Letztlich entscheiden die Flächeneigentümer, welches Unternehmen ein Projekt vor Ort tatsächlich umsetzt. Die Landeigentümer werden daher häufig von mehreren Unternehmen umworben und sind mit den Verträgen und ihrer Entscheidung schnell überfordert.  

Hier können Kommunen eingreifen und frühzeitig Kontakt zu Eigentümern aufnehmen. Ziel sollte sein, diese an einen Tisch zu bekommen, voreilige Unterschriften zu verhindern und einen sogenannten Flächenpool zu initiieren. Eine solche Eigentümergemeinschaft kann gemeinsam verhandeln, profitieren und Auswahlkriterien formulieren, beispielsweise. umfassende Beteiligungsoptionen für Bürger und Kommunen. Zudem kann verhindert werden, dass mehrere Projektierer in einem Eignungsgebiet verschiedene Anlagentypen unterschiedlicher Größe realisieren. In passiven Kommunen sind Projekte aus einem Guss häufig nicht möglich.  

Widerstände können zwar nicht vollends vermieden, aber aufgefangen und abgemindert werden. Gemeinsam gestaltete Projekte werden nicht nur besser akzeptiert, sondern vor Ort auch aktiv unterstützt. Und genau auf diese Unterstützung kommt es an, wenn die Energiewende vor Ort erfolgreich umgesetzt werden soll.