Flüchtlinge kommen an in Deutschland
Im Winter werden noch mehr Geflüchtete nach Deutschland kommen.
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Positionspapier

Flüchtlingsgipfel - das fordern die Kommunen

Viele Kommunen sind bei der Unterbringung von Geflüchteten bereits jetzt an der Belastungsgrenze angekommen. Die Kommunen stehen daher teilweise bereits jetzt vor der Frage, ob sie Turnhallen belegen, Gewerbe/Messehallen anmieten oder Traglufthallen bauen, allerdings mit dem Unterschied zu 2015, dass kein Personal vorhanden ist, um die Unterkünfte zu errichten und zu betreiben. Der Bund und die Länder dürfen die Kommunen nicht im Stich lassen, fordert Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund in einem Positionspapier.

Die Flüchtlingsaufnahme stellt die Kommunen aktuell bei Aufnahme, Unterbringung und Integration vor besondere Herausforderungen. Zurzeit sind rund 1 Million ukrainische Flüchtlinge registriert. Nach der Aufhebung vieler Corona bedingter Reisebeschränkungen steigt auch die Zahl der Asylbewerber aus anderen Ländern deutlich an. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres wurden 113.171 Asylanträge in Deutschland gestellt. Das sind rund 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Deutschland ist weiter innerhalb der EU das Hauptzielland von irregulärer Sekundär-Migration aus Griechenland, aber auch aus Italien und Spanien. Hier kommen vor allem anerkannte, aber noch nicht integrierte Geflüchtete nach Deutschland.

Darüber hinaus ist ein verstärkter Zustrom aus der und über die Türkei zu beobachten, zudem ein signifikanter Aufwuchs von Migranten aus Ländern aus dem Balkan, die nicht zuletzt aufgrund der neuen Visumsfreiheit in Serbien den Weg nach Deutschland suchen. Dies stellt die Behörden vor Ort vor besondere Probleme, da hier die Integration organisiert werden muss, ohne vorher eine gewisse Planbarkeit aus dem Asylverfahren gehabt zu haben. Derzeit haben 9 der 16 Bundesländer eine Sperre im Erstverteilungsverfahren aktiviert. Noch nicht abzusehen ist, wie viele Menschen aus Russland fliehen werden, die sich der Einziehung zum Militärdienst entziehen wollen.

Mehrzahl der kommunalen Unterkünfte belegt

Die Folgen zeigen sich in den Städten und Gemeinden mittlerweile sehr deutlich. Trotz professionell entwickelter Unterbringungsstrukturen sind die Mehrzahl der staatlichen und kommunalen Unterkünfte mit Asylbewerbern, Flüchtlingen, Migranten aus dem Resettlement-Programm und afghanischen Ortskräften belegt. Hinzu kommen die aus der Ukraine geflohenen Menschen, die zunächst mit überwältigender Hilfsbereitschaft in Privatunterkünften aufgenommen wurden. Je länger der Krieg in der Ukraine andauert, desto mehr sinkt bei Privatpersonen die Bereitschaft, Ukrainerinnen und Ukrainer dauerhaft bei sich aufzunehmen. Die Kommunen sehen sich daher schon seit einiger Zeit gefordert, auch für diese Menschen in den Kommunen eine Unterkunftsmöglichkeit zu schaffen. Viele dieser Menschen drängen in bereits voll belegte Unterkünfte und auf einen angespannten Wohnungsmarkt in Städten und Gemeinden.

Schul- und Kitaplätze reichen nicht aus

Die Kommunen stehen daher teilweise bereits jetzt vor der Frage, ob sie Turnhallen belegen, Gewerbe/Messehallen anmieten oder Traglufthallen bauen, allerdings mit dem Unterschied zu 2015, dass kein Personal vorhanden ist, um die Unterkünfte zu errichten und zu betreiben. Hinzu kommt, dass seitens des Bundes beziehungsweie der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben nur sehr zögerlich leerstehende bundeseigene Liegenschaften zur Verfügung gestellt werden. Auch schulische Angebote und Kita-Plätze werden nicht ausreichen. Aktuell besuchen über 185.000 ukrainische Schülerinnen und Schüler die allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, Tendenz steigend. Rund 20  Prozent der Flüchtlinge aus der Ukraine sind Kinder im Kindergartenalter. Ein besonderes Problem stellt weiter die Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge dar. Die Zahlen steigen nach Mitteilung der obersten Landesjugendämter an und stellen die zuständigen Jugendämter oder sonstigen Stellen nicht nur vor Unterbringungsprobleme. Es fehlt insbesondere das Personal zur Betreuung der Minderjährigen.

Kommunen an der Belastungsgrenze

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert ein gemeinsames Vorgehen von Bund, Ländern und Kommunen. Wir brauchen eine rasche Verständigung über Lösungen für die sich abzeichnenden Herausforderungen in den Kommunen. Unterbringungsmöglichkeiten schaffen Viele Kommunen sind bei der Unterbringung von Geflüchteten bereits jetzt an der Belastungsgrenze angekommen. Es werden schon viele unterschiedliche Belegungsmöglichkeiten, zum Beispiel Jugendherbergen und Hotels genutzt. Zahlreiche Kommunen bereiten sich nun darauf vor, dass Turn- und Messehallen genutzt werden müssen und prüfen die Beschaffung von Containern und Traglufthallen. Die Bundesländer, aber auch der der Bund, müssen die in Ihrer Verantwortung liegenden Erstaufnahmeeinrichtungen schaffen und ausbauen. Der Bund muss prüfen, welche Liegenschaften wie leerstehende Kasernen, schnell und unbürokratisch zur Verfügung gestellt werden können. Ein Verweis auf Zuständigkeiten ist in der aktuellen Situation fehl am Platz. Alle staatlichen Ebenen müssen hier an einem Strang ziehen. Zur Errichtung notwendiger Unterkünfte sind auch Ausnahmen im Baurecht unumgänglich.

Flüchtlinge besser verteilen

Weitere Forderungen: Wir brauchen eine gesicherte und gerechte Verteilung der Flüchtlinge, auch der aus der Ukraine, zwischen den Bundesländern, aber auch innerhalb der Bundesländer zwischen den Kommunen. Bei der Zuweisung von Asylbewerbern muss auch die Zahl der aufgenommen Ukraineflüchtlinge berücksichtigt werden.

Rückführung vorantreiben

Für abgelehnte Asylbewerber muss, wie im Koalitionsvertrag angelegt, eine Rückführungsoffensive vorangebracht werden. Asyl- und Einwanderungsrecht dürfen nicht vermischt werden.  Für die Kitabetreuung werden weiter unter anderem bundesfinanzierte Brückenangebote gebraucht. Vor diesem Hintergrund ist die Einstellung des bundesfinanzierten Programms der Sprachkitas vollkommen inakzeptabel.

Die Kommunen brauchen bei der Aufnahme von Flüchtlingen eine „Atempause“. Vor diesem Hintergrund ist die Aufnahme weiterer Flüchtlinge im Rahmen des freiwilligen europäischen Solidaritätsmechanismus kritisch zu hinterfragen. Eine ungesteuerte Sekundarmigration von Flüchtlingen aus der Ukraine, die bereits in anderen Ländern der EU Schutz erhalten haben, sollte unterbunden werden.

Die Bundesregierung muss sich hier für eine zielgenauere Verteilung einsetzen. Zudem muss dem Anstieg der illegalen Sekundärmigration innerhalb der EU sowie der illegalen Grenzübertritte in die EU begegnet werden. In der EU sollte dies auf der Basis des unter der deutschen Ratspräsidentschaft vorangetriebenen EU-Asyl- und Migrationspakts der EU-Kommission geschehen. Dies betrifft vor allem die erhoffte Grundsatzeinigung der EU-Staaten auf ein neues Dublin-Verfahren mit individuellen Beiträgen für die Aufnahme und Verteilung von Geflüchteten in der EU. Die Blockadehaltung, die mittlerweile von einer Vielzahl von EU-Staaten ausgeht, muss zwingend aufgegeben werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass nicht einige wenige Staaten die Hauptlast tragen.

Kommungen finanziell entlasten

Gleichzeitig brauchen wir eine deutlich bessere Finanzausstattung, gerade der Kommunen, die die Hauptlast der Unterbringung, Versorgung und Integration tragen. Diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe muss von Bund und Länder auskömmlich und nachhaltig finanziert werden. Der Bund muss auch weiterhin die Unterkunftskosten anerkannter Flüchtlinge zu 100 Prozent übernehmen. Die Sprach- und Integrationskurse müssen ausgebaut werden. Gerade wegen des enormen Fachkräftemangels kann das Potenzial, insbesondere der Flüchtlinge aus der Ukraine, noch besser genutzt werden. Wir müssen schließlich darüber sprechen, dass der Bund die Kommunen von den finanziellen Folgelasten der Aufnahme von ukrainischen Kriegsflüchtlingen und Asylbewerbern entlastet. Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben in ihrer Vereinbarung im April eine Überprüfung des Gesamtvolumens für November vorgesehen. Weitere Mittel wurden in diesem Zusammenhang in Aussicht gestellt, sofern ein Bedarf bestehe. Dieser Bedarf besteht.