Hass und Gewalt sind ein großes Problem für die kommunale Selbstverwaltung.
Hass und Gewalt sind ein großes Problem für die kommunale Selbstverwaltung.
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Studie

Gewalt gegen Bürgermeister in Hessen

Neben KOMMUNAL hat auch die Universität Gießen vor kurzem eine Studie zum Thema Hass und Gewalt erstellt. Beteiligt haben sich über 200 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus Hessen. Die wichtigsten Ergebnisse und vor allem die Folgen für die Betroffenen fasst Studienautorin Britta Bannenberg im KOMMUNAL-Gastbeitrag zusammen.

Eine im August 2020 durchgeführte Online-Befragung von hessischen Bürgermeistern ergab eine starke Betroffenheit von Beleidigungen und Bedrohungen sowie seltener auch von physischen Gewalterfahrungen. Im August 2020 führte die Professur für Kriminologie der Justus-Liebig-Universität Gießen mithilfe eines Online-Fragebogens eine Vollbefragung der insgesamt 422 hessischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zur Frage der Betroffenheit von Gewalt und Aggressionen durch. Gefragt wurde nach Erfahrungen während der Amtszeit. Konkret ging es um Beleidigungen, Bedrohungen, Todesdrohungen, körperliche Angriffe mit und ohne Waffen, Beschädigung und Zerstörung von Eigentum, sonstige Anfeindungen und Einschüchterungen, wobei diese negativen Handlungen gegen die eigene oder auch nahestehende Personen gerichtet sein konnten. Weiter interessierten Angaben zu dem oder den Tätern. Der gravierendste Vorfall und seine Folgen konnten in eigenen Worten geschildert werden. Der Rücklauf lag bei über 50 Prozent und ist damit als sehr hoch zu werten.

Berichtet wurde eine Bandbreite von Gewalt- und Aggressionserlebnissen. Gefragt wurde, ob die Befragten einen Vorfall nie, einmal oder mehrfach erlebt haben. Körperliche Angriffe sowie gewalttätige Angriffe mit körperlichen oder psychischen Folgen erlebten zusammen genommen 8 Prozent, wobei dies nur in 1 Prozent der Fälle mehrfach geschah. Auch Angriffe auf nahestehende Personen stellen sich als relativ selten dar. Anders sieht dies aber schon bei Beschädigungen und Zerstörungen von privatem Eigentum aus. Dies erlebten 13 Prozent der Befragten einmal und 7 Prozent mehrfach. Todesdrohungen erlebten 8 Prozent per Brief, 2 Prozent im direkten Kontakt und 1 Prozent über Internet/soziale Netzwerke, bis zu 3 Prozent der Betroffenen erlebte dies mehrfach. Andere Bedrohungen waren recht häufig, die meisten per Brief, in direktem Kontakt und über das Internet. In allen Varianten waren Personen auch mehrfach betroffen.

Neben Gewalt auch Beschimpfungen

Beleidigungen kommen am häufigsten vor und werden sehr oft mehrfach erlebt. Nur etwa jeder fünfte Befragte wurde noch nie beleidigt. Die Personen, die beleidigt wurden, mussten dies häufig mehrfach erfahren: Jeder Fünfte erfuhr Beleidigungen im direkten Kontakt, jeder Siebte per Brief und jeder Zwölfte über das Internet. Grundsätzlich wiederholt sich das Bild hinsichtlich der Beleidigungen auch im privaten Umfeld. Hier sind mehrfach erlebte Beleidigungen häufiger als einmalige Beleidigungen. Hinzu kommen in geringerem Ausmaß auch Bedrohungen des sozialen Umfelds, wobei auch dies teilweise mehrfach geschieht.

Einige Personen lehnten eine Teilnahme an der Online-Befragung ab, weil sie wenig Nutzen darin sahen, gaben aber per Mail teilweise umfassend Auskunft über gravierende Erfahrungen. Die Vorfälle zogen sich über längere Zeit hin und beschäftigten auch die Gerichte, was im Ergebnis gerade ein Grund für Resignation bzw. Frustration war.

"Können Mitarbeiter nicht mehr schützen"

Die Folgen der Gewalt und Aggressionen sind tiefgreifend. Sie beeinträchtigen die Lebensqualität, das Gefühl der Sicherheit, steigern Vorsicht, Misstrauen und Sorgen um die Familienangehörigen, beeinträchtigen aber auch die Amtsführung, da man sich der Gefährlichkeit eines falschen Wortes bewusst sei. Man kümmere sich sehr um Eigensicherung und Schutzmaßnahmen und trage auch gesundheitliche Folgen wie Schlafstörungen, einen hohen Blutdruck und andere Stresssymptome davon. Die Familie versuche man zu schützen und „herauszuhalten“. Auch sei man zuweilen ärgerlich und wütend, wobei die Toleranzschwelle sinke. Letztlich seien enorme Ressourcen gebunden und Mehrarbeit unvermeidlich: Man müsse mehr Pressearbeit leisten, habe erhöhte Anwaltskosten, müsse auf Kommentare in den sozialen Medien reagieren, um Verleumdungen zu unterbinden. Man binde höhere Ebenen ein und könne Mitarbeiter nicht immer schützen.

Viele heben den Verlust des Sicherheitsgefühls deutlich hervor: „Das Gefühl der Sicherheit ist verloren gegangen.“ „Man kontrolliert mehr als normal Türen und Fenster, vor allem nach Einbruch der Dunkelheit“, „man macht sich ständig Sorgen um die Kinder“, „man beobachtet die Umwelt viel intensiver“, man glaube nach Drohungen vielleicht nicht an einen tatsächlichen Angriff, aber eine Restunsicherheit sei immer da: „die Restangst, dass man doch angegriffen wird“.

Het Cover KOMMUNAL 06/2021
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Manche kaufen an ihrem Wohnort nicht mehr ein, meiden Freizeitaktivitäten und sind in privaten Kontakten zurückhaltender geworden. Auch sind deutlich resignierende Haltungen geäußert worden. 27 Prozent würden sich aufgrund der Erfahrungen nicht mehr zur Wahl stellen. Als gravierend wurden neben heftigen körperlichen Attacken vor allem länger andauernde Bedrohungsszenarien empfunden, bei denen anonyme Angreifer sowohl das dienstliche wie private Umfeld terrorisierten.

Wenn der Täter bekannt war, fiel auf, dass es sich ganz überwiegend um Männer über 50 Jahre handelte und nicht selten eine psychische Problematik vermutet wurde. Auch der politische Gegner falle negativ auf.