Reform
Grundsteuer: Länder wollen Kommunen beschneiden
Aktualisiert am 26. Juli 2023
Millionen von Deutschen haben Einspruch gegen die Grundsteuerbescheide ihres Finanzamt erhoben. Eine Klagewelle wird erwartet. Interessensverbände warnen massiv vor, dass sich die Grundsteuer durch die Refom ab 1. Januar 2025 drastisch erhöhen könnte. Viele Haus- oder Wohnungsbesitzer müssten mit explodierenden Kosten rechnen. Kommunen, so wird unterstellt, werden wohl keine Rücksicht nehmen. Denn durch die vom Bundesverfassungsgericht verordneten Neuberechnungen ergeben sich vielfach höhere Immobilienwerte. Sie werden künftig in der Grundsteuerformel eingegeben und mit dem Hebesatz und der sogenannten Messzahl multipliziert.
Grundsteuer: Keine generelle Mehrbelastung
Der Bund hat versprochen, dass die Grundsteuerreform nicht zu einer generellen Mehrbelastung für die Bürger mit Immobilienbesitz führt. Sie soll insgesamt aufkommensneutral gestaltet werden. Dennoch weist die Bundesregierung darauf hin, dass die Städte und Gemeinden letztlich über die Hebesätze die Höhe des Grundsteueraufkommens selbst bestimmen. Angesichts knapper Kassen kommen viele Gemeinden und Städte nicht umhin, die Hebesätze zu erhöhen. Nur wenige Kommunen verzichten komplett auf die Grundsteuer.
Länder wollen Grundsteuererhöhungen verhindern
Um den jeweiligen Kommunen nicht alle Freiheit zu lassen, planen mehrere Länder nun offenbar Sicherungsmaßnahmen. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, wollen mindestens fünf Bundesländer sicherstellen, dass die Kommunen den Hebesatz in der Grundsteuerformel so absenken, dass die gestiegenen Immobilienwerte nicht zu höheren Steuern führen. Der für die Grundsteuer maßgebliche Wert des Grund und Bodens wird aus der Flächengröße der Immobilie und dem Bodenrichtwert ermittelt.
Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein sowie Brandenburg wollen danach sicherstellen, dass die Bürger erfahren, welcher Hebesatz in ihrer Gemeinde oder Stadt aufkommensneutral ausfallen würde. Nordrhein-Westfalen will den Städten einen angemessenen Hebesatz nennen, Schleswig-Holstein plane ein eigenes Transparenzregister. Das Land Niedersachsen will die Gemeinden dazu verpflichten, den jeweils aufkommensneutralen Hebesatz zu veröffentlichen.
Auf Anfrage von KOMMUNAL sagte der Sprecher des brandenburgischen Finanzministeriums, Ingo Decker: "Auch das Land Brandenburg plant ein Transparenzregister." Auf diese Weise würden die Gemeinden bei der Ermittlung aufkommensneutraler Hebesätze unterstützt. "Sobald eine ausreichende Datenlage besteht, können die Städte und Gemeinden für die Bemessung der neuen Hebesätze auf ein öffentliches digitales Verzeichnis zur Grundsteuerreform zurückgreifen."
Höheres Steueraufkommen - Missbrauch der Rechtslage
Das Verzeichnis soll die aufkommensneutralen Hebesätze der jeweiligen Kommune aufzeigen. Decker betonte: "Die Aufkommensneutralität entspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers. Ein höheres Steueraufkommen infolge der Grundsteuerreform wäre somit ein Verstoß gegen Geist und Inhalt des Grundsteuerreformgesetzes." Er fügte hinzu: "Das muss man ganz klar so sagen: Es wäre ein Missbrauch der neuen Rechtslage und zugleich ein politisches Spiel mit dem Feuer." Dennoch will er die Einrichtung eines Transparenzregisters nicht als Misstrauen gegenüber den Kommunen verstanden sehen. "Es ist eine Hilfestellung und Orientierungsmöglichkeit, die von den Kommunen durchaus auch begrüßt wird."
Grundsteuer: So reagieren die kommunalen Spitzenverbände
Die kommunale Spitzenverbände weisen zurück, dass sie aus der Grundsteuerreform Vorteile ziehen wollen. Dennoch sei die Grundsteuer eine der wichtigsten Einnahmequelle der Kommunen. Die Städte und Gemeinden finanzieren damit Kindergärten und etwa kulturelle Angebote. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte zu KOMMUNAL auf Anfrage: "Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen. Dazu gehört auch die eigene Entscheidung der Stadt oder Gemeinde über die Höhe des Hebesatzes. Daran sollten die Länder nicht rütteln."
Der Vertreter der Kommunen betonte. "Die Kommunen vor Ort wissen sehr genau, dass die Menschen schon jetzt erheblich belatet sind und werden vorsichtig agieren." Es sei Aufgabe der Länder, "endlich dafür zu sorgen, dass die Kommunen finanziell ausreichend ausgestattet werden". Nur so könnten sie ihre stetig zunehmenden Aufgaben erfüllen. Landsberg kritisierte: "Leider ist bisher weder die Altschulden-Frage gelöst, noch ist eine ausreichende Finanzierung der Unterbringung und Versorgung und Integration der Flüchtlinge auf den Weg gebracht. Darauf sollten sich die Länder und der Bund endlich konzentrieren." Ähnlich argumentierte auch der Deutsche Städtetag.
Grundsteuerreform verfassungswidrig?
Die Grundsteuerreform ist umstritten. Einem Rechtsgutachten des Bundes der Steuerzahler und des Eigentümerverbands Haus und Grund ist das neue Grundsteuergesetz des Bundes verfassungswidrig. Es betrifft jene Länder, in denen das Bundesmodell zur Berechnung herangezogen wird. Es gilt in elf Bundesländern mit Ausnahme von Bayern, Hamburg, Hessen, Baden-Württemberg und Niedersachsen. Zum 1. Januar 2025 soll die neue Grundsteuer in ganz Deutschland Kraft treten. Damit verliert der Einheitswert als Berechnungsgrundlage seine Gültigkeit.