Kommunalpolitikerinnen im Fokus
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Kommunalpolitikerinnen im Fokus - „NA KLAR KANN ICH POLITIK!“

12. September 2019
Nach wie vor sind Frauen in der Politik – und besonders der Kommunalpolitik – unterrepräsentiert. Verschiedene Kommunalpolitikerinnen erzählen von ihren Erfahrungen – Motivationen, Hürden und Erfolgsrezepte. Text: Annette Lübbers

Kommunalpolitikerinnen im Fokus - Christina Rählmann

Kommunalpolitikerinnen im Fokus: Christina Rählmann

Schon als sie 24 Jahre alt war, wählten die Bürger von Mettingen im Tecklenburger Land die Betriebswirtschaftlerin in den Gemeinderat. Fünf Jahre war Christina Rählmann stellvertretende Bürgermeisterin der 12.000-Einwohner-Gemeinde, bevor sie 2014 selbst auf den Chefsessel gewählt wurde. Seitdem geht die 39-Jährige jeden Morgen an einer langen Porträtreihe ihrer – ausschließlich männlichen – Vorgänger entlang. Ein bisschen stolz und sehr entspannt, wie sie betont. „Ich bin da einfach vorgeprägt. Noch heute sitzt mein Vater im Gemeinderat und er hat mich schon als Kind mit zu Wahlveranstaltungen genommen. Meine beiden Jungs – 12 und acht Jahre – begleiten mich inzwischen auch – sogar ganz freiwillig.“ Christina Rählmann liebt vieles an ihrer Aufgabe.

„Ich darf, gemeinsam mit den Bürgern, für meine Heimatgemeinde etwas leisten. Die Abwechslung ist groß und oft auch überraschend. Genau das mag ich.“

Christina Rählmann

Weniger spannend findet sie unnötig lange Sitzungen und sich hinziehende Diskussionen. „Am schlimmsten ist es, wenn ich das Gefühl habe, dass wir in den Debatten gerade eine Rolle rückwärts machen. Das kommt aber nicht sehr oft vor, weil ich lieber frühzeitig und mit einem lösungsorientierten Ansatz auf Gesprächspartner zugehe“, sagt sie. Ohnehin sieht sie ihre Kontaktfreudigkeit und ihre Offenheit im Umgang mit Menschen als ihr großes Plus. Eine scharfe Trennlinie zwischen Job und Privatem zieht sie nicht, kann sie in der kleinen Gemeinde wohl auch nicht ziehen. Auf vielen Festen ist man halt beides: Bürgerin und Bürgermeisterin. Nur der Familienurlaub, der ist ihr heilig. Am Pool mal eben E-Mails durcharbeiten – das macht sie gerne. Aber ihre Mitarbeitenden schätzen die Situation gut ein – angerufen wird die Chefin in den Ferien nur in Notfällen. Entspannung findet die Bürgermeisterin aber auch im Alltag: lesen, im Garten arbeiten, mit dem Hund in die Natur. Von Frauenquoten hält sie nichts, wünscht sich aber mehr Frauen, die ihren historisch gewachsenen, einschränkenden Blickwinkel auf sich selbst aufgeben und selbstbewusst sagen: „Na klar kann ich Politik.“

Kommunalpolitikerinnen im Fokus - Dorothea Wiepcke

Kommunalpolitikerinnen im Fokus: Dorothea Wiepcke

Die Zukunft der Mobilität und moderne Stadtentwicklung, das sind Themen, die Dorothea Wiepcke unter den Nägeln brennen. Sie kam vor 18 Jahren zum Jura-Studium nach München und ist nun ehrenamtliche Stadträtin der Landeshauptstadt. Hauptamtlich führt sie als Landesgeschäftsführerin den Arbeitskreis Migration und Integration. Sie hat schon als Kind das politische Engagement ihrer Mutter und ihres Opas begleitet und Flyer für die Europa-Union verteilt. Sie sagt: „Die Welt verändert sich und meine Stadt soll sich mit verändern. Dafür engagiere ich mich gerne.“ Möglich ist dieses Engagement mit drei kleinen Kindern – das Älteste ist gerade einmal acht Jahre – nur, weil ihr Mann, obwohl Arzt im Schichtdienst, seine Frau gerne unterstützt. Trotzdem muss sich die 37-Jährige schon mal als Frage getarnte Kommentare wie „Deine Kinder kommen wohl alleine klar?“ anhören. Damit kann sie schon deshalb leben, weil sie ihre Kinder gut versorgt weiß. Ihr ist es wichtig, als jüngere Frau andere Perspektiven in die Debatten einzubringen. Und wenn ihr etwas wichtig ist – etwa ein Modell zur Ganztagsbetreuung an Grundschulen –, dann kämpft sie mit Hartnäckigkeit, Durchhaltevermögen und Leidenschaft für ihre Anliegen.

Tatsächlich wünsche ich mir mehr junge Frauen, die einfach mal mutig ihren Hut in den Ring werfen. Und wenn es dann mit der Wahl doch nicht klappt – dann hat man es immerhin versucht.

Dorothea Wiepcke

Sie ist ein gutes Beispiel dafür, dass frau auch in einer männerdominierten Partei wie der CSU gut zurechtkommen kann. Ganz ohne „Ellbogen und weiblicher Charmeoffensive“. Ihre ganz persönlichen Erlebnisse mit Männern „alter Schule“ hat sie natürlich dennoch. „Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Tagung in Oberbayern, für deren Organisation ich verantwortlich war. Die anwesende Männerriege behandelte mich erst einmal wie schmuckes Beiwerk. Alle Teilnehmer tauschten Visitenkarten – ich bekam keine!“ Kein schönes Erlebnis, aber eines, über das die Politikerin lachen kann. Würde sie sich auch den Oberbürgermeistersessel zutrauen? Der war in München noch nie von einer Frau besetzt. Dorothea Wiepcke winkt ab. „Tatsächlich ist mein derzeitiges Engagement meine persönliche Grenze. Und: In München hat die CSU mit Kristina Frank bereits die perfekte Kandidatin.“

Kommunalpolitikerinnen im Fokus - Daniela Schneckenburger

Kommunalpolitikerinnen im Fokus: Daniela Schneckenburger

Die Dortmunderin Daniela Schneckenburger kennt den politischen Betrieb sowohl aus landespolitischer als auch aus kommunaler Sicht. Ab 1994 saß sie im Rat der Stadt, bevor sie 2006 Landesvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen in Nordrhein-Westfalen wurde. 2010 zog Schneckenburger als Landtagsabgeordnete nach Düsseldorf. Fünf Jahre später wurde die gebürtige Badenerin zur Dezernentin für Jugend, Schule und Familie in Dortmund gewählt. „Selbst als Landesvorsitzende bin ich kommunal stark verhaftet geblieben und deshalb hat es mich 2015 auch gereizt, wieder Verantwortung für meine Stadt zu übernehmen“, erklärt die Mutter von zwei erwachsenen Kindern, die selbst aus einer eher unpolitischen Familie kommt. „Politisiert und sozialisiert hat mich erst das Studium. Damals habe ich mich für bessere Studienbedingungen und Gender-Gerechtigkeit eingesetzt und mich gegen die atomare Aufrüstung engagiert“, erinnert sich die Germanistin und evangelische Theologin. Von ihrem landespolitischen Engagement profitiert die 59-Jährige jetzt auch in ihrer Verwaltungstätigkeit. „Die Landes- und die Bundespolitik setzen als Gesetzgeber die Bedingungen fest und die kommunalen Verwaltungen müssen innerhalb dieses Rahmens die Umsetzung hinbekommen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer diese Wechselwirkungen manchmal zu kommunizieren sind.“ Dass Frauen es bei den Grünen generell leichter haben als in anderen Parteien glaubt die erfahrene Politikerin nicht.

Auch bei uns gibt es Konkurrenz und trotz Quote kommen Frauen auch bei den Grünen nicht leicht in Leitungsfunktionen. Eine größere Teilhabe von Frauen kann nur gelingen, wenn wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf endlich besser organisieren. Und wir müssen Mädchen und junge Frauen dafür sensibilisieren, dass sie in der Politik gebraucht werden. Auch wenn der Aufstieg selten leicht ist und es nicht nur Wohlfühlsituationen gibt – der Einsatz für das Gemeinwesen lohnt sich immer.

Daniela Schneckenburger

Lohnend nicht nur für die Frauen selbst, sondern auch für die Gesellschaft. Daniela Schneckenburger hält Frauen nämlich für wichtige Motoren, wenn es darum geht, die Modernisierung der Gesellschaft weiter voranzutreiben und die politische Kultur nachhaltig zu verändern. „Denn Frauen“, sagt sie, „haben nun einmal eine andere Sichtweise auf die Gesellschaft als Männer.“