Gesundheitsminister Lauterbach hat das Infektionsschutzgesetz an vielen Stellen kritisiert und doch gleichzeitig für die Zustimmung geworben
Gesundheitsminister Lauterbach hat das Infektionsschutzgesetz an vielen Stellen kritisiert und doch gleichzeitig für die Zustimmung geworben
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Viele Maßnahmen entfallen

Infektionsschutzgesetz zugestimmt - was der Bundestag beschlossen hat

Der Bundestag hat dem neuen Infektionsschutzgesetz zugestimmt. Kernpunkt: Die meisten Maßnahmen entfallen. Dem hat auch der Bundesrat zugestimmt. Ergebnis: Die Bundesländer bekommen mehr Entscheidungsspielraum. Allerdings wird es keine Ministerpräsidentenkonferenzen mit gemeinsamen Entscheidungen mehr geben - jedes Bundesland muss künftig selbst dafür gerade stehen, was es beschließt. Einige Maßnahmen bleiben trotzdem deutschlandweit. Ein Überblick:

Das neue Infektionsschutzgesetz tritt zum 2. April in Kraft. Bis dahin gibt es eine Übergangsfrist, in der die Bundesländer die Maßnahmen - wie im alten Gesetz definiert - weiter nutzen können, aber nicht müssen. Schon hier zeigt sich, dass die meisten Bundesländer den Rahmen weitgehend ausschöpfen. Einige lockern aber bereits zum kommenden Montag (21.3.) deutlich, so etwa Nordrhein-Westfalen. Dort gilt etwa die Maskenpflicht in Schulen schon vor dem 2. April nicht mehr. Noch vor den Osterferien soll dort - wie auch in einigen anderen Bundesländern - die Testpflicht in Schulen entfallen. Andere Bundesländer - wie etwa Brandenburg - haben die bestehenden Regeln sogar für diese Übergangszeit noch leicht verschärft, etwa beim Thema FFP-2 Maskenpflicht. 

Ab dem 2. April entfallen die Möglichkeiten für die Bundesländer, solche Maßnahmen zu beschließen, weitgehend. Wobei weitgehend heißt, dass es einen - recht schwer definierbaren - Rahmen gibt, ab wann die Bundesländer doch regional (und damit gemeint ist im Gesetz des Bundestages sehr regional, also maximal auf Landkreisebene) Maßnahmen möglich sind. Doch der Reihe nach... zunächst schauen wir uns an, was künftig deutschlandweit gilt: 

Diese Maßnahmen gelten laut Infektionsschutzgesetz ab dem 2. April deutschlandweit 

Es bleibt die Maskenpflicht in Bus und Bahn, in Krankenhäusern, Altenheimen und weiteren Einrichtungen, in denen "vulnerable Gruppen" anzutreffen sind. Dazu gehört etwa die Arztpraxis. Überall sonst, sprich beim Einkaufen, im Kino oder in Bars, gibt es keine Maskenpflicht mehr. 

Differenzierter sieht es bei der Testpflicht aus. Sie fällt grundsätzlich auch weg, außer an den genannten Orten mit den "vulnerablen Gruppen". Allerdings ist sie in der Schule weiter möglich.

Alle anderen Maßnahmen jedoch fallen weg. Zumindest in der Theorie. Denn eine Hintertür lässt das neue Gesetz zu: Die Bundesländer können eine sogenannte Hot-Spot Regelung beschließen. Die kann gelten für Regionen mit besonders hoher Belastung für das lokale Gesundheitssystem.

Diese Möglichkeiten haben die Bundesländer im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes ab dem 2. April

Die Landesparlamente können ein Gesetz machen, das zusätzliche Einschränkungen über das Bundesgesetz hinaus dann ermöglicht, wenn es zu einer "regionalen Überlastung des Gesundheitssystems" kommt. Das würde greifen, wenn etwa ein Landkreis keine Krankenhauskapazitäten mehr hat und auch im Nachbarkreis keine Patienten untergebracht werden können. Die genauen Maßnahmen, die dann regional greifen und die genaue Definition, wann diese Überlastung eintritt, können die Bundesländer selbst beschließen. Das Bundesgesetz gibt dafür keine konkreten Definitionen vor. Heißt in der Praxis: Die Definition und die jeweiligen Landesgesetze dürften früher oder später wieder vor Gerichten landen, so ein Bundesland sie beschließt. In der Tat haben nämlich schon mehrere Bundesländer angekündigt, dass sie praktisch flächendeckend solche Maßnahmen weiter aufrecht erhalten wollen. 

DIESE Maßnahmen sind dabei laut Infektionsschutzgesetz in dem besonderen Fall möglich: 

2 G-Regeln

Maskenpflicht generell in Innenräumen

Hygienekonzepte 

Kurzum: Die bisherigen Maßnahmen können in solche Ausnahmefällen fortgeführt werden. 

Strittig ist, wann diese "Überlastung des regionalen Gesundheitssystems" eintritt. Die Rede ist im Infektionsschutzgesetz etwa davon, dass eine neue, gefährlichere Variante des Corona-Virus auftauchen könnte. Hört man dem Gesundheitsminister auch in der Bundestagsrede am Freitag zu, so muss Deutschland Angst haben vor neuen Wellen und vor neuen Mutanten und Mutanten der Mutanten. Andere Wissenschaftler schließen das zwar ebenfalls nicht aus. Sie sagen aber einheitlich, dass es im Moment keine Anzeichen für neue, gefährlichere Mutanten gibt. Die Einschätzung ist also Vermutung, aber wissenschaftlich nicht belegt. 

Umso spannender wird es zu sehen, wie die Bundesländer mit den auf sie übertragenen Kompetenzen umgehen werden. Denn so einfach, wie sich das einige Politiker erhoffen, dürften die neuen Beschränkungen nicht umsetzbar sein.  Einig waren sich fast alle im Bundestag hingegen, dass "kein neues Gesetz" schädlicher gewesen wäre. Denn dann wären alle Maßnahmen an diesem Wochenende ausgelaufen, ohne dass es die Möglichkeiten für Reaktionen bei neuen Varianten gegeben hätte. 

Kritik von Ländern und Kommunen am Infektionsschutzgesetz 

Von den Kommunenvertretern kommt deutliche Kritik, künftig nur noch deutlich weniger flächendeckende Regeln im Alltag zu ermöglichen. Der Deutsche Städtetag erwartet eine "rasche Korrektur" des neuen Gesetzes. Das Infektionsschutzgesetz sei "kompliziert und ungenau", weshalb die Länder schnell neue Bestimmungen in Kraft setzen müssten, so Städtetagspräsident Markus Lewe, der Oberbürgermeister von Münster ist. 

Schon am morgigen Sonntag fallen erste Maßnahmen weg. So braucht es fürs Zugfahren im Fernverkehr keine 3 G-Nachweise mehr. Die Maskenpflicht gilt aber auch hier weiter. 

Debatte um Impfpflicht läuft losgelöst vom neuen Infektionsschutzgesetz 

Über die allgemeine Impfpflicht derweil hat der Bundestag bisher noch nicht entschieden. Aktuell gibt es vier Gesetzesentwürfe. Jedoch hat keiner bisher die realistische Aussicht auf eine eigene Mehrheit im Bundestag. Der Antrag, der von Kanzler Scholz und Gesundheitsminister Lauterbach unterstützt wird, nämlich der auf eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren, hat bisher die meisten Unterstützer-Unterschriften. 234 Namen finden sich bisher auf dem Gesetzesentwurf. Den Antrag mit allen Unterzeichnern bieten wir Ihnen unter diesem Beitrag zum Herunterladen als pdf an. Aber auch er ist mit der Zahl der Unterschriften weit von einer eigene Mehrheit (knapp 360) entfernt. 

Die Gegner der allgemeinen Impfpflicht haben in den vergangenen Tagen neuen Aufwind durch eine Untersuchung von Krankenkassen-Daten bekommen. Der Datenanlyst Tom Lausen kommt zu dem Ergebnis, dass es aktuell mehr Arbeitsausfälle wegen Impfnebenwirkungen gibt als wegen Corona. Vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages legte er die Zahlen vor. Zwischen 2,5 und 3 Millionen Fälle von Nebenwirkungen gab es demnach. Mindestens 383.000 Arbeitsunfähigkeitstage gab es demnach im vergangenen Jahr durch Nebenwirkungen der Impfung, etwas mehr als die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage in Folge des Corona-Virus (Quarantäne) - diese Zahl wird auf 374.000 geschätzt. 

Seinen Angaben zufolge war eine Überlastung des Gesundheitssystems in den vergangenen zwei Jahren ausgeschlossen. In einer schriftlichen Stellungnahme von Lausen heißt es, dass es im Jahr 2019 insgesamt 19,2 Millionen stationäre Behandlungen in Deutschland gab. In den Jahren 2020 und 2021 wurden dagegen nur 16,7 Millionen Fälle registriert. Im Zusammenhang mit Corona standen davon "nur" 111.000 Fälle im Jahr 2020 und 276.000 Fälle im Jahr 2021.

Krankenkassen wehren sich gegen allgemeine Impfpflicht 

Die größte Arbeit, gäbe es die allgemeine Impfpflicht, käme zunächst auf die Krankenkassen zu. Denn sie sollen im Falle einer Umsetzung des Gesetzes herausfinden, wer geimpft ist und wer nicht. Der Vorschlag: Sie sollen alle Versicherten anschreiben und die Zusendung des Impfnachweises einfordern. Jeder, der nicht antwortet, würde dann laut dem Gesetzesentwurf als ungeimpft gelten. 

Am Montag soll dazu der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen im Bundestag gehört werden. Doch schon vorab hat der Verband ein Positionspapier veröffentlicht. Die Bild-Zeitung zitiert daraus. Darin heißt es: "Die Umsetzung des Gesamtprozesses ist den Krankenkassen unmöglich". Schon allein, weil 60 Millionen Briefe verschickt werden müssten, die wiederum zu massiven Nachfragen in den Callcentern der Krankenkassen führen dürften. Zudem müssten externe Druckaufträge europaweit ausgeschrieben werden. Aufgrund des akuten Papiermangels, der im Moment weltweit herrscht, fehle selbst das Papier für die 120 Millionen Seiten, die gedruckt werden müssten. Die Echtheit der Impfzertifikate sei zudem kaum überprüfbar. 

Eher grundsätzlich aufhorchen lässt die Aussage in dem Positionspapier, dass die Krankenkassen von vielen Versicherten keine aktuelle Adresse haben - somit seien nicht alle Versicherten "rechtssicher zu erreichen". 

Kurzum: Die Daten, die dann an die Gesundheitsämter der Kommunen und Landkreise gegeben werden müssten seien "Millionen ungefilterter Datensätze", mit denen die Ämter geflutet werden müssten. 

Der Gesetzesentwurf für die allgemeine Impfpflicht hat bisher die meisten Unterstützerunterschriften gesammelt - ist aber weit von einer Mehrheit im Bundestag entfernt. HIER finden Sie den Gesetzentwurf mit den Namen aller Unterstützer als PDF zum Herunterladen.