Die Generation Z rückt nach rechts - "Wer glaubt, TikTok ist schuld, lebt im Wolkenkuckuksheim, Jugendliche machen einfach einen Realitätscheck - und der passt nicht zum veröffentlichten Bild", meint Christian Erhardt
Die Generation Z rückt nach rechts - "Wer glaubt, TikTok ist schuld, lebt im Wolkenkuckucksheim, Jugendliche machen einfach einen Realitätscheck - und der passt nicht zum veröffentlichten Bild", meint Christian Erhardt
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Leitartikel

Jugend und Kommunalpolitik: Hört auf die jungen Menschen

Der Wahlsieg von Donald Trump, das Ampel-Aus in Deutschland: Wer nicht authentisch ist und gegen die Wirklichkeit Politik macht, scheitert. Immer! Besonders deutlich zu erleben bei jungen Erwachsenen. Nicht nur der deutliche Vorsprung von Donald Trump bei jungen Wählern in den USA zeigt das - auch die jüngsten Landtagswahlen in Deutschland haben gezeigt: Es gibt einen klaren Rechtsruck bei jungen Menschen. „Wer jetzt seine Politik wieder nur „besser erklären“ will oder gar TikTok für Wahlergebnisse verantwortlich macht, lebt wohl im Wolkenkuckucksheim“, meint Christian Erhardt-Maciejewski.

Die Generation Z rückt nach rechts – freiheitliche und konservative Werte gewinnen bei jungen Menschen wieder an Bedeutung. In Deutschland, in Europa, in den USA. Schluss mit Generation Greta? Nicht ganz. Es sind nicht diejenigen, die früher mit Greta und Luisa auf der Straße demonstriert haben, die sich jetzt abgewandt haben. Es sind die bis vor kurzem eher unpolitischen Jugendlichen, die sich vermehrt Sorgen um ihre Zukunft machen. Der Realitätscheck hat ihnen gezeigt: Auf ihre Generation warten massive Belastungen. Unsichere Renten, steigende Krankenkassenkosten, Jugendliche müssen für andere zahlen, während ihr eigener Vermögensaufbau immer schwerer wird.

Jugendliche erwarten Antworten - keine Ausflüchte, kein Schönreden...

Antworten auf ihre Fragen und Sorgen bekommen Jugendliche aber meist gar nicht. Jedenfalls nicht dort, wo man die politischen Entscheidungen über sie und ihre Zukunft trifft. Und die Erfahrungen Jugendlicher etwa zum Thema Migration sind so ganz andere als die Antworten, die sie etwa in den großen TV-Nachrichtensendungen vermittelt bekommen. Flucht aus einer Scheinwelt in die Welt der direkten, der authentischen Kommunikation bei Tik Tok und Co scheint die Antwort vieler Jugendlicher zu sein. Immerhin gibt es noch Jugendliche, die Fragen stellen und nicht als Antwort gleich auswandern. Keine Generation vor ihnen war so interessiert am Leben in anderen Ländern, wie die heutige Jugend.

Was junge Menschen in ihrer Heimat hält? Das große Interesse am Geschehen vor der eigenen Haustür! Keine andere Generation hat so großes Vertrauen in ihren Bürgermeister, ihre Stadtverwaltung und ihren Gemeinderat wie Menschen unter 25 Jahren. Mehr als die Hälfte von ihnen antwortet auf die Frage „Vertrauen Sie ihrem Bürgermeister?“ mit Ja! Bei den über 60-jährigen sind es nicht einmal 40 Prozent, wie aktuelle Forsa-Umfragen zeigen. Für uns Kommunalpolitiker heißt das: Nur in der Gruppe junger Menschen können wir mehrheitlich davon ausgehen, dass unser Wort auch ankommt und den Worten vertraut wird. Das ist eine riesige Chance und Aufgabe zugleich!

TikTok ist nicht schuld am Rechtsruck - Schuld ist die politische Kultur des Verschweigens...

Was einigen TikTok und Youtube-Stars im Internet gelingt: Sie sprechen nicht abstrakt von globalen Themen. Sie sprechen über konkrete Herausforderungen, mit denen sich auch junge Menschen zwangsläufig beschäftigen, weil sie ihr Leben beeinflussen. Genau das ist auch das Erfolgsgeheimnis von Donald Trump. Wo sich Kamala Harris auf dem Cover der Vogue glanzvoll ablichten ließ, produzierte Donald Trump Bilder als Müllwagenfahrer und an der Fritteuse im Schnellrestaurant. Glitzer-Welt trifft auf Realität. Thematisch meinte Harris "wir müssen woke bleiben" sah sonst aber keinen Anlass, irgendetwas anders zu machen als bisher Joe Biden. Traurige Parallelen zum verbliebenen Teil der ehemaligen Ampel-Regierung, die überhaupt keinen Anlass sieht, eigene Fehler für den massiven Zustimmungsverlust verantwortlich zu machen. Auf der anderen Seite: Ein Donald Trump, der mit einfachen Worten seine Lösungsvorschläge für die zentralen Themen Wirtschaft und Migration präsentierte. Genau das sind auch die Themen, die junge Menschen in Deutschland umtreiben.

Themen, die vor allem direkt vor Ort bei uns in den Städten und Gemeinden greifbar sind. Die aber aus Sicht junger Menschen kaum jemand wirklich aufgreift. Allen voran in der Corona-Krise haben sie das gespürt - sie wurden als Erste "weggesperrt" waren aber die letzten, die geimpft wurden. Verschiedene Umfragen zeigen, dass sie sich von der aktuellen Politik praktisch nicht berücksichtigt fühlen. „Ich werde von der Politik nicht gehört und nicht ernst genommen“ – die These unterschreiben 70 Prozent aller Jugendlichen. 

Gleichzeitig hat jeder Zweite aus der Generation Z das Gefühl „ich kann nicht frei reden“ und „ich muss besser vorsichtig sein, was ich sage“. Die neue „Demokratie-Task-Force“ mit ihren „Trusted Flaggern“ lässt grüßen – die Meldestelle dürfte vor allem auf Jugendliche wie der nächste Angriff auf die Meinungsfreiheit wirken. Wieder so ein Gesetz, mit dem die Ampel nicht nur bei Jugendlichen sehr viel Grundvertrauen verspielt hat.

Die Jugend ernst nehmen - aber nicht künstlich anbiedern...

Statt Zensurapparaten braucht es Menschen, die der Generation Z zuhören und sie ernst nehmen. Möglich machen das digitale und niederschwellige Beteiligungsformate zu Themen, die diese Generation direkt betreffen. Und ich spreche hier nicht von Jugendparlamenten oder Jugendbeiräten. Hier berichten viele Kommunen davon, dass diese Formate vor Ort entweder nicht zustande kamen oder gescheitert sind. Schon weil ein Jugendparlament meist analog in Präsenz und starren Regeln gewählt wird. Aus der Zeit gefallen für Menschen, die es gewohnt sind, Entscheidungen, Verabredungen und Kompromisse per Smartphone zu treffen. Und dann womöglich noch in einem angestaubten Ratssaal, wo ein Verwaltungsmitarbeiter die Sitzung führt und den Ton angibt.

Es geht also nicht darum, „die Politik besser zu erklären“ und somit Antworten wieder einmal vorzugeben. TikTok und Co sind auch nicht der Grund dafür, dass bei den jüngsten Wahlen die Ergebnisse für AfD und Co bei jungen Menschen überdurchschnittlich gut waren. Auf diese Plattformen wagen sich eben einige Politiker mehr als andere. Und wieder andere wirken einfach nur peinlich, wenn sie versuchen „jung und hipp“ zu wirken, aber eher zur Realsatire verkommen. Authentisch geht anders.

Die Jugend ist eine Chance - Kommunalpolitik sollte sie nutzen!

Die Chancen stehen eigentlich sehr gut. Denn Jugendliche gehen ganz grundsätzlich erst einmal positiver an Dinge heran, als ältere Menschen. Wir haben es mit einer Generation zu tun, die selbstverantwortlich handeln will und bei der Werte wie Leistung – anders als häufig dargestellt – weiter hoch im Kurs stehen. In unseren Rathäusern, in den Vereinen und Verbänden sowie den Parteien gilt es also, diese Leistungsbereitschaft zu heben und ein positives Bild der Möglichkeiten vor Ort, der Mitwirkung vor Ort zu zeichnen. Vor allem aber, nicht nur dieses Bild zu zeichnen, sondern diese Werte in der Realität auch zu leben!