Forsa Aktuell
Kommunalpolitik nicht mit Bundespolitik verwechseln
Vor jeder Landtagswahl und selbst – sofern sie wahrgenommen werden - vor Kommunalwahlen weisen die Medien unisono darauf hin, es handele sich um eine Testwahl für die Stimmung in der gesamten Republik. So wurde auch wieder die Entscheidung der rund 452.000 Wahlberechtigten im Saarland - das sind 0,7 % aller Wahlberechtigten in ganz Deutschland! - die eine gültige Stimme abgegeben haben, als ein erstes Urteil der Wähler über die Politik der Ampel oder über den neuen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz gewertet. Und selbst die Wahlgewinnerin Anke Rehlinger führte ihren Erfolg bei der Landtagswahl auf eine „großartige Unterstützung“ und einen „Rückenwind aus Berlin“ zurück. Doch diese Wahl war weder ein Votum für oder gegen Scholz oder Merz; denn die eher kritische Bewertung der SPD und ihres Führungspersonals auf Bundesebene in den Wochen vor der Saar-Wahl stimmte nicht mit dem überaus positiven Erscheinungsbild der Saar-SPD mit Anke Rehlinger überein.
Corona war nur sehr bedingt wahlentscheidend im Saarland
So war die Mehrheit der Wahlberechtigten in der gesamten Republik in der Woche vor der Landtagswahl an der Saar mit der Corona-Politik der Ampel-Koalition eher unzufrieden: 65 Prozent hielten die Abschaffung fast aller Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus zum 20. März für falsch und fast ebenso viele wünschten sich die Einführung einer allgemeinen von der Ampel-Koalition nicht vorangetriebenen Impfpflicht für Erwachsene. Weniger zufrieden als noch Ende Februar waren die Wahlberechtigten vor der Wahl an der Saar bundesweit auch mit dem Umgang des Bundeskanzlers mit dem Ukraine-Krieg. Bei der Kanzlerpräferenz lag Olaf Scholz Ende März mit 42 Prozent 10 Prozentpunkte unter seinem Wert von Anfang November letzten Jahres. Und auch bei den Parteipräferenzen lag die SPD bundesweit vor der Landtagswahl im Saarland mit 24 Prozent hinter der Union. Von einem „Rückenwind“ aus Berlin für die Wahlsiegerin Anke Rehlinger kann also nicht gesprochen werden; Rehlingers Erfolg ist allein durch die Urteile der Wahlberechtigten an der Saar über die Parteien im Land zustande gekommen.
Die Wahlberechtigten beurteilen die Parteien in ihrem Bundesland und auch die in ihrem Wohnort aber nicht nur im Saarland anders als die Parteien auf Bundesebene. So unterscheidet sich die im März im Rahmen der kontinuierlichen forsa-Erhebungen zusätzlich zur Bundestagswahlabsicht ebenfalls ermittelte Landtagswahlabsicht allein schon im bundesweiten Durchschnitt deutlich. In der Summe der 16 Länder würde die Union bei Landtagswahlen mit 30 Prozent ein um 4 Prozentpunkte besseres Ergebnis erzielen als bei einer Bundestagwahl. Ein Hinweis darauf, dass die Union anders als im Saarland in einigen Ländern über einen „Landes-Bonus“ verfügt. Das ist insbesondere in den beiden bevölkerungsreichsten Ländern Bayern und Nordrhein-Westfalen der Fall.
Stimmungslage in NRW ist komplett anders
In Nordrhein-Westfalen hätte die CDU nach Ergebnissen des von allen 39 Zeitungen im Land mit Hilfe von forsa durchgeführtem „NRW-Checks“ in der ersten März-Hälfte bei einer Landtagswahl mit 32 Prozent 4 Prozentpunkte mehr erhalten als bei einer Bundestagwahl. Und auch in Bayern würde die CSU bei einer Landtagwahl die 40 Prozent-Marke erreichen, käme aber bei einer Bundestagwahl nur auf 36 Prozent. Dieser „Landes-Bonus“ der CSU beruht nicht zuletzt darauf, dass die Bayern mit der Arbeit ihres Ministerpräsidenten weiterhin in überdurchschnittlichem Maße zufrieden sind. Anderslautende, von der Augsburger Allgemeinen regelmäßig unter Berufung auf von dem Klick-Tool-Unternehmen „Civey“ generierte Zahlen verbreitete Meldungen, nach denen nur noch weniger als zwei Fünftel der Bayern mit Söders Arbeit zufrieden seien, sind bei einem CSU-Anteil von fast 40 Prozent der Stimmen ziemlich absurd. Dann nämlich müssten nicht nur ausnahmslos alle Anhänger des CSU-Koalitionspartners Freie Wähler, der FDP, der SPD und der Grünen, sondern auch noch ein Teil der CSU-Wähler unzufrieden mit Söder sein. Diese Fehlinformation der Augsburger Allgemeine beruht darauf, dass der Anteil der mit Söders Arbeit tatsächlich fast ausnahmslos unzufriedenen AfD-Anhänger bei „Civey“ um ein Vielfaches höher ist als in der Realität. Jüngst war das auch im Vorfeld der Landtagswahl an der Saar wieder zu beobachten, als „Civey“ am 15. März – also nur wenige Tage vor dem Wahltermin – als Ergebnis einer „repräsentativen“ Erhebung bekannt gab, es wollten mehr Saarländer (nämlich 20,8 %), dass die AfD die nächste Landesregierung „anführen“ (Originalsprache von „Civey“) sollte als die bei der Wahl siegreiche SPD (von der das angeblich nur 16 % wollten).
All das sind Belege dafür, dass die Wähler bei jeder Wahl – vor allem auch bei Kommunalwahlen - recht genau wissen, um was es bei der jeweiligen Wahl geht und ihr Votum keinesfalls ein bloßer Reflex der politischen Großwetterlage ist. Zu befürchten ist allerdings, dass viele Medien dies auch in Zukunft nicht beachten werden oder wollen.