Christiane Krieger, Bürgermeisterin von Wernau am Neckar
Christiane Krieger durfte sich nicht als gewählte Bürgermeisterin bezeichnen. Jetzt schon.
© Benjamin Lassiwe

Porträt

Nach Wahlanfechtung endlich Bürgermeisterin

Christiane Krieger musste sich über 500 Tage gegen die Klage eines „Spaßkandidaten“ wehren - und leitet nun ein Rathaus mit angeschlossenem Wellness-Bereich.

Eineinhalb Jahre lang war Christiane Krieger jeden Tag im Rathaus von Wernau am Neckar. Eineinhalb Jahre lang leitete die mit 70 Prozent der Stimmen gewählte Kandidatin die Sitzungen des Gemeinderats der kleinen Stadt in der Nähe des Stuttgarter Flughafens. In all der Zeit sprach sie Grußworte, eröffnete sie Vereinsfeste und hielt Bürgersprechstunden ab. Nur als „gewählte Bürgermeisterin“ bezeichnen durfte sich Christiane Krieger nicht. Weil ein politischer Gegner die Wahl angefochten hatte, war Krieger nur eine vom Gemeinderat „bestellte Bürgermeisterin“: Was zur Folge hatte, dass sie im Gemeinderat kein Stimmrecht hatte. Und das laufende Gerichtsverfahren irgendwie immer im Hintergrund mitschwebte.

Wahl angefochten - Ironie des Schicksals

Dabei war Krieger mehr als zuversichtlich, dass die Gerichte ihre Wahl bestätigen würden. „Es war ein Spaßkandidat, der die Wahl angefochten hatte“, sagt sie. Damit meint sie jemanden, der gern für das Amt kandidiert hätte, es aber mangels Unterstützungsunterschriften nicht einmal auf den Wahlzettel geschafft habe. Mit solchen Leuten kennt sich die Bürgermeisterin aus: Denn ihre Bachelor-Arbeit im Fach Public Management schrieb sie über „Spaßkandidaten“ und deren Wahlanfechtungsklagen. „Es ist eine gewisse Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet ich dann mit so jemandem selbst ein Problem bekommen habe“, sagt Krieger rückblickend. Aus ihrer Sicht geht es „Spaßkandidaten“ einfach um lokale Bekanntheit: „Für eine Wahlanfechtung muss man nicht sonderlich viel können: Man muss nur einen Widerspruch schreiben und abwarten, bis der Vorgang vor Gericht landet – und dann kommt man in die Presse, wird interviewt und zumindest regional bekannt.“

Bürgermeisterin Christiane Krieger
Die Freiwillige Feuerwehr schenkte einen Löschkübel.

Klage gegen das Landratsamt eingereicht



Verklagt wurde nicht die Wahlgewinnerin, sondern das Landratsamt, das den Wahlprüfungsbescheid erlassen hat – und der wurde dann vor dem Verwaltungsgericht angefochten. Die Situation war für die heutige Bürgermeisterin von Wernau belastend. „Ich glaube aber, dass man in diesem Job ein gewisses Vertrauen in unseren Rechtsstaat haben muss“, sagt Krieger. Womit sie überhaupt nicht zufrieden ist: dass eine Wahlanfechtungsklage mal eben zwei Jahre dauern kann. „Das ist demokratieschädlich“, sagt Krieger. „Eine Wahl an sich ist ja eigentlich kein hochkomplexer Vorgang.“ 

Doch mehr als 500 Tage musste Christiane Krieger auf eine Entscheidung warten, denn der Fall landete auch noch vor dem Verwaltungsgerichtshof. Dort wurde die Revision des „Spaßkandidaten“ nicht mehr zugelassen. Die Bürgermeisterin setzt sich nun dafür ein, dass Wahlanfechtungsklagen künftig prioritär vor den Gerichten behandelt werden. Dazu sei sie mit Landtagsabgeordneten und dem Baden-Württemberger Gemeindetag im Gespräch, erzählt sie.

Wernau hat ein Rathaus mit Wellnessbereich 

Die Stadt im Landkreis Esslingen hat eine Besonderheit zu bieten. „Wernau hat ein Rathaus mit Tagungszentrum, Wellness, Sauna und Hallenbad“, bestätigt Krieger. „Das dürfte deutschlandweit einzigartig sein.“ Als das alte, aus den 1930er-Jahren stammende Rathaus vor 20 Jahren ersetzt werden musste, baute man es als Anbau an die Stadthalle. Im Keller der Stadthalle befand schon seit den 1960er- Jahren das Hallenbad, es wurde dann noch um eine Wellness-Abteilung ergänzt. „Für den Tagungsbetrieb ergab das Synergieeffekte“, sagt Krieger. Neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen könne die Gemeinde damit werben, dass man nach der Tätigkeit in der Kommune noch schnell in die Sauna gehen könne. Oder in die Weinbar, die sich auf der Etage des Büros der Bürgermeisterin befindet. „Auch das Restaurant im Erdgeschoss nutzen viele mein erBeschäftigen in der Mittagspause“, sagt Krieger. Und die Bürgermeisterin? „Ich tue mich tatsächlich schwer damit, mein Hallenbad und die Wellnesslandschaft zu nutzen“, meint Krieger. „Als Bürgermeistern braucht man ja doch auch eine gewisse Seriosität – und ich unterstelle mal, dass die doch verloren gehen würde, wenn ich regelmäßig hier im Badeanzug ins Becken springen würde.“ 

Angeschlossenes Schwimmbad am Rathaus  Wernau
Das dem Rathaus angeschlossene Schwimmbad von Wernau.

An anderer Stelle allerdings kommt der Wernauer Bürgermeisterin der Rathausbau sehr entgegen. Denn weil Wernau – wie viele Kleinstädte – vom Vereinswesen lebt, entschied sich Krieger, zum ersten Mal einen „Markt der Möglichkeiten“ im Rathaus durchzuführen. „Wir haben hier fast 100 Vereine, die das Leben in unserer Gemeinde prägen“, sagt Krieger. „Aber nicht alle wissen voneinander und viele suchen auch neue Mitglieder.“  

Tagungszentrum Treffpunkt für Ehrenamtliche

Dank des großzügigen Tagungszentrums konnte die Kommune den Vereinen eine Möglichkeit bieten, sich an einem Wochenende zu präsentieren.  „Die Ehrenamtlichen kamen auch untereinander ins Gespräch“, sagt Krieger. Die Mitwirkenden brachten sich untereinander auf den neuesten Stand und entdeckten Kooperationsmöglichkeiten. Dabei war auch die Freiwillige Feuerwehr, die der Bürgermeisterin einen Löschkübel schenkte.



Die Ehrenamtlichen waren nicht die Einzigen, die im Wernauer Rathaus zu Gast waren. Kurz vor Ende des letzten Kindergartenjahres lud die Bürgermeisterin die Kinder aller Kindertagesstätten zu einem Tag im Rathaus ein. „Die Abteilungen der Stadtverwaltung hatten die Aufgabe, ein Angebot für die Kinder zu schaffen, das ihre Arbeit zeigte“, sagt Krieger. „Der Leiter vom Bauhof hat den Kindern in einem Tagungsraum die Bauhoffahrzeuge erklärt.“ 

Kindern und Jugendlichen das Rathaus erläutern

Die Stadtkasse veranstaltete eine Schnitzeljagd: Am Ende durften die Kinder den großen Safe aufschließen und fanden darin Süßigkeiten. In einer Wahlkabine stand die Wahl des Lieblingstiers an. „Wir wollen den Kindern schon sehr früh zeigen, dass ein Rathaus kein verstaubter und verrosteter Ort ist“, sagt Krieger. Denn zwischen dem Fünfjährigen, der mit der Kita das erste Mal im Rathaus ist und dem Jugendlichem, der beginnt, nach einem Ausbildungsplatz zu suchen, liegt nur ein Jahrzehnt. „Wir müssen die jungen Leute früh erreichen“, sagt Krieger. „Nur so können wir später unsere Fachkräfte sichern und zeigen, dass auch ein Engagement in der Kommunalpolitik Spaß machen kann“, sagt Krieger. Und diese Freude konnte ihr auch die Konkurrentenklage nicht nehmen. 

Fotocredits: Bürgermeisterin mit Haushaltskübel: Benjamin Lassiwe Schwimmbad Wernau: Brosch Fotografie