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Neue Nutzung für alte Kasernen - wie Kommunen die Nachnutzung organsieren
Neue Nutzung für alte Kasernen - wie Kommunen die Nachnutzung organsieren
© adobe

Nachnutzung

Neues Leben für alte Kasernen

von Dorothea Walchshäusl
Reporterin | KOMMUNAL
19. April 2023
Viele ehemalige Kasernengelände in Deutschland haben sich inzwischen eindrucksvoll verwandelt. Wo früher Soldaten leben, sind heute Wohnquartiere oder Gewerbegebiete entstanden. Wir haben uns verschiedene Standorte und Konzepte angesehen.

In Rheine ist das Thema Konversion als ehemals zweitgrößter Garnisonsstandort der alten BRD an der Tagesordnung. Zu Spitzenzeiten waren in der Stadt ca. 10.000 Soldaten und 1.700 Zivilbeschäftigte beschäftigt; seit dem Rückzug der Bundeswehr Anfang des Jahres 2000 befinden sich Liegenschaften mit einer Gesamtfläche von rund 530 Hektar auf dem Stadtgebiet. Eine davon ist die im Jahr 2006 geschlossene General-Wever-Kaserne, die zur heutigen „Eschendorfer Aue“ umgestaltet wurde. 1.600 Menschen leben nun dort, wo einst Soldaten patroullierten, zwei Kindergärten befinden sich auf dem Gelände, umgeben von viel Grün. Auch wenn die Kasernengebäude selbst vollständig rückgebaut werden mussten, gab es eine „unglaublich hohe Neunutzung“, wie Milena Schauer, Verwaltungsvorstand und Baudezernentin, sowie Mark Dieckmann, Baulandmanagement und Konversation, betonen. So wurden ca. 40.000 m³ Baumaterialien recycelt und wiederverwertet, außerdem wurde ein altes Gewässer renaturiert – ein Vorgehen, für das Rheine mit dem Bodenschutzpreis ausgezeichnet wurde. Die Ziele der Kommune waren laut Schauer klar: „Schnell Wohnraum schaffen und die schwarze Null“ – und all das unter Berücksichtigung ökologischer, städtebaulicher und sozialer Faktoren. „Die politische Entscheidung, dass Kommunen ein Erstzugriffsrecht auf ehemalige Kasernengelände haben, hat uns sehr weitergeholfen. So bietet sich den Kommunen eine echte Möglichkeit, zu gestalten und eine kommunale Fläche neu zu entwickeln“, so Schauer. Neben der Eschendorfer Aue wurde der Umbau der ehemaligen Damloup-Kaserne zum „Europa-Viertel am Waldhügel“ gestartet. Dabei handelt es sich um ein 10-Hektar großes Areal in Toplage mit Grünachse, das Rheine 2022 von der BIMA erworben hat und auf dem verdichteter Wohnraum entstehen soll. „Letztlich sollen hier ähnlich viele Menschen ein Zuhause finden wie in der Eschendorfer Aue“, so Diekmann.

Kaserne

In Münster wurden aus Kasernen Wohnungen

Auch in Münster ist der Umbau voll im Gang: aus der ehemaligen York-Kaserne wird dort das York-Quartier.Umgesetzt wird dieser Prozess von einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft der Stadt Münster, die „für die Entwicklung und Vermarktung der zukünftigen Stadtquartiere verantwortlich ist“ und einen städtebaulichen Vertrag mit der Stadt abgeschlossen hat, wie Konversionsmanager und Geschäftsführer Stephan Aumann sagt. Im Südosten der Stadt gelegen, ist das ehemalige Kasernengelände integriert im innenstadtnahen Stadtteil Gremmendorf. Dennoch handelte es sich zu Betriebszeiten um einen kaum zugänglichen Bereich. „Das war eine Stadt in der Stadt, eine Nicht-Fläche“, so der Geschäftsführer, und die Bürger hätten um das Kasernengebiet herum gelebt. Der letzte Soldat ist im Jahr 2012 gegangen, dann stand die Fläche leer, Eigentümerin war die BIMA. Der Hauptfokus lag von Beginn an auf einer Erweiterung des Wohnungsangebots. Das York-Areal bietet hier ein attraktives Potential: Insgesamt sollen 1800 neue Wohneinheiten dort entstehen – das entspricht vier bis 5000 Menschen. Die Grundstücke werden nach Konzept vergeben, nicht nach Höchstpreis. Aus Sicht von Aumann liegt darin eine große Chance: „Über die einzelnen Konzeptvergaben haben wir einen großen Einfluss auf die Struktur und Qualität des Quartiers“. Erste Wohnungen sind bereits bewohnt, bis zum Jahr 2030 soll das Quartier fertig sein.

Wenn auf ehemaligen Kasernen neues Gewerbe entsteht 

Bezahlbarer Wohnraum ist in Meßstetten, einer Stadt mit 11.000 Einwohnern im ländlichen Raum auf 1000 Höhemetern, ausreichend vorhanden. Das dortige Konversionsprojekt verfolgt deshalb andere Absichten. Bis 2014 war unweit des Ortes die Zollernalb-Kaserne in Betrieb. Nach ihrer Schließung lag eine Fläche von 56 Hektar mit Mannschaftsgebäuden und Grünflächen brach. Für den Ort eine Chance: „Wir haben direkt nach Schließung begonnen zu überlegen, wie das Gelände nachgenutzt werden soll“, erzählt Bürgermeister Frank Schroft. Unter intensiver Einbindung der Bürger wurde ein Konversionsentwicklungskonzept mit klarem Ziel ausgearbeitet: „Wir wollen die Wirtschaftskraft in der Region stärken und Arbeitsplätze schaffen“, sagt Schroft, deshalb soll auf dem ehemaligen Kasernengelände ein Wirtschaftsstandort entstehen. Anfangs wollte die Kommune als kleiner Ort nur einen Teil des Geländes erwerben. Dann aber meldeten die Nachbarkommunen ihr Interesse an einem gemeinsamen Kauf der gesamten Fläche und der Etablierung eines interkommunalen Gewerbeparks. Was folgte, war – parallel zur Zwischennutzung des Geländes als Flüchtlingsunterkunft - ein formell aufwändiger Prozess, an dessen Ende im Oktober 2018 der „Zweckverband Interkommunaler Industrie- und Gewerbepark“ gegründet wurde. Dieser besteht aus fünf Städten und Gemeinden. Aktuell laufen nun die Verhandlungen zum Kauf des Kasernengeländes durch den Zweckverband mit der BIMA. Der Kaufvertrag soll noch 2023 unterzeichnet werden, dann steht den konkreten weiteren Schritten nichts mehr im Wege. Geplant ist am ehemaligen Kasernenstandort ein „energieautarker und CO2-reduzierter Industrie- und Gewerbepark“, für den es mit der MVV Energie-AG aus Mannheim bereits einen großen Kunden gibt, der dort eine Bioabfall-Vergährungsanlage errichten möchte. Auch die Nachfrage weiterer Interessenten sei bereits rege, wie Schroft berichtet.

Von der Kaserne zur grünen Oase 

Wie ein ehemaliges Kasernengelände zur grünen Oase für die ganze Stadt werden kann, ist in Augsburg zu beobachten. Als Mitte der 1990er die amerikanischen Streitkräfte abzogen, wurden mehr als 200 Hektar innenstadtnahe Flächen frei, die bis dahin „weiße Flecken“ auf dem Stadtplan waren, wie Christian Käßmaier, Teamleiter am Stadtplanungsamt, berichtet. Für die Stadt sei das damals eine „einmalige Chance“ gewesen. Sie hat sie in den vergangenen Jahrzehnten genutzt und bis heute dauert der großflächige Umgestaltungsprozess, begleitet von reger Bürgerbeteiligung, an. Kern des Ganzen ist der Westpark, ein 4 Kilometer langes grünes Band, das sich mit über 60 Hektar Fläche durch das westliche Stadtgebiet zieht. Es bietet der Bevölkerung verschiedenste Freizeit-, Spiel-, Sport- und Aufenthaltsmöglichkeiten. Zudem wurden unterschiedlich gestaltete Wohnraumangebote mit Nahversorgung, Arbeitsstätten und sozialer Infrastruktur geschaffen und haben einige alte Gebäude eine neue Nutzung erfahren: So hat sich die ehemalige Kommandantur etwa zu Kirchenzentrum entwickelt und soll in der ehemaligen Lager- und Panzerabstellhalle ein „Erinnerungs- und Lernort Halle 116“ entstehen. Hauptanziehungspunkt aber ist die laut Käßmaier „einzigartige Grünfläche – sowohl was ihre Dimension als auch was ihre Ausgestaltung und Qualität anbelangt“. Nichts sei hier von der Stange, sondern alles individuell an den Ort und die Bedürfnisse aller Generationen angepasst. So findet sich im weitläufigen Westparkareal eine Vielzahl an naturnah angelegten Spielplätzen, gibt es zahlreiche Spazier- und Fahrradwege und Wiesenflächen für den Aufenthalt. „Wenn man sich in Augsburg im Freien treffen will, trifft man sich häufig im Westpark“, so Käßmaier. Dort, wo früher Niemandsland war, tobt nun also das Leben.

Der ehemalige US-Militärflugplatz in Giebelstadt ist heute wieder Flugplatz. Auf dem Gelände soll auch ein Gewerbegebiet entstehen.

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