Tipps vom Fachmann
Onlinezugangsgesetz: Wie Kommunen es erfolgreich umsetzen können!
OZG-Umsetzung bis Ende 2022 nicht zu halten
Klar wird jedoch immer mehr, dass die Schwierigkeiten nicht primär in der technischen Umsetzung liegen, sondern vielmehr der „Rollout“ in die Fläche problembehaftet ist. Hier ist die kommunale Familie besonders gefordert, weil sie letzten Endes als Verwaltung vor Ort eine Mammutaufgabe zu stemmen hat: Sie sind es, die einen großen Teil der Verwaltungsleistungen an die Bürger bringen müssen. Das Zieldatum 31. Dezember 2022 ist – das wird offen gesagt – nicht mehr zu halten. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zunächst muss man konstatieren, dass das Onlinezugangsgesetz als solches in seiner Konzeption Schwächen aufzeigt. Zum einen fehlte es von Beginn an an einer Priorisierung, so dass die Verwaltungsleistungen durchweg gleichmäßig umzusetzen waren. Zudem entstehen durch die Frontend-Fokussierung auch Effizienzverluste, weil die Weiterverarbeitung in Fachverfahren und anderen behördeninternen Funktionalitäten gar nicht mitgedacht war. Insgesamt stellt sich insbesondere die diverse und gerade auf der kommunalen Ebene äußerst ausdifferenzierte Behördenlandschaft im Zusammenspiel mit fehlenden Standardisierungen als wesentliche Schwierigkeit dar, die nur schwer überbrückt werden kann.
Kommunen brauchen mehr Unterstützung
Bei den Städten und Gemeinden, gerade bei den kleineren und mittelgroßen Kommunen, kommt dazu noch ein signifikanter Ressourcenmangel, nicht zuletzt beim Personal. Zudem beklagen die Kommunen fast durchweg mangelnde Unterstützung durch Bund und Länder wie auch ein fehlendes Mitdenken der kommunalen Strukturen bei der Auf- wie Umsetzung. Die Verwaltungsdigitalisierung wird mit dem Onlinezugangsgesetz nicht ihr Ende finden. Dieses betrifft nur das Frontend, die Außenbereitstellung an die Bürger – die weiter drängenden Fragen wie digitale Fachverfahren, E-Akte und elektronische Daten- und Informationsarchivierung sind damit noch längst nicht beantwortet. Im politischen Diskurs wird nun schon über ein Onlinezugangsgesetz 2.0 gesprochen und auch gewisse Eckpunkte liegen nun schon auf dem Tisch. Auch Themen wie Once Only mit einer umfassenden Registermodernisierung und die Ende-zu-Ende-Digitalisierung werden die Städte und Gemeinde vor neuerliche Herausforderungen stellen. Bestandsaufnahme und Identifikation der Schwierigkeiten leiten unmittelbar dazu über, sich über Erfolgsfaktoren einer nachhaltigen wie wirkungsvollen Verwaltungsdigitalisierung gewahr zu werden.
IT-Planungsrat anders zusammensetzen
Keine Frage: Wer bestellt, bezahlt auch. Bund und Länder sind mindestens einmal in der politischen Pflicht, die Städte und Gemeinde bei der Umsetzung zu unterstützen. Naheliegend sind Hilfen, die der mangelnden Ressourcenausstattung entgegenwirken, also insbesondere Fördermittel zum Ausgleich von fehlenden personellen oder inhaltlichthematischen Ressourcen. Letztendlich wäre auch ein einfacher, niedrigschwelliger Zugang zu praktischen Informationen zur Umsetzung schon ein beträchtlicher Fortschritt. Seitens der kommunalen Spitzenverbände könnte das Angebot an Beratung und Vernetzung zu Themen der Verwaltungsdigitalisierung noch ausgebaut werden und letztendlich sind sie es, die die Missstände auch politisch an den geeigneten Stellen adressieren sollen.
Es fehlt an einer starken kommunalen Stimme bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes, man schaue sich nur einmal die Zusammensetzung des IT-Planungsrates an. Zuletzt sind es auch die öffentlichen, insbesondere die großen kommunalen IT-Dienstleister, die manches Mal ihren öffentlichen Auftrag sich noch mehr in Erinnerung rufen dürften: Notwendig sind wirksame, punktuell individualisierbare und trotzdem hochskalierbare Produkte und Beschaffungen und weniger die Fokussierung auf eigene Geschäftsmodelle.Damit wäre jedoch nur der „rote Teppich“ für die kommunale Familie ausgerollt, den diese trotzdem selbst zum Ziel einer digitalen, vernetzten und zukunftsfähigen Kommune gehen müssen.
Erfolgsfaktoren für kommunale Verwaltung
Was sind die Erfolgsfaktoren bei der kommunalen Verwaltungsdigitalisierung und was kann insbesondere kleineren und mittleren Kommunen an die Hand gegeben werden?
Eine Auswahl:
• Vernetzung und Kooperation sind dringend notwendig und das in allen Ausprägungen der Verbindlichkeit – vom losen Zusammenschluss bis hin zur interkommunalen Zusammenarbeit in einer neuen Rechtsform. Wichtig ist hier die Klarheit über die gemeinsamen Ziele und Aufgaben und eine funktionstüchtige Governance von Beginn an. Vorteile sind ein beträchtlicher Ressourcengewinn und Synergieeffekte bis hin zu gemeinsamen Beschaffungen und IT-Infrastrukturen.
• Die Städte und Gemeinden sollten sich offen zeigen für Standardisierungen und auch Vereinheitlichung von Prozessen und Verwaltungsverfahren. Selbstverständlich gilt weiterhin die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, jedoch ist der Eingriff hierin in Relation zu den Chancen als zukunftsfähige, moderne Kommune sehr zurückhaltend. Dafür entstehen neue Betätigungsgebiete und es werden Ressourcen frei für die Erfüllung zentraler öffentlicher Aufgaben. • Es braucht klare interne Strukturen für Organisationsentwicklung und Projektmanagement, flankierend sind die Prozesse anzupacken und zu verschlanken. Hier können die vorhin angesprochenen Standardisierungen und Vereinheitlichungen eine große Hilfe sein.
• Die Mitarbeiter „mitnehmen“ – klingt einfach und unterschreibt jeder, ist aber im Einzelnen herausforderungsvoll. Digitale Kompetenzen müssen breit in der Kommune aufgebaut werden und nachhaltig vorhanden bleiben. Das hat Auswirkungen auf Personalgewinnung und Personalentwicklung in den Städten und Gemeinden. Vorteile der Digitalisierung sollten für die Mitarbeiter klar aufgezeigt werden und es sollten Ansprechpartner für die Sorgen und Nöte in einer Transformationssituation installiert werden.
• Nur hier in der Aufzählung zuletzt, aber eigentlich gehört es an die Spitze: Die digitale Transformation einer Kommunalverwaltung und die Umsetzung als Teil davon ist eine Führungsaufgabe, die auch in der Hausspitze verortet sein muss. Nicht operativ selbstverständlich, aber strategisch. Die digitale Transformation ist im Ergebnis kein IT-Projekt, sondern betrifft die Kommunalverwaltung ganzheitlich, so sollte auch gedacht und gehandelt werden.
Digitale Transformation als Chance
Was bleibt am Ende? Die digitale Transformation der Kommunalverwaltung ist voraussetzungsvoll, ja –sie bringt aber auch Chancen für eine zukunftsfähige Kommunalverwaltung, die sich durch Digitalisierung und Verschlankung von Prozessen wie Strukturen besser gewappnet sieht für die Aufgaben der Zukunft und letztlich ihre öffentlichen Aufgaben wieder besser und effizienter erbringen kann mit der Chance, in Bereichen zukünftig zu gestalten, die bisher wegen fehlender Ressourcen gar nicht bearbeitet werden konnten.
Thomas Schuster ist spezialisiert auf die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung. Nach verschiedenen Stationen in Anwaltschaft, Wissenschaft und Justiz, unter anderem als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht, berät er seit nunmehr mehreren Jahren den öffentlichen Sektor zu den rechtlichen und strategischen Herausforderungen der Verwaltungsdigitalisierung.

