Ein junges Ehepaar feiert mit Freunden
Die Hochzeitsfeier will niemand nur online erleben - die Anmeldung zur Eheschließung aber schon.
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Standesamt-Romantik

Eheschließung einfach online anmelden

Den romantischsten Onlinedienst einer deutschen Verwaltung hat das Standesamt Wiesbaden: Die hessische Landeshauptstadt bietet Paaren für die Anmeldung ihrer Eheschließung einen praktischen Onlineservice per Video-Ident an. Die Corona-Krise schaffte dafür die rechtlichen Voraussetzungen.

Alles rund um die Eheschließung können Paare in Wiesbaden seit Ende 2020 online erledigen. Lediglich um sich das Ja-Wort zu geben, müssen sie noch ins Standesamt „Altes Rathaus“ am Schlossplatz kommen. Das tun die meisten gern, um sich eine schöne Erinnerung zu schaffen – wozu die kurze Rede eines Standesbeamten genauso gehört, wie das feierliche Ringe-Tauschen und das Zusammenkommen im Trausaal mit Trauzeugen, Freunden und Familie, um den besonderen Tag zu begehen.

Eheschließung rein digital vorbereiten

Eher lästig ist vielen Heiratswilligen dagegen der gemeinsame Behördengang zur Anmeldung der Eheschließung. Schon seit 2018 prüft man in Wiesbaden die rechtlichen Voraussetzungen einer serviceorientierten Alternative des persönlichen Erscheinens auf dem Amt. Die Idee: Ähnlich wie bei vielen Bankgeschäften, soll mit einem Video-Ident-Verfahren und einer qualifiziert-elektronischen Signatur (QES) die Anmeldung online erfolgen können. Da auch die Reservierung eines Trautermins in Wiesbaden digital machbar ist, wäre so für Paare mit Hilfe von PC, Tablet oder Smartphone alles - außer dem Ja-Wort selbst - bequem von zu Hause zu erledigen.

Personenstandsverordnung als Hemmschuh

Doch die Tür für diese Lösung blieb den Standesbeamten erst einmal verschlossen. Denn laut Personenstandsverordnung müssen die Heiratswilligen nun einmal persönlich für die Anmeldung ihrer Eheschließung anwesend sein. Der Game Changer war dann die Corona-Pandemie. Die Wiesbadener entdeckten einen Interpretationsspielraum im Gesetzestext, der ihnen in die Karten spielte. Denn in der Verordnung zur Anmeldung heißt es, dass man von der persönlichen Anwesenheit der beiden Eheschließenden abzusehen könne, wenn sie „aus wichtigen Gründen verhindert“ seien. Und was wäre ein wichtiger Grund, wenn nicht die Vermeidung von Kontakten während einer Pandemie?

Corona-Pandemie brachte die Wende

„Corona zwang uns, zu handeln“, fasst es Jan Klumb, Sachgebietsleiter Standesamt und Bürgerbüro sowie Leiter des Teams OnlineRathaus zusammen. „Wir mussten so viele Kontakte wie möglich vermeiden, ohne den Betrieb im Standesamt besonders einzuschränken.“ Und so machte das Virus rechtlich möglich, was vorher nicht ging: Das Standesamt Wiesbaden bietet nun „alles rund ums Ja-Wort“ online an. Die Paare können ihre Daten online eingeben, Dokumente und Nachweise in einen digitalen Briefkasten hochladen und erhalten ein Angebot, welche gemeinsamen Nachnamen sie auswählen können. Ein externer Servicedienstleister prüft bei einem Video-Ident-Anruf die Identität der Paare und die Sicherheitsmerkmale der Pässe oder Ausweise, die sie ins Bild halten müssen. Ist alles in Ordnung, „unterschreiben“ die beiden Partner mittels einer elektronischen Signatur, die durch ein SMS-TAN-Verfahren gesichert ist. Und auch die Gebühren können die Paare gleich online per PayPal, Giropay, Kreditkarte oder Lastschrift bezahlen.

Anmeldung gern in der Mittagspause

Das praktische Angebot traf einen Nerv: Über 1.500 Paare haben sich seither so für die Eheschließung angemeldet. Meist tun sie das in der Mittagszeit oder zwischen 19 und 22 Uhr, ergab eine Statistik – kaum jemand nutzt den Service also während der üblichen Öffnungszeiten der Verwaltung. Offenbar kommt eine Onlineanmeldung den Bedürfnissen von berufstätigen Paaren ganz besonders entgegen.

Hoffen auf Gesetzesänderung

Doch wie wird es damit weitergehen, wenn die Pandemie überstanden ist und damit auch der Sonderfall wegfällt? Schafft man das Angebot dann zwangsläufig wieder ab? „Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht nach wie vor von einer Pandemie. Solange das so ist, können wir mit unserem Pilot-Projekt weiter machen“, sagt Jan Klumb. Er räumt ein: „Sollte sich das ändern, haben wir ein großes Problem. Dann hätten wir keine Rechtsgrundlage mehr und müssten den sehr erfolgreichen Service erst einmal wieder vom Netz nehmen." Was sicherlich für erheblichen Frust bei den Bürgerinnen und Bürgern sowie dem engagierten Team sorgen würde. Klumb setzt aber darauf, dass der OZG-Booster seine Wirkung zeigt und sich in der Zwischenzeit der rechtliche Rahmen ändern könnte, denn daran werde zurzeit gearbeitet, sagt er: Im Hintergrund liefen einige Initiativen auf der Ebene des Bundesrates und des OZG-Labors, die das Personenstandsgesetz entsprechend anpassen könnten – so dass der Onlinedienst auch in Zukunft und auch ohne Pandemie ein rechtssicheres Angebot bleiben könnte.

Früher ein „Papieramt“

Die Entwicklung dieses innovativen Verfahrens ist umso erstaunlicher, wenn man weiß, dass das Wiesbadener Standesamt lange Zeit kein innovativer Vorreiter, sondern ein typisches korrektes „Papieramt“ mit vollen Aktenschränken war, in dem auch in den 2010er Jahren noch Schreibmaschinen zum Repertoire gehörten, wie Monika Rubbel, die langjährige Leiterin des Standesamtes in einem Podcast erzählt. Erst nach und nach kam eine Transformation der Abteilung in Gang. Motto dabei: "Einfach anfangen!" Es sei darum gegangen, sehr schnell etwas zu verändern, aber etwas, das für alle durchschaubar und leicht verständlich ist. Dann sei man mit Experimentierfreude und Mut zur Veränderung dem Ziel der Modernisierung und stärkeren Serviceorientierung des Standesamtes in kleinen Schritten nähergekommen.

Nachwuchskräfte sind Treiber der Digitalisierung

Wesentlicher Treiber und Unterstützer war dabei das Team OnlineRathaus (ToR). Es besteht aus interdisziplinären Nachwuchsgruppen der Verwaltung, die während ihrer Ausbildung gemeinsam an Projektthemen wie Verwaltungsinnovation, E-Government oder Optimierung arbeiten.

Als es damals um die Modernisierung des Standesamtes ging, trafen 15 Fachoberschüler, Schülerpraktikanten, Studierende und Rechtsreferendare aus dem Team OnlineRathaus auf 16 Standesbeamte. Die ungewohnte Zusammenarbeit brachte viel frischen Wind in Sachen Digitalisierung und entstaubte die Abläufe der Abteilung. Heute wird der Urkundenservice des Standesamtes ausschließlich vom Team OnlineRathaus betrieben und verwaltet.

In der Coronazeit brachte man neben der Online-Eheanmeldung auch andere innovative Angebote an den Start: Darunter den „digitalen Briefkasten“, der den Bürgern einen sicheren Upload von abfotografierten Dokumenten garantiert. Netter Nebeneffekt: Die Standesbeamten können mit diesen Uploads auch aus dem Homeoffice arbeiten. Der Gang zum Briefkasten der Behörde entfällt.

Auch die so genannte „WI-Box“, eine Abholstation, die man so ganz ähnlich von Postzustellern kennt, entstand während der Pandemie. Dort können die Bürgerinnen und Bürger auf eigenen Wunsch Urkunden, Dokumente, Fundsachen, Pässe und Ausweise unabhängig von den Öffnungszeiten der Behörde rund um die Uhr abholen.  Für eine erhöhte Sicherheit sorgt hier der Scan des eigenen Fingerabdrucks. Er wird bei der Beantragung und bei der Abholung am Gerät eingefordert.

Once-Only-Prinzip als Ziel

In Wiesbaden will man nun mit viel Schwung an der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) weiterarbeiten. Hier hat man die Vision, den Bürgerinnen und Bürgern pro-aktiver als bisher die Services und Dienste der Behörde anzubieten. Im Februar 2022 hob die Landeshauptstadt dafür das neue Amt „Innovation, Organisation und Digitalisierung“ aus der Taufe, mit dem man Servicenähe und Ablaufoptimierung weiter verbessern möchte.

Da wundert es auch nicht, dass das Standesamt Wiesbaden aktuell bereits die zweite Phase der Digitalisierung seiner Personenstandsregister mittels künstlicher Intelligenz und OCR-Schrifterkennung durchführt. Schon bald sei „aus Wiesbaden ein digitaler Abruf der Daten komplett und ohne lange Wartezeit möglich“, prognostiziert Wiesbadens Bürgermeister Oliver Franz. Dem vom Onlinezugangsgesetz geforderten Once-Only-Prinzip, nachdem Daten und Nachweise aus Registern der Verwaltung digital abgerufen werden können, kommt man so einen Schritt näher. Nicht nur aus diesem Grund wird so manche Kommune fast schon neidisch auf die innovativen Wiesbadener blicken.