Seniorenhilfe in Bremen gescheitert
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Projekte für Senioren gefloppt!

Vor einem Jahr hat Bremen mehrere Altenhilfe-Projekte ins Leben gerufen. Doch kaum einer hat sich dafür interessiert. Woran lag es? Und was hat die Kommune daraus gelernt? Wir haben bei den Verantwortlichen nachgefragt!

Die Stadt, aus der die Bremer Stadtmusikanten kommen, hat circa 700.000 Einwohner – über 150.000 von ihnen sind über 65 Jahre alt. „Wir wollen, dass sich Senioren in Bremen wohl fühlen. Deshalb haben wir vor einem Jahr fünf Projekte ins Leben gerufen, die das Leben älterer Menschen besser machen sollen“, erklärt Staatsrat Hans-Henning Lühr.

  • So konnten sich Senioren, die bereits Kunden eines Hausnotrufdienstes sind, zusätzlich bei der Post einen Service buchen, bei dem die Zusteller die Post persönlich übergeben und sich nach dem Wohlbefinden erkundigen. Mit diesem Service wollte Bremen Rentnern ermöglichen, länger im eigenen Heim zu leben – ohne dass sich die Familienmitglieder um das Wohlergehen der Betroffenen sorgen müssen. Der Service schlug mit 51 Euro zu Buche und wurde innerhalb eines Jahres kein einziges Mal gebucht.
Hans Henning Lühr über die Senioren-Projekte in Bremen
Staatsrat Hans-Henning Lühr spricht in KOMMUNAL über die Projekte
  • Das zweite Projekt, das die Stadt mitinitiiert hat, sollte die organisierte Nachbarschaftshilfe fördern. Dafür hat Bremen mithilfe der Deutschen Post freiwillige Helfer gesucht, die den Senioren im Haushalt helfen. Die Zusteller sollten in vier Stadtteilen Postkarten mit allen Infos zur Nachbarschaftshilfe verteilen und die Menschen im persönlichen Gespräch für die ehrenamtliche Tätigkeit begeistern. Ein Jahr nach Projektbeginn sieht die Bilanz allerdings mager aus: Die Postboten konnten weniger als zehn Personen motivieren, sich als Nachbarschaftshelfer zu bewerben. „Die meisten Postboten hatten wenig Lust auf extra Arbeit, sodass sie die Anwohner gar nicht angesprochen haben. Nach einem Jahr müssen wir sagen: Zusteller bleiben Zusteller“, erklärt Herbert Kubicek vom Institut für Informationsmanagement Bremen, der die Senioren-Projekte wissenschaftlich begleitet hat.
  • Das dritte Projekt, das vor einem Jahr gestartet wurde, wurde ebenfalls zum Flop. Die Sparkasse wollte ihren Kunden ermöglichen, Bargeld telefonisch zu bestellen und es sich versichert zuschicken zu lassen. Viele Senioren leiden unter körperlichen Beschwerden und schaffen den Weg zur Bank nicht mehr – und sind auf Nachbarn oder Familienmitglieder angewiesen, die ihnen Geld abheben. Der Service sollte das Dilemma lösen. Allerdings wurde auch er nicht genutzt! „Wir glauben, dass der Service mit 9,50 Euro zu teuer war – und die Sparkasse nicht genügend Öffentlichkeitsarbeit betrieben hat“, resümiert Herbert Kubicek.

Für uns war es schwierig, eine Zielgruppe zu erreichen, die sich kaum in den sozialen Medien aufhält

  • Das vierte Projekt ist der Formularservice des Bürgertelefons in Bremen. Senioren, die keinen und nur eingeschränkten Zugang zu den digitalen Verwaltungsangeboten haben, können telefonisch alle Formulare der Verwaltung anfordern, die ihnen dann kostenfrei mit der Post zugeschickt werden. Und tatsächlich wird dieses Angebot als einziges gut angenommen. „Für viele Senioren beutet dieser Service eine große Erleichterung, da sie die Formulare nicht mehr vor Ort abholen müssen“, weiß Lühr.
  • Das fünfte Projekt ist durch eine Kooperation zwischen der Stadtbibliothek und rund 10 Altenheimen der Bremer Heimstiftung entstanden. Dort können Senioren online Bücher oder DVDs bestellen und herunterladen. Mit Unterstützung der Sparkasse Bremen wurden jeder Einrichtung zwei Computer zur Verfügung gestellt. Ein Mitarbeiter der Bibliothek kommt einmal in der Woche und zeigt den Interessierten den Umgang mit diesen Geräten und Anwendungen. „Dieses Projekt lag uns besonders am Herzen, denn tatsächlich waren 9 von 10 Senioren noch nie in ihrem Leben im Internet. Dabei bietet das Netz gerade für ältere Menschen vielfältige Möglichkeiten: Hier können sie sich mit anderen Menschen austauschen, über Krankheitssymptome informieren oder Essen bestellen“, meint Kubicek. Und tatsächlich kam dieses Projekt ebenfalls sehr gut an: Pro Altenheim nutzen drei bis vier Senioren regelmäßig die Anwendungen und Apps. „Für uns ist das ein Zeichen, dieses Angebot fortzuführen“, erklärt Herbert Kubicek. „Der nächste Schritt ist eine Digitalassistenz, die wenig mobilen älteren Menschen auch zu Hause zeigt, wie sie das Internet nutzen können,“ ergänzt Henning Lühr.

Wie geht es jetzt für Bremen weiter - nachdem die Senioren-Projekte gefloppt sind?

Und trotz der zum Teil schlechten Ergebnisse will Lühr auch weiterhin Projekte für Senioren anbieten: „Für uns war es schwierig, eine Zielgruppe zu erreichen, die sich kaum in den sozialen Medien und im Internet aufhält. Aber nichts desto trotz wollen wir alte Menschen auch in Zukunft mit Projekten abholen, damit sie sich in ein paar Jahren nicht abgehängt und ausgegrenzt fühlen. Die fünf Projekte waren zwar teilweise nicht die richtigen. Aber ich bin mir sicher, dass wir mit der Zeit dazulernen und dadurch zukünftig noch bessere Angebote machen werden“,schließt Lühr ab.

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Auch von Njema Drammeh