
Schwerer Wahlkampf 2025
So läuft der ungewöhnliche Wahlkampf im Winter
Als der Neuwahltermin bekannt wurde, begann das große Zittern vor allem in den Karnevalshochburgen. Denn große Teile von NRW, Teile von Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und nahezu ganz Rheinland-Pfalz und das Saarland sind rund um den 23. Februar im absoluten Ausnahmezustand. Es ist der Sonntag vor dem Karnevalstermin. Die Prunksitzungen laufen auf Hochtouren, Maskenbälle, Umzüge und vieles mehr brauchen Säle, in denen die Veranstaltungen stattfinden können. Und gerade in den kleineren Orten gibt es häufig nur einen geeigneten Saal - der dann möglicherweise als Wahllokal benötigt wird. Der Bund Deutscher Karneval schlug schnell Alarm. Doch inzwischen stellt sich heraus, dass die Auswirkungen auf den Karneval wohl geringer sind, als zunächst befürchtet. Ja, es mussten einzelne Umzüge abgesagt oder umgelegt werden, insgesamt aber seien nur rund 5 Prozent aller Veranstaltungen betroffen, so der Präsident des Bundes deutscher Karneval, Klaus Ludwig Fess.
Das Winterwetter macht das Plakatieren zum Problem
Doch damit sind die Herausforderungen nicht gelöst. Für die Wahlkämpfer hält der ungewöhnliche Termin im Februar noch zahlreiche andere Besonderheiten parat. Da wäre etwa das Thema Wahlplakate. Die Witterung meint es häufig nicht gerade gut mit den Pappkameraden. Offenbar von einigen Parteien nur am Rande bedacht: Durch die Witterung, Nebel, Regen etc. sind die Sprüche auf den Plakaten noch schlechter zu erkennen. Viel zu lang erscheinen schon daher viele Botschaften, die Autofahrer bei der Witterung erst recht kaum erfassen können. Und nicht nur das. Es wird deutlich früher dunkel, im Feierabendverkehr sind die Plakate faktisch gar nicht mehr zu sehen.
Und auch die Wahlkampfhelfer, die die Plakate aufhängen und immer wieder erneuern, tun sich besonders schwer. Im Dunkeln lässt es sich nicht gut arbeiten und dann war da noch die Gefahr von Übergriffen auf Wahlkampfhelfer. Schon bei den Kommunal- und Europawahlen im Sommer vergangenen Jahres gab es ein enormes Ausmaß an Übergriffen. Aber die gute Meldung: Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der gemeldeten Angriffe auf Plakatierer dieses Mal auffallend niedrig. Möglicherweise ist es auch den gewaltbereiten Chaoten zu kalt für Überfälle. Bleibt die Hoffnung, dass sich dieser Trend in der aufgeheizten Stimmung der letzten Wahlkampftage nicht noch ändert. Denn insgesamt ist der Wahlkampf von Provokationen besonders geprägt, wie die Stimmung rund um die letzte Bundestagssitzung am vergangenen Freitag gezeigt hat. Und auch die Politiker selbst werfen mit verbalen Frontalangriffen nur so um sich. Aufgeheizt ist da ein vorsichtig formuliertes Wort.
Die Alternativen zum Plakatieren im Wahlkampf
Das Problem: Plakatieren ist für viele Parteien im Wahlkampf wichtiger als je zuvor. Denn viele andere Möglichkeiten des Wahlkampfes, die sonst rege genutzt werden, fallen mitten im Winter auch aus. Da wäre etwa der übliche Straßenwahlkampf mit Ständen vor Supermärkten und auf Parkplätzen. Bei Kälte sind die Wenigsten zu einem längeren Gespräch bereit. Und das Bierzelt oder der Marktplatz mit Kundgebungen und Wahlkampfpromis fällt auch weitgehend flach. Zu unbeständig das Wetter, mancher Polittalk im Freien würde dem Regen oder Schnee zum Opfer fallen. Bibbern statt Bierzelt, so lässt sich ein Wahlkampf kaum organisieren. Auch Volksfeste, wo sich Politiker sonst gerne dem Volk stellen, finden aktuell nicht statt.
Nicht zuletzt könnten Schnee und Eis auch auf dem Weg zur Wahlurne so manchem Probleme bereiten oder dazu führen, dass er oder sie daheim bleibt. Was üblicherweise die Zahl der Briefwähler erhöht, doch in diesem Jahr ist die Zeit der Briefwahl verkürzt. Zudem rufen mehrere Kommunen dazu auf, nicht per Brief zu wählen. Zu unsicher sei, dass die Post pünktlich ankommt.
In Sachsen kommt noch dazu: Am 23. Februar sind dort gerade Winterferien. So manche Familie nutzt die Zeit, um noch einmal zum Skifahren aufzubrechen. Piste statt Kreuz, die Ungewissheit über die Wahlbeteiligung macht einigen Parteien zu schaffen. Der Wahlkampf muss noch stärker ausgerichtet werden darauf, die Leute überhaupt an die Wahlurne zu bekommen.
Die üblichen Give-Aways funktionieren in diesem Wahlkampf nicht
Und dann war da der Blick auf die zahlreichen kleinen Geschenke, die Parteien gerne auf ihren Wahlständen verteilen. Viele davon sind eben auf die Sommermonate und den Herbs ausgerichtet - und das seit vielen Jahren.
Da wären Luftballons mit Parteilogo - nur wer bläst die bei Eiseskälte schon auf? oder Windräder für die Kinderfahrräder - nett, aber die Zahl der Radler ist aktuell vergleichsweise gering. Andere Parteien versuchen es seit Jahren mit Blumensamen - nur die Saat geht im Februar auch nicht auf.
Allerdings machen sich andere den Makel auch zum Vorteil und punkten mit ganz neuen Werbegeschenken. Der Virologe Hendrick Streek etwa, Direktkandidat der CDU in Bonn, verteilt Hustenbonbons. Für einen Virologen eine gute Idee, aber bei anderen Personen könnte auch die Botschaft ankommen: "Nur mit Medizin zu ertragen" - so können Botschaften auch nach hinten losgehen, wenn sie nicht zur Person passen.
Tee und Kinderpunsch sind da schon weniger "doppeldeutig" und scheinen in diesem Wahlkampf besonders häufig zum Einsatz zu kommen.
Der Ausweg der meisten Parteien: Der Wahlkampf wird so digital wie nie
Und so sieht man in den Budgetplanungen nahezu aller Parteien in diesem Jahr: Besonders viel Geld wird online für Kampagnen ausgegeben. Vor allem in den Medien, die sonst so oft kritisiert werden für ihre Verrohung, ihre unsachliche Diskussionskultur und vieles mehr. Facebook, Instagram, X und TikTok profitieren wie nie.
Nur sind die Parteien hier sehr unterschiedlich aufgestellt. Online Klinken putzen, das können vor allem viele Direktkandidaten bisher kaum, haben da nur sehr wenig Erfahrung. Aber auch die Bundesparteien sind hier sehr unterschiedlich erfolgreich. Auf TikTok etwa ist die AfD seit Jahren sehr erfolgreich. Laut einer Analyse haben schon 70 Prozent aller Erstwähler mindestens einmal eine Botschaft der Partei gesehen. Ganz anders bei der SPD. Nur 3 Prozent der Erstwähler wurde schon mal ein Clip der Sozialdemokraten angezeigt.
Die Sorge: Wird es nun beim Wintertermin bleiben?
Möglicherweise müssen sich die Parteien aber längerfristig darauf einstellen, dass nun immer im Winter Wahlkampf ist. Denn es gibt strenge Regularien, wann Bundestagswahlen abzuhalten sind. Mal davon ausgehend, die nächste Regierung hält bis zum Ende der Periode durch, dann wird wieder im Februar gewählt. Und die Karnevalisten wissen bereits: Im Jahr 2029 ist der Rosenmontag am 12. Februar, potentiell der Tag nach dem nächsten Wahltermin.
Wobei das noch nicht ganz sicher ist. aber Viel Spielraum gibt es auch nicht. Denn das Grundgesetz sagt zu Neuwahlen: "Sie finden frühestens 46, spätestens aber 48 Monate nach Beginn der Wahlperiode statt." Das heißt: Die Wahl kann zwar um 2 Monate vorgezogen werden. Was aber einen Termin kurz vor Weihnachten bedeuten würden. Sie kann aber nicht nach hinten geschoben werden. Rechnet man das hoch, bräuchte man mindestens drei Legislaturperioden, bis die Wahlen wieder - wie bisher üblich - im September stattfinden könnten. Wenn, ja, wenn die nächsten drei Regierungen jeweils bis zum Ende regieren und nicht wieder vorher zerbrechen....