Das Sondervermögen soll die Republik modernisieren – doch die Milliarden versickern im Staatskonsum. Kommunen bleiben auf ihren Baustellen sitzen. Warum das Paket ohne Strukturreform scheitert – ein Kommentar von Christian Erhardt-Maciejewski
Das Sondervermögen soll die Republik modernisieren – doch die Milliarden versickern im Staatskonsum. Kommunen bleiben auf ihren Baustellen sitzen. Warum das Paket ohne Strukturreform scheitert – ein Kommentar von Christian Erhardt-Maciejewski
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Staatskonsum

"Sondervermögen? Sonderillusion!" – Wie Berlin Milliarden versenkt und die Kommunen im Regen stehen lässt

Goldene Versprechen treffen auf bleiernde Realität. "Das Sondervermögen ist bisher kein Befreiungsschlag, sondern ein Schuldenpaket mit Schleifchen", meint Christian Erhardt-Maciejewski und fordert eine wirkliche Investitionsoffensive, damit die Kommunen wieder Luft zum Atmen bekommen.

Man muss kein Schwarzmaler sein, um zu erkennen: Dieses Sondervermögen ist kein Befreiungsschlag, sondern ein Schuldenpaket mit Schleifchen. Ein politisches Konjunktur-Geschenkpapier, hübsch verpackt, innen aber nichts als heiße Luft. Denn was uns da als Investitionsoffensive verkauft wird, ist in Wahrheit ein massiver Etikettenschwindel. Das Paket finanziert nicht die Zukunft, sondern kleistert die Vergangenheit zu – mit Geld, das wir längst nicht mehr haben.

Willkommen in der neuen Welt der Buchungstricks: 2,5 Milliarden Euro für Brückensanierung – klingt auf dem Papier nach Aufbruch, ist aber in Wirklichkeit eine Nullnummer. Denn das Geld ersetzt nur den bisherigen Posten von 1,9 Milliarden im Bundeshaushalt. Netto-Zuwachs? Ganze 600 Millionen. Damit lassen sich pro Jahr – großzügig gerechnet – 40 Brücken sanieren. Bei 10.000 maroden Bauwerken ist das kein Sanierungsprogramm, sondern ein Bauverhinderungsfonds mit Ansage.

So investiert man sich arm

Die Bundesregierung hat aus dem Sondervermögen ein neues Lieblingsspielzeug gemacht: Staatskonsum in Investitionsverkleidung. Bürgergeld, Rentenerhöhungen, Sozialausgaben – alles wird in die große Gießkanne gepackt und als "Zukunftsinvestition" etikettiert. Nur: Wachstum entsteht so nicht. Kapitalerhalt auch nicht. Echte Investitionen sind Dinge, die wirken, multiplizieren, Rendite bringen – nicht nur Wählerstimmen.

Was fehlt, ist der Mut zur ökonomischen Wahrheit: Nur Projekte mit Hebelwirkung bringen uns raus aus der Schieflage. Das heißt: Digitalisierung, Verkehrsachsen, Glasfaser, KI-Systeme für die Verwaltung. Und ja, auch Superbahnhöfe, funktionierende Stromnetze und bezahlbare Wohnräume. Aber stattdessen wird über Brücken gestritten – während die Verwaltung untergeht.

Der kommunale Flaschenhals

Für Kommunen bedeutet das: weiterwursteln mit zu wenig Geld, zu vielen Aufgaben und zu vielen offenen Baustellen. 186 Milliarden Euro Investitionsstau – das ist nicht nur eine Zahl aus dem KfW-Panel, das ist gelebte Wirklichkeit in jeder kleinen Stadt zwischen Nordsee und Alpenrand. Schulen vergammeln, Kitas platzen, Verwaltungsgebäude schimmeln. Und was macht der Bund? Er zaubert ein Sondervermögen aus dem Hut, das auf dem Papier glänzt – und in der Praxis versickert.

Denn klar ist: Ohne Reformen ist dieses Paket ein Rohrkrepierer. Solange Bund und Länder die Altschulden der Kommunen nicht übernehmen, kann unten niemand investieren. Solange Bund und Länder weiter 85 Prozent der Einnahmen für sich beanspruchen, während die Kommunen 24 Prozent der Ausgaben stemmen müssen, ist jeder Euro ein Tropfen auf dem heißen Asphalt der kommunalen Realität.

Die große Illusion vom Wachstum

Einfach Schulden machen – und hoffen, dass das Wachstum die Quittung bezahlt? Klingt gut in Talkshows, funktioniert aber nur mit echten Wachstumstreibern. Ein BIP-Zuwachs von 3,5 Prozent könnte die Schuldenquote senken – ja. Aber dafür müsste das Geld auch in Projekte fließen, die Wertschöpfung erzeugen. Und nicht in den nächsten Sozialtopf, weil gerade Landtagswahl ist.

Das Sondervermögen darf kein weiteres Konjunkturprogramm à la 2009 werden. Wir alle erinnern uns: Millionen für Abwrackprämien, Parkplätze und den Austausch von Glühbirnen. Damals war es peinlich, diesmal wäre es fatal.

Was jetzt wirklich zählt

Fünf Dinge braucht es, wenn dieses Paket nicht zur nächsten politischen Bauchlandung verkommen soll:

  1. Altschulden weg – Bund und Länder müssen Kommunen entschulden. Punkt.

  2. Echte Investitionen – Infrastruktur, Digitalisierung, Bildung, Energieversorgung.

  3. Mehr Geschwindigkeit – Planungsprozesse beschleunigen, Personal aufstocken.

  4. Private mit ins Boot holen – öffentlich-private Partnerschaften nutzen.

  5. Klares Monitoring – Jeder Cent muss nachweislich wirken, nicht nur verwaltet werden.

Vor allem aber: Lasst die Bürgermeister ran. Die wissen, wo’s brennt. Sie kennen die Schlaglöcher nicht nur aus Gutachten, sondern aus dem Fahrradreifen ihrer Kinder. Und sie haben keine Zeit für föderales Rumgeeier, weil der nächste Bauantrag längst auf dem Tisch liegt – neben dem Fachkräftemangel und dem Digitalisierungsstau.

Der Preis der Ignoranz

Wenn das Sondervermögen nun verpufft, wäre das nicht nur Geldverschwendung. Es wäre ein Schlag ins Gesicht für jede Kommune, die seit Jahren auf dem Zahnfleisch geht. Die Träumereien aus Berlin – von der grünen Wachstumswende bis zur Schuldenbremse mit Schlupfloch – helfen vor Ort niemandem. Was hilft, ist Handlungsmacht. Planungssicherheit. Und ein bisschen mehr Vertrauen in die, die wirklich arbeiten.

Stattdessen erleben wir: ein milliardenschweres Nebelkerzenfest, bei dem jeder so tut, als würde er investieren – während hinten rum das Tafelsilber verscherbelt wird, um das eigene Image zu polieren.

Die Kommunen sind bereit... 

Das Sondervermögen ist ein politischer Prüfstein. Nicht für die Schlagzeilen von heute, sondern für die Zukunft der nächsten Generation. Wird daraus ein Aufbruch – oder wieder nur ein Verwalten im Kreis?

Die Kommunen sind bereit. Die Frage ist: Ist es Berlin auch?