
Wahlbeben zwischen Rhein und Ruhr
Das sind die Ergebnisse der Kommunalwahlen in NRW
Kommunalwahlen sind und bleiben Personenwahlen - das zeigt auch der Urnengang am Sonntag im größten deutschen Bundesland. Fast 14 Millionen Menschen durften ihre Rathäuser, Kreistage, Bürgermeister und Landräte neu bestimmen. Zwar ist die CDU mit landesweit gut 33 Prozent deutlich stärkste Kraft geworden. Jedoch ist das landesweite Ergebnis gleichzeitig auch das Schlechteste aller Zeiten. Ganz ähnlich geht es der SPD, mit 22 Prozent unterbot die Partei in ihrem Stammland selbst das historisch schlechte Ergebnis der letzten Wahl noch einmal. Besonders schmerzhaft: Nie wurden die Oberbürgermeisterkandidaten in so viele Stichwahlen gezwungen, wie bei dieser Wahl. In 147 der 396 Orte in NRW gibt es in zwei Wochen eine Stichwahl, weil kein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen bekam. Schon vor 4 Jahren war die Zahl der Stichwahlen hoch, mit 128 aber immer noch deutlich geringer.
Die blaue Welle und der Absturz der SPD - Grüne-Partei mit erheblichen Verlusten, aber vielen Chancen
Eigentlich sollte es gar keine Stichwahlen mehr in NRW geben - der Landtag hatte schon im Jahr 2019 die Stichwahlen abgeschafft. Es sollte Bürgermeister werden, wer im ersten Wahlgang die meisten Stimmen hatte. Doch das Wahlverfahren scheiterte vor Gericht, für ein neues Wahlverfahren fehlte dann die Zeit, so blieb bei diesen Kommunalwahlen alles beim Alten. Und muss vor allem die SPD in zahlreiche Stichwahlen. Mal gegen die CDU, in den Großstädten aber vor allem auffallend häufig gegen die Grüne Partei. Diese hatte zwar landesweit deutliche Verluste eingefahren (von 20 auf 13 Prozent), fiel damit wieder auf Ihr Ergebnis früherer Wahlen zurück, nachdem sie beim letzten Mal ein Allzeit-Hoch erreicht hatte. Aber das war vor allem dem ländlichen Raum geschuldet, wo sich die Partei praktisch halbierte. In Großstädten wie Köln bekam der Kandidat die meisten Stimmen, muss hier gegen den SPD- Kandidaten in die Stichwahl. In Düsseldorf muss der amtierende Oberbürgermeister von der CDU gegen eine Grünen-Kandidatin ran, in Bonn muss die bisherige Oberbürgermeisterin Katja Dörner von den Grünen derweil zittern und gegen den CDU Kandidaten in die Stichwahl. Der CDU Kandidat landete rund 6 Prozentpunkte vor der amtierenden Bürgermeisterin. Und auch im konservativen Münster errang der Kandidat der Grünen Partei die meisten Stimmen, muss gegen die CDU in eine Stichwahl.
Auffallend in Münster: hier holte die AfD weniger als 5 Prozent der Stimmen. Überhaupt war die erwartete „Blaue Welle“ der AfD zwar klar sichtbar, aber doch mit „Schrammen“. Landesweit verdreifachte die AfD Ihr Ergebnis auf rund 15 Prozent. Was für die Partei ein großer Erfolg ist, zumal sie bisher bei Kommunalwahlen überall auffallend deutlich schlechter abschneidet, als bei Landtags- oder Bundestagswahlen. Zudem hatte die Partei nicht überall genügend Kandidaten, um überhaupt anzutreten. Gerade im konservativen Münsterland trat sie nicht flächendeckend an. Bei der Kommunalwahl in Warendorf etwa - eine Stadt mit 45.000 Einwohnern - trat sie gar nicht erst an.
Ehemalige Sozialdemokraten bescheren der AfD im Pott Rekordergebnisse
Ganz anders 50 Kilometer weiter im Ruhrgebiet. Dort, wo die SPD jahrzehntelang ein Abo auf absolute Mehrheiten in den Stadträten hatte, räumte die AfD kräftig ab. Allen voran in Gelsenkirchen. Es handelt sich um die Stadt mit der höchsten Arbeitslosenquote in NRW, Themen wie „illegale Flüchtlinge“, „Kriminalität“ und „sozialer Abstieg“ beherrschten hier den Wahlkampf. Die AfD wurde hier stärkste Kraft, auch ihr Bürgermeisterkandidat holte hier rund 35 Prozent der Stimmen, muss gegen die SPD Kandidatin in eine Stichwahl.
Gleiches gilt in Duisburg, wo die AfD allerdings bei der Bürgermeisterwahl in der ersten Runde deutlich hinter dem SPD-Kandidaten liegt. Auch in Hagen ist der AfD Kandidat in der Stichwahl, die meisten Stimmen bekam jedoch der gemeinsame amtierende Bürgermeister, der von CDU, Grünen und FDP unterstützt wird. Beim letzten Mal holte er noch im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit.
FDP auch im Stammland „im Tal der Tränen“ - BSW findet kaum Kandidaten - Besonderheit in Monheim
Für die Liberalen ist NRW neben Baden-Württemberg das Stammland schlechthin, hier holte die Partei jahrzehntelang überdurchschnittliche Ergebnisse. Vor allem im Rheinland, im Sauerland und im Münsterland. Doch damit ist es auch hier vorbei. Mit 3,6 Prozent spielen die Liberalen in den meisten Rathäusern und Kreistagen faktisch keine Rolle mehr. Einzelne Achtungserfolge gab es aber doch - dort, wo FDP-Kandidaten als Personen gut funktioniert haben. Etwa in der kleinsten Gemeinde des Landes, Hallenberg im Hochsauerlandkreis. Dort gewann Enrico Eppner gleich in der ersten Runde mit absoluter Mehrheit die Bürgermeisterwahlen (über 85 Prozent). Sein CDU-Herausforderer lag unter 15 Prozent. Auch im Rat der Stadt verfügt der Bürgermeister über eine absolute Mehrheit (63 Prozent). Auch in OWL gibt es letzte Leuchttürme der Partei - In Rahden löst der FDP Kandidat Florian Haase den amtierenden CDU-Bürgermeister, Bert Honsel, ab. Im Rat allerdings hat der neue Bürgermeister keine Mehrheit, dort holte seine Partei „nur“ rund 17 Prozent.
Das BSW - in Ostdeutschland holten Sie im vergangenen Jahr aus dem Stand zweistellige Ergebnisse, sind in Brandenburg und Thüringen sogar an Landesregierungen beteiligt - tat sich besonders schwer, überhaupt Kandidaten für die Wahl zu finden. So trat die Partei nur in rund 60 Prozent der Großstädte und Kreise an - eigenständige Fraktionen wird die Partei daher nur sehr wenige haben, zumal der Landtag zuvor beschlossen hatte, die Mindestgröße von Fraktionen von drei auf bis zu fünf anzuheben.
Monheim - die lange Zeit reichste Stadt in NRW - erlebt derweil auch politisch einen Wechsel. Die Stadt hatte deutschlandweit auf sich aufmerksam gemacht, weil sie die Gewerbesteuern auf ein Mindestmass absenkte. In der Folge siedelten sich viele erfolgreiche Unternehmen in Monheim an, die Stadt erlebte einen finanziellen Boom. So schaffte die Stadt die Gebühren für den Kindergarten ab und Bus und Bahn waren kostenfrei. Doch - auch im Zuge der Corona-Krise - geriet das Geschäftsmodell ins Wanken, auch Monheim ist inzwischen hoch verschuldet. Ihr langjähriger Bürgermeister, der Gründer der nur dort agierenden PETO-Partei, Daniel Zimmermann, trat nicht mehr an. Und so gewann Sjonja Wienicke, die von CDU, SPD, Grünen und FDP unterstützt wurde, gegen den Kandidaten der PETO-Partei.
Sehr wenige Frauen erringen Mandate - Wahlpannen heizen Diskussion um „russische Einflussnahme“ an
Bei den Kommunalwahlen gab es - zumindest für die Bürgermeisterposten - wieder auffallend wenige Frauen, die kandidierten. Mit Ina Laukötter von der CDU als neuer Landrätin im Kreis Gütersloh und Bettina Warnecke als neuer CDU Landrätin im Kreis Mettmann stechen dadurch zwei Landrätinnen besonders heraus. Chancen wurden einer Frau noch bei der Landratswahl in Euskirchen eingeräumt - Sabine Preiser-Marian von der CDU, Bürgermeisterin von Bad Münstereifel, war hier angetreten. Sie hatte sich bei der Bewältigung der Flutkatastrophe hervorgetan. Doch für viele überraschend, wurde Landrat Markus Ramers hier mit deutlicher Mehrheit von rund 68 Prozent wiedergewählt.
Für wilde Spekulationen sorgen derweil massive Software-Probleme im Münsterland. Bei der Übermittlung der Ergebnisse in vielen Kommunen in Münster und Umgebung waren die Server komplett überlastet. Die Wahlhelfer mussten auf Excel-Tabellen umsteigen. Ein Sprecher der Stadt Münster bestätigte den Verdacht auf einen Hacker-Angriff. „Die Untersuchungen laufen aber noch“ schränkte er ein. Auch in Coesfeld halten die Behörden einen gezielten Angriff für wahrscheinlich, auch hier waren die Server ausgefallen. Laut des IT-Dienstleisters CITEQ war die Wahlpräsentationssoftware Vote-Manager nur eingeschränkt erreichbar. Allerdings war die Wahlbeteiligung im Kreis Coesfeld mit 66 Prozent auch die höchste im ganzen Land, gefolgt von Bonn und Münster (65%).
Im Kreis Coesfeld, wie fast überall im Münsterland, holte die CDU wieder extrem starke Ergebnisse. Im Kreistag liegt die Partei bei 47 Prozent. Einzig in der Kreisstadt selbst hatte die CDU keinen eigenen Bürgermeisterkandidaten - die gemeinsame Kandidatin und Amtsinhaberin - unterstützt u.a. von SPD, FDP, Grünen und Volt - Elisabeth Dieckmann, gewann aber gegen einen Einzelbewerber erneut mit knapp 55 Prozent der Stimmen. Im Rat der Stadt legte die CDU derweil sogar noch deutlich zu, verpasste nur hauchdünn eine absolute Mehrheit der Sitze.
NRW-Kommunen stehen wirtschaftlich am Abgrund
Der Großteil der Kommunen in NRW steht wirtschaftlich kurz vor dem Bankrott. Von den knapp 400 Kommunen haben im vergangenen Jahr nur 16 Städte und Gemeinden einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt. Und auch der Wirtschaft in NRW geht es schlecht. Im ersten Halbjahr meldeten im größten deutschen Bundesland mit rund 18,5 Millionen Einwohnern mehr als 3200 Firmen Insolvenz an. Ein Plus von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Arbeitslosen in NRW ist auf deutlich über 800.000 gestiegen. Als Hauptprobleme nannten die Wähler vor dem Urnengang die Themen „Flüchtlinge“, „ausufernde Sozialkosten“ und „fehlenden Wohnraum“. Vor diesem Hintergrund sprachen viele Parteien, allen voran die SPD, die ihr historisch schlechtestes NRW Kommunalwahlergebnis überhaupt einfuhr, von „einer schwierigen politischen Lage“.