Staus, wie hier auf dem Kölner Autobahnring, sind in Großstädten Alltag - wie Verkehrsplanung helfen kann
Staus, wie hier auf dem Kölner Autobahnring, sind in Großstädten Alltag - das zeigt ein Blick auf die Top 10-Stau-Hauptstädte - wie Verkehrsplanung helfen kann

Ideen gegen Verkehrsinfarkt

Verkehrsplanung: Das sind die 10 staureichsten Städte in Deutschland

Stadtverkehr ist immer öfter mit Frust verbunden. Studien legen nahe, dass einige Städte nach Corona sogar mehr Verkehrsprobleme haben als vor der Pandemie. Ein Grund: Die Menschen meiden den ÖPNV. Doch auch das 9-Euro-Ticket hat gezeigt, dass trotz voller Züge der Individualverkehr nicht abgenommen hat. Die 10 staureichsten Städte Deutschlands und mögliche Ideen für die Verkehrsplanung.

Staus haben natürlich viel mit der Größe der Stadt zu tun, vor allem aber mit der Verkehrsplanung. So sind die vier Millionenstädte in Deutschland nicht automatisch die vier Städte mit den meisten Staus. Allerdings: Alle vier finden sich in der Top 10 der staureichsten Städte Deutschland. Erstaunlich ist aber auch etwa Platz 10 im unrühmlichen Ranking. Denn die Stadt gilt als die Fahrradhauptstadt Deutschlands. In der Studentenstadt soll es angeblich mehr Fahrräder als Einwohner geben. Und trotzdem liegt Münster in Sachen Stau auf Platz 10 in Deutschland. Die Autofahrer der 300.000 Einwohner Stadt verbrachten dort im vergangenen Jahr rund 41 Stunden im Stau. Das ist ein Anstieg von fast 20 Prozent im Vergleich zum Vorkrisenniveau im Jahr 2019. Ebenfalls 41 Stunden im Stau standen die Autofahrer in Dresden. Im Vergleich zum Jahr 2019 stellt das sogar einen Anstieg der Stauzeit in Höhe von 32 Prozent dar, weshalb Dresden deutschlandweit auf Platz neun landet. 

Münster hat viele Projekte zur Verkehrsplanung ausprobiert - und die Projekte wieder beendet 

Münster ist ein gutes Beispiel, dass es DIE EINE Antwort nicht gibt. Zahlreiche Projekte hat es in den vergangenen Jahren gegeben um zu testen, wie der Verkehr in der Innenstadt flüssiger laufen könnte. Etwa der Versuch zwischen Ludgeriplatz und Landeshaus. Dort rollte der Busverkehr temporär auf einer eigenen Spur. So sollten die Menschen überzeugt werden, wie schön es sein kann, mit dem Bus schneller zu sein als mit anderen Verkehrsmitteln. Als Alternative zum Auto. Beendet ist der Versuch an Münsters Promenade für Fahrradfahrer. Dort wurde getestet, wie es ist, wenn Radfahrer die Bremsen seltener betätigen müssen und es eine eingebaute Vorfahrt für Radfahrer gibt. Die Stadt hatte während des Versuchs immer wieder nachgebessert und etwa besser erkennbare Verkehrsschilder angebracht, dazu Sperrpfosten sowie Rüttelstreifen und zusätzliche Leuchten. Und auch der Verkehrsversuch Hörster Straße wurde inzwischen beendet. Dort fuhren acht Wochen lang weder Busse noch Autos. Auch die Parkplätze entfielen und vorübergehend wurde versucht, den Ort für Fußgänger lebendiger zu machen. Einige der Projekte werden noch ausgewertet und sollen evtl. mit neuen Erkenntnissen neu aufgelegt werden. 

Verkehrsplanung: Auch Nürnberg hat ein Pendlerproblem 

Auf Platz 8 der staureichsten Städte findet sich in diesem Jahr die fränkische Stadt Nürnberg. 41 Stunden standen die Menschen hier im Stau. Auch hier das übliche Bild: Die Verkehrsdaten zeigen vor allem Morgens und am späten Nachmittag Stauspitzen, ein klares Zeichen für Pendlerverkehr. Ein typisches Probem: Menschen aus umliegenden Regionen fahren morgens zur Arbeit in die Stadt und nachmittags wieder nach Hause. Die Hoffnung der Verkehrsplaner auch hier, wie in fast allen Städten: Mehr Home-Office-Angebote und mehr Co-Working-Spaces in den Speckgürteln der Großstädte. Damit würden die Pendler Geld und Zeit sparen, die Städte entlastet. 

Platz 7 im Stau-Ranking belegt dann eine der großen vier Städte: Köln kommt auf einen Wert von 42 Stunden Stau. Auffallend hier ist jedoch, dass das ziemlich genau der Wert aus der Zeit vor der Pandemie ist. In Köln hat also der Verkehr nicht weiter zugenommen. In der Domstadt mit seinem engen Verflechtungsraum könnte sich damit möglicherweise zeigen, dass Home-Office und andere Maßnahmen wirken. Zumindest ist der Verkehr tagsüber gestiegen, zu den üblichen Pendlerzeiten aber kaum. 

Was die Kölner natürlich besonders freuen wird ist die Tatsache, dass in der Nachbarstadt Düsseldorf die Menschen länger im Stau stehen als in der Domstadt. Mit 43 Stunden Stau ist der Wert hier wieder deutlicher angestiegen, womit die Stadt Platz 6 belegt. 

Überraschung auf Platz 5 - Stadt mit 125.000 Einwohnern 

Pforzheim ist in der Top 10 der staureichsten Städte die Kommune mit den wenigsten Einwohnern. Immerhin 125.000 Menschen leben hier, die Anbindung mit der A 8 ist eigentlich gar nicht so schlecht. Und doch stehen die Menschen hier 44 Stunden im Jahr im Stau. Das ist ein deutlicher Anstieg von fast 30 Prozent gegenüber dem Vorkrisenniveau. Mögliche Gründe sind zahlreiche Baustellen in der Stadt. 

Und auch auf Platz 4 findet sich eine vergleichsweise kleine Stadt im Stau-Ranking weit vorne. Potsdam in Brandenburg hat 180.000 Einwohner und kommt statistisch auf 46 Stunden Stau im Jahr. Die Landeshauptstadt. von Brandenburg ist dennoch zuversichtlich. Denn im ersten Halbjahr 2022 gab es erstmals weniger privat zugelassene Autos - trotz Bevölkerungswachstum. Mit verschiedenen Maßnahmen versucht die Stadt seit einigen Jahren, den innerstädtischen Nahverkehr attraktiver zu machen. Auffallend in Potsdam auch, dass trotz rückläufiger Neuzulassungen die Zahl der E-Autos erheblich gestiegen ist. Allein im ersten Halbjahr hat sich die Zahl der Neuzulassungen im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. 

Die traurigen Siegerplätze - Deutschlands staureichste Städte 

Platz drei im Ranking geht an Hamburg. 443 Euro kostete der Stau hier jeden wartenden Autofahrer. Insgesamt lag die Wartezeit im Jahr 2021 bei 47 Stunden. Das ist jedoch sehr wenig im Vergleich zur Bundeshauptstadt Berlin. 65 Stunden standen die Menschen hier im Stau. Allerdings auch hier gibt es minimale Hoffnung: Im Vergleich zum Vorkrisenjahr entspricht das einem leichten Rückgang. Auch hier dürften Co-Working Spaces im Speckgürtel der Stadt und deutlich mehr Home-Office Möglichkeiten für die Brandenburger eine wichtige Rolle spielen. Berlin hat kaum verarbeitendes Gewerbe sondern besonders viele "Bürojobs" - hier ist Telearbeit deutlich einfacher möglich. In der Hauptstadt ist auch auf dem Immobilienmarkt zu spüren, dass Büros immer häufiger aufgegeben werden, sich Unternehmen räumlich verkleinern, weil ein Großteil der Mitarbeiter von daheim arbeitet. 

Deutschlands Stau-Hauptstadt und wer nicht in der Top-10 vertreten ist

Kommen wir zu einer guten Nachricht. Während Dresden auf Platz 9 im Stauranking auftaucht, sicher auch durch seine engen Gassen in der Innenstadt, ist die zweite Großstadt in Sachsen nicht vertreten. Leipzig. Ein Grund könnte auch der Fußgängerbeauftragte der Stadt sein. Den leistet sich die Stadt und er bemüht sich, das Zu Fuß gehen in der Stadt so attraktiv wie möglich zu machen, damit Bürger für kurze Strecken in der Innenstadt das Auto stehen lassen. Sein Blick schweift zum Beispiel oft auf die Ampeln in der Stadt. "Aus Sicht des Fußgängers ist ja erst mal jede Ampel schlecht, es bremst aus", sagt Friedemann Goerl. Er setzt sich dafür ein, dass die Ampeln der Stadt so gestaltet werden, dass die Fußgänger Vorfahrt haben. Genau das kann aber im Gegenzug dazu führen, dass Autofahrer mehr warten müssen und so Staus entstehen. Entsprechend ist es immer eine Gradwanderung. Leipzig profitiert in der Innenstadt allerdings davon, dass die Straßen recht breit sind. In vielen Bereichen gibt es 2 Fahrstreifen in jede Richtung, daneben jeweils noch eine Reihe mit Parkplätzen und in der Mitte fährt die Straßenbahn. Eine solche Stadt kann Verkehr besser aufnehmen als eine enge Innenstadt. 

Womit wir zu Deutschlands Stau-Hauptstadt kommen: München. Und das mit großem Abstand! Satte 79 Stunden stehen die Menschen hier jährlich im Stau. 744 Euro kostet der Zeitverlust jeden Autofahrer rein statistisch, das sind im Jahr insgesamt fast 400 Millionen Euro. Staureichste Straße ist der Mittlere Ring, genauer der Abschnitt zwischen Peuelring und dem Heimeranplatz. Hier müssen Pendler eine Zeiteinbuße von insgesamt 27 Stunden im Jahr in Kauf nehmen. Der ADAC fordert deshalb für die bayerische Landeshauptstadt eine gesamtheitliche Verkehrsplanung unter Einbeziehung des Umlands mit dem ÖPNV als Rückgrat. Gerade für Pendler, so der ADAC müssten zukunftsfähige Konzepte entwickelt werden und auch das Park and Ride Angebot ausgeweitet werden. 

Hoffnung durch Verkehrsplaner - Moderne Technik könnte helfen 

Eine Idee für weniger Staus kommt aus den USA. Dort haben Forscher berechnet, dass Autofahrer Staus vermeiden können, wenn sie auch den Abstand zum hinteren Fahrzeug beachten. Wenn beim Stop-and-go-Verkehr auch der Abstand zum hinteren Fahrzeug geregelt würde, würden Staus durch scharfes Bremsen einzelner Fahrzeuge nicht entstehen.

Im Fachjournal „IEEE Transactions on Intelligent Transportation Systems“ haben sie ihr Stauvermeidungsmodell vorgestellt. Grob gesagt: Sie setzen auf Abstandskontrollsysteme, die auch den Abstand zu nachfolgenden Wagen in die Berechnung einer optimalen Fahrweise einbeziehen. In Simulationen von zäh fließendem Verkehr konnte die zweiseitige Kontrolle, im Gegensatz zur Abstandskontrolle zum vorderen Wagen, das Anhalten von Fahrzeugen verhindern. Moderne Fahrassistenzsysteme können das heute schon leisten. 

Weitere Ideen von Forschern: Den LKW Verkehr deutlich reduzieren. Ein Beispiel: Möbelhäuser werden von LKW beliefert. Gleich nebenan rollt ein weiterer Laster an, um das Bekleidungsgeschäft zu beliefern. Mobilitätsforscher sagen, der LKW könne genauso gut beide beliefern. Dazu müsste am Stadtrand ein Umschlagzentrum erreichtet werden, in dem unterschiedliche Waren auf einen großen Transporter geladen werden. Auch die U-Bahnen der Großstädte könnten nachts zum Warentransport benutzt werden. Erste Projekte in diese Richtung gibt es übrigens schon. 

Mit einfachen Maßnahmen lässt sich zudem eine Menge für die Verflüssigung des Verkehrs tun. Beispiel Schouwen-Duiveland. Alle Ampeln auf der Hauptstraße der niederländischen Insel sind verkehrsabhängig gesteuert. Meist dauert es nur Sekunden, bis grünes Licht freie Fahrt signalisiert. In vielen Regionen Deutschlands warten Autofahrer oft minutenlang auf Grün, obwohl kein Querverkehr fließt.

Die größte Hoffnung setzen Mobilitätsforscher aber in das autonome Fahren: Selbstfahrende Autos verhalten sich in vielen Fällen anders als Menschen. Die neuronalen Netze werden nach dem Vorsichtsprinzip trainiert: mehr Abstand halten, langsamer beschleunigen und länger an der Kreuzung halten. Sie fahren also defensiver. Das kann Anfangs auf zu Problemen führen. Forscher sagen aber: Sobald der Anteil der Robo-Autos auf über 50 Prozent gestiegen ist, werden sie den Verkehrsfluss massiv verbessern. Denn nichts ist für einen guten Verkehrsfluss besser als gleichmässig fahrende Autos. Sie vermeiden Unfälle, verringern Emissionen und geben Menschen Lebenszeit zurück - weil sie während der Fahrt Arbeiten, spielen oder andere Dinge tun können. Laut einer Studie verbringen Europäer im Schnitt vier Jahre und einen Monat ihres Lebens im Auto.