Jutta Steinruck, Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen
Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck spart nicht mit Kritik an Bund und Land.
© Stadt Ludwigshafen

Kritik an Bund und Land

Hilferuf: Warum erneut eine Bürgermeisterin nicht mehr antreten will

Die Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen, Jutta Steinruck, will keine zweite Amtszeit mehr. Mit ihrer Begründung spricht sie vielen Kommunalpolitikern aus dem Herzen. Ihre Kritik geht an Bund und Länder. Ein Grund, nicht mehr für weitere acht Jahre zu kandidieren, sind auch Hass, Drohungen und Hetze im Netz und auf der Straße. Ihren angekündigten Rückzug will sie als Hilferuf verstanden wissen.

Es wird nicht nur immer schwerer, Kandidaten zu finden, immer mehr amtierende Bürgermeister und Bürgermeister in Deutschland wollen nicht mehr erneut antreten. Die Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz hat jetzt angekündigt, sie bleibe noch knapp ein Jahr und vier Monate im Amt, dann ist Schluss für sie. In einer langen und sehr persönlichen Erklärung begründet Jutta Steinruck ihren offenbar sehr gut überlegten, geplanten Rückzug von der Spitze der Stadt. Dabei findet sie viele kritische Worte zur Rolle der Kommunen in Deutschland und ihrem nur geringem Spielraum, den die Politik ihnen einräumt.

Kritik an Land und Bund: Spardiktate und überbordende Bürokratie

In diesen Zeiten, "die von einem großen Transformations- und Handlungsdruck sowie einem erschreckenden Ausbreiten antidemokratischer Kräfte geprägt sind", so Jutta Steinruck, bedürfe es "einer zugewandten und gestaltenden Politik" und auch einem "echten und ehrlichen Schulterschlusses zwischen Kommunen, Land und Bund". Und sie lässt keinen Zweifel daran, dass dieser Schulterschluss bislang nicht wirklich zustande kommt. "Was wir aber nicht brauchen, sind Zuständigkeitsgerangel, technokratische Spardiktate und bürokratische Verfahren, die uns jeden Gestaltungsspielraum nehmen."  Genau das kritisieren Deutschlands führende Kommunalpolitiker zunehmend. Was die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin anführt, können sie unterstreichen:  "Wir in der Kommunalpolitik und in der Stadtverwaltung sind diejenigen, die Entscheidungen aus Mainz, aus Berlin und Brüssel erklären, umsetzen und durchsetzen müssen."

Kritik an Land und Bund: Spardiktate und überbordende Bürokratie

Die Oberbürgermeisterin bemängelt vor allem die finanziellen Rahmenbedingungen.Voraussetzung für eine gelingende Politik auf Kommunalebene seien ausreichende Ressourcen, vor allem auf Basis eines fairen Finanzausgleiches. Ludwigshafen drohe der soziale und infrastrukturelle Kahlschlag im Zuge der Haushaltskonsolidierung, so die Oberbürgermeisterin. Dabei spart  sie nicht an Kritik an Bund und Land: "Fortwährend werden neue Aufgaben ohne Kostendeckung an uns Kommunen übertragen - das entlarvt auch, dass der ernsthafte Wille zur Verbesserung der kommunalen Haushalte gar nicht ehrlich vorhanden ist."  Steinruck sieht dabei auch den Bund beim Thema Altschulden in der Verantwortung.

Bürgermeister und Gemeinderat traten zurück

In Freisbach waren im vergangenen Jahr der komplette Gemeinderat und Bürgermeister Peter Gauweiler aus Protest zurückgetreten. Seit Jahren fühlten sie sich von der "großen Politik" im Stich gelassen. Im KOMMUNAL-Interview begründete Gauweiler den drastischen Schritt. "Wir sind nicht aus Wut und Empörung zurückgetreten, sondern weil uns nichts anderes mehr übrigblieb. Die Kommunalaufsicht wollte den vom Gemeinderat verabschiedeten Haushalt nicht genehmigen. Seit Mai muss in Rheinland-Pfalz laut einem neuen Landesgesetz jede Kommune einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Das ist aber ein Ding der Unmöglichkeit. Wir haben 1,6 Millionen Schulden am Haken und machen 640.000 Euro Minus. Da hilft auch kein Sparen. Selbst wenn wir alles zusperren würden und kein Licht mehr anknipsen, würden wir noch Schulden machen."

Ludwigshafen am Rhein
Ludwigshafen am Rhein

Die Folgen der aktuellen Spardiktate bei gleichzeitig wachsenden und nicht gegenfinanzierten Aufgaben sind laut Ludwigshafens Oberbürgermeisterin Steinruck gravierend. Als Beispiele nennt sie die Cannabiskontrolle und die kommunale Wärmeplanung, beides von oben verordnet. Sie fordert, dass die überbordende Bürokratie abgebaut werden muss. Sie lähme die Kommunen und raube Kräfte. Und sie mahnt: "Hier in unseren Rathäusern und Kommunalparlamenten werden die Grundsteine dafür gelegt, dass Bürgerinnen und Bürger Vertrauen in einen funktionierenden Staat haben - angefangen von einer verlässlichen Infrastruktur, der modernen und digitalen Verwaltung bis hin zu guter Bildung für alle."

Gestaltungsspielraum auf kommunaler Ebene schwindet

Steinruck sieht den Gestaltungsspielraum auf kommunaler Ebene immer mehr verschwinden. "Wenn ich sehe, wie viele Jahre es allein gedauert hat, bis die Videoüberwachung an Orten, wo bekannterweise illegal Müll abgeladen wird, zumindest probeweise eingerichtet werden durfte und konnte, dann verstehe ich den Frust all derer, die sich für ein sauberes Umfeld einsetzen und sehen müssen, wie ihr Bemühen fast täglich mit Füßen getreten wird", schildert sie ein Beispiel und betont: "Ein funktionierender Staat muss die Regeln, die er setzt und die die Allgemeinheit schützen, eben auch durchsetzen. Tag für Tag."

Die gesamte Erklärung der Ludwigshafener Oberbürgermeisterin finden Sie hier.

Fotocredits: Ludwigshafen: Adobe Stock