
Sicherheitsauflagen
Weihnachtsmärkte in Gefahr – Warum unsere Adventskultur zu sterben droht
Nach Magdeburg greifen viele Städte zu drastischen Maßnahmen. Die Sicherheitsauflagen sind so streng geworden, dass sich kleine Märkte nicht mehr tragen. Poller, Betonblöcke, Lkw-Sperren, Sicherheitsdienste, Lärmgutachten – all das frisst die letzten Glühweineinnahmen auf.
Drei Zutaten für den Kulturkollaps
Christian Erhardt-Maciejewski nennt drei Hauptgründe für das drohende Weihnachtsmarkt-Sterben:
Erstens: Eine Kostenexplosion bei Sicherheitsmaßnahmen und Personal. Allein in Dresden stiegen die Sicherheitskosten - wie er im Radiointerview verrät - von 800 000 auf über vier Millionen Euro – bezahlt aus kommunalen Kassen.
Zweitens: Planungsohnmacht. Die bundesweite Gefährdungsbewertung kommt oft erst Anfang Dezember, wenn die Märkte längst stehen. Ergebnis: hektisches Umplanen, teure Nachrüstungen.
Drittens: Inkonsequente Behördenpraxis. Jede Kommune, jedes Bundesland legt andere Maßstäbe an. Mal wird übervorsichtig reagiert, mal mit Verboten, die später wieder gelockert werden – dazwischen bleiben verunsicherte Organisatoren und leer gefegte Plätze.
Kultur droht zu verschwinden
Was auf dem Spiel steht, ist weit mehr als ein paar Buden mit Glühwein. Weihnachtsmärkte sind Orte der Begegnung, des Zusammenhalts, der Tradition. „Wenn Menschen sich nicht mehr begegnen, reden sie irgendwann auch nicht mehr miteinander – und das schwächt das Vertrauen in Politik und Gesellschaft“, sagt Erhardt-Maciejewski.
Er warnt: „Die Demokratie stirbt zuerst vor Ort – nämlich da, wo das Miteinander verschwindet.“ Denn wer nicht einmal mehr einen Weihnachtsmarkt organisiert bekommt, verliert auch das Vertrauen der Bürger.
Absurde Sicherheitsrituale
Während Rentnerinnen am Einlass ihr Taschenmesser abgeben müssen, stehen Lkw-Sperren mit zwei Fahrern bereit, deren Sinn niemand so recht versteht. Der Sicherheitsapparat wird selbst zur Gefahr: „Diese Poller schaffen kein Sicherheitsgefühl, sie zerstören das Weihnachtsgefühl“, so Erhardt. Der deutsche Reflex, jedes Risiko mit Vorschriften zu bekämpfen, erstickt die Lebensfreude – und mit ihr die Kultur.
Wie wir die Weihnachtsmärkte retten können
Aus Sicht von Erhardt-Maciejewski braucht es jetzt drei konkrete Schritte, um die Weihnachtsmarkt-Kultur zu bewahren: Im Radiointerview beschreibt er sie genauer:
1. Weihnachtsfeste als immaterielles Kulturerbe schützen
Weihnachts- und Dorffeste sollten als immaterielles Kulturerbe anerkannt werden. Der Status schafft rechtlichen Schutz, erleichtert Fördermittel und zwingt Behörden, bei Genehmigungen kulturelle Werte stärker zu berücksichtigen. Er erhöht symbolisch den Wert und die öffentliche Aufmerksamkeit.
2. Klare und planbare Sicherheitsnormen
Statt jedes Jahr im Blindflug zu planen, müssen Bund und Länder verbindliche Sicherheitsstandards vorgeben – mit Risikoanalysen schon im Sommer. Kommunen könnten standardisierte Sperrkonzepte bereitstellen, die Veranstalter adaptieren. Auch gemeinsame Beschaffungsstellen für Sicherheitstechnik würden Kosten drücken.
3. Ein Kulturförderfonds für Volksfeste
Erhardt-Maciejewski fordert einen eigenen Fonds „Sicherung der Volksfest- und Weihnachtsmarkt-Kultur“, gespeist aus Kultur- oder Tourismusbudgets – oder durch Umschichtung aus teuren, meist zweifelhaften NGO-Programmen. „Das Geld wäre dort besser angelegt "Hier können wir die Demokratie wirklich retten, statt teils undemokratische, oft zweifelhafte Gelder zur Rettung "unserer Demokratie" in Projekten verschwinden zu lassen. Stattdessen fordert er Geld für Sicherheitssperren, Schulungen und Technik.“ Kleine Gemeinden und Ehrenamtliche würden so entlastet und müssten nicht mehr allein für Haftung und Kosten aufkommen.
„Wir müssen unsere Kultur verteidigen – nicht verbarrikadieren“
Erhardt-Maciejewski bleibt trotz allem Optimist: „Ich glaube, dass immer mehr Menschen erkennen, was wir da gerade verlieren. Weihnachtsmärkte sind kein Sicherheitsrisiko, sie sind ein Stück Identität.“
Sein Appell: „Wir dürfen uns nicht in Angst verbarrikadieren. Wenn wir anfangen, Weihnachtsmärkte abzusagen, dann sagen wir irgendwann auch das Leben ab.“
Die Lösung liegt nicht im Rückzug, sondern im Mut zur Vernunft. Weniger Bürokratie, mehr Vertrauen in die Kommunen – und eine Politik, die Kultur schützt, statt sie mit Vorschriften zu ersticken. Wenn es gelingt, den Duft von Glühwein mit gesundem Menschenverstand zu verbinden, dann hat Deutschland noch eine Chance auf eine frohe Weihnacht.
Erhardt-Maciejewski war zu Gast im Abendjournal bei Moderator Achim Winter bei Kontrafunk. Das Programm wird live bei Youtube sowie im Dreiländereck (Sendegebiet Schweiz und angrenzendes Deutschland zwischen Friedrichshafen und Konstanz) ausgestrahlt. Das komplette elfminütige Interview können Sie hier erneut nachhören.