Symbolbild für Kreislaufwirtschaft, Hand mit Erdkugel
Cradle to Cradle bedeutet übersetzt Wiege zu Wiege.
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Cradle to Cradle

Eine Kreislaufwirtschaft ohne Müll

Wegwerf-Artikel aus Plastik sollen verboten werden. Noch weiter geht Cradle to Cradle. Das Prinzip setzt auf eine geschlossene Kreislaufwirtschaft - ohne Müll. In ihrem KOMMUNAL-Gastbeitrag beschreibt die Expertin Nora Sophie Griefahn, was Kommunen tun können.

Bis 2100 wird die Weltbevölkerung auf rund 11 Milliarden Menschen angestiegen sein – und 85 Prozent dieser Menschen werden in Städten und Gemeinden leben. Gleichzeitig macht der Klimawandel keinen Halt und wir befinden uns inmitten einer globalen Rohstoffkrise. Die große Herausforderung für Verantwortliche in Kommunen ist es, beide Entwicklungen miteinander zu vereinbaren.

Cradle to Cradle - Müll landet nicht mehr auf der Kippe

Ein Weg dahin kann Cradle to Cradle sein. C2C – von der Wiege zur Wiege – ist ein Gegenentwurf zum heutigen linearen Umgang mit Ressourcen, durch den Rohstoffe auf mehr oder weniger direktem Weg auf der Müllkippe landen. C2C geht davon aus, dass wir Menschen Nützlinge sein können, die durch ihr Handeln einen sozialen, ökonomischen und ökologischen Mehrwert schaffen.

Nach dem C2C-Designkonzept werden alle Produkte abgeleitet von ihrem Nutzungsszenario designt. Landen Bestandteile von Produkten bei der Nutzung in der Umwelt – etwa durch Abrieb wie bei einem Fahrradreifen – muss dieses verschleißende Teil aus einem biologisch abbaubaren Material bestehen. Nutzt sich ein Produkt nicht ab, kann es so gestaltet sein, dass alle Bestandteile sortenrein voneinander trennbar und damit direkt wiederverwertbar oder ohne Qualitätsverlust recycelbar sind. Somit können alle Ressourcen in biologischen und technischen Kreisläufen zirkulieren und immer wieder genutzt werden.

Kommunen und die Kreislaufwirtschaft

In Kommunen gibt es zahlreiche Bereiche, um C2C anzuwenden. Beginnend mit der Beschaffung. Das Volumen der kommunalen Beschaffung liegt bei jährlich rund 250 Milliarden Euro: Ein riesiger Hebel, um über eine C2C-orientierte Beschaffung die eigene Kommune zukunftsfähig zu entwickeln und gleichzeitig wirtschaftliche Anreize für Unternehmen in der Region zu setzen, kreislauffähige und materialgesunde Produkte zu entwickeln. Reinigungsmittel ohne schädliche Stoffe in recyclingfähigen Flaschen. Teppiche, die Feinstaub binden und nach der Nutzung zurückgenommen und recycelt werden. Elektronikgegenstände, die durch Produkt-Service-Systeme genutzt, aber nicht gekauft werden. 

Ludwigsburg richtet  Beschaffung nach C2C-Kritierien aus

Voraussetzung für eine solche Beschaffung sind entsprechende Strukturen in der Kommune. Ludwigsburg hat etwa im Rahmen einer Dienstanweisung die öffentliche Beschaffung nach C2C-Kriterien ausgerichtet: Materialgesunde und kreislauffähige Produkte mit einer positiven Wirkung auf Mensch und Umwelt, die unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und auf Basis erneuerbarer Energie gefertigt wurden und Bodenqualität und Wasserressourcen schützen. In einer Kompetenzstelle läuft das Wissen rund um C2C in Ludwigsburg zusammen, sie unterstützt die gesamte Verwaltung mit ihrem Know-how und stellt sicher, dass der Ansatz bei allen Beschaffungsvorgängen angewendet wird. Die niederländische Stadt Venlo hat C2C bereits vor Jahren zu ihrem allgemeinen Entwicklungsleitbild gemacht, was sich unter anderem im kommunalen Bau zeigt.

Rathaus in Venlo nach Cradle to Cradle-Kriterien

Das nach C2C gebaute Rathaus in Venlo zeigt, dass diese Bauweise auch einen finanziellen Mehrwert hat – wenn Umwelt- und Gesundheitskosten konventioneller Gebäude sowie die gesamte Nutzungsphase und der Werterhalt der verbauten Materialien in einem C2C-inspirierten Gebäude mitgedacht werden. Das Rathaus wies nach einem Jahr einen positiven Cashflow auf. Die Investition von rund 3,4 Millionen Euro in C2C-Innovationen werden nach 40 Jahren ein positives Ergebnis von 16,8 Millionen Euro zur Folge haben. Gleichzeitig ist es als C2C-inspiriertes Gebäude mehr als nur nachhaltig: Es ist überwiegend aus materialgesunden und kreislauffähigen Baustoffen hergestellt, steigert durch Begrünung die Biodiversität und reinigt die Luft, erzeugt mehr erneuerbare Energie als es benötigt und ist flexibel nutzbar.

Essbare-Stadt-Konzepte

Doch C2C kann weit über Beschaffung und Bau hinaus gehen. Durch eine Infrastruktur für regionale Stoffkreisläufe kann Phosphor aus kommunalen Kläranlagen als Dünger für die regionale Landwirtschaft zurückgewonnen werden. Mehrgenerationenparks oder Essbare-Stadt-Konzepte fördern das Miteinander und die Biodiversität in der Kommune. Fahrradzonen und der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs vereinfachen die Mobilität der Bürger. Und durch eine an C2C orientierte Wirtschaftsförderung können sich C2C-Unternehmen ansiedeln und zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen. 

C2C Summit: Kommunen der Zukunft gestalten

Durch den European Green Deal und den Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht fest: Die Kommunen werden die auf europäischer und bundesdeutscher Ebene entschiedenen Schritte zur Transformation unserer linearen in eine zirkuläre Wirtschaft in den kommenden Jahren umsetzen müssen. Darüber werden wir auch am kommenden Donnerstag, 12. Mai, bei unserem “C2C Summit: Kommunen der Zukunft gestalten” mit Vertretern und Vertreterinnen aus Bundes- und Landespolitik, Kommunen sowie der Wirtschaft diskutieren. Denn mit Cradle to Cradle können Kommunen einen Schritt weiter gehen und als Vorbilder aus Eigenmotivation heraus für ihre Bürger gesunde und attraktive Lebens- und Wirtschaftsräume für die Zukunft schaffen.

Nora Sophie Griefahn treibt seit zehn Jahren als C2C-Expertin ein Umdenken in Wissenschaft, Politik, Bildung und Gesellschaft voran, das mehr als Klimaneutralität zum Ziel hat. Sie ist Umweltwissenschaftlerin und geschäftsführende Vorständin der 2012 von ihr mit gegründeten Cradle to Cradle NGO. Die gemeinnützige Organisation macht Bildungs- und Vernetzungsarbeit für eine geschlossenen Kreislaufwirtschaft nach Cradle to Cradle und arbeitet im Netzwerk C2C Regionen unter anderem mit Kommunen zusammen.

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