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  1. Praxis
  2. Klimaschutz
  3. Kommune fürchtet Blackout - massives Energiesparen verordnet
In Murg genügen Neubauten den Kriterien des KfW-40-Standards.
Die Neubauten nach KfW-40-Standard brauchen weder Gas noch Öl.
© 123rf.com/profile_belchonock

Extreme Auflagen beim Neubau

Kommune fürchtet Blackout - massives Energiesparen verordnet

von Annette Lübbers
Reporterin
27. Oktober 2022
KfW-40-Standard - das bedeutet: Das Haus darf maximal 40 Prozent des Stromverbrauchs eines üblichen Hauses haben. Eine Gemeinde in Baden-Württemberg hat das nun zum Regelfall erklärt. Wer sich im Neubaugebiet nicht an diesen hohen Standard hält, bekommt keine Baugenehmigung.

Die kleine Ortschaft Murg, 7.000 Einwohner, im Landkreis Waldshut in Baden Württemberg macht in Sachen Energiewende ernst und nimmt die Bürger aber auch sich selbst in die Pflicht. Bis zum Jahr 2050 sollen dort die Co2-Emmissionen auf weniger als eine Tonne sinken. Zum Vergleich: Der letzten Erhebung zufolge liegt der Schnitt bundesweit bei 8,5 Tonnen pro Kopf und damit 3,6 Tonnen über dem globalen Durchschnitt.  Adrian Schmidle ist seit 15 Jahren Bürgermeister in Murg. Der gelernte Forstingenieur legt Wert darauf, schon lange vor der Zeit der Klimaktivistin Greta Thunberg die Energiewende in seiner Stadt mit angestoßen zu haben. Seitdem hat seine Kommune so einiges auf den Weg gebracht: Sanierung der Gebäudebestände, ein regeneratives Fernwärmenetz auf der Basis eines Wärmeplanungskonzeptes, ein kommunaler E-Fuhrpark, ein E-Bürgerbus  und ein Flusskraftwerk. Das neueste Projekt: ein Neubaugebiet mit Häusern, die dem KfW-40-Standard entsprechen. Orientiert hat sich die Gemeinde auch bei dieser Entscheidung an ihrer Leitlinie: "Wir sind Murg - offen, familienfreundlich und innovativ. Eine vitale Wohngemeinde mit hoher Lebenskultur und ökologischer Verantwortung, in der bürgerschaftliches Engagement intensiv gelebt wird."

KfW-40-Standard im Neubaugebiet 

Das Neubauareal "Auf Leim" umfasst 50 Einzelbauplätze und sieben Bauplätze für Mehrfamilienhäuser. 30 Bauplätze hat die Gemeinde selbst verkauft - und dafür - abseits der üblichen Bebauungspläne ohne ökologische Vorgaben - Anspruchsvolles formuliert: Gebaut werden darf nur nach KfW-40-Standard. Die aktuellen Mindestvorgaben: Ein Jahresprimärenergiebedarf von maximal 40 Prozent eines vergleichbaren konventionellen Neubaus, sehr gute Gebäudedämmungen, Fenster mit Dreifachverglasung, Solaranlagen, Wärmepumpen, Pelletheizungen oder vergleichbare, regenerative Wärmequellen. In Murg hat man sich für kalte Nahwärme entschieden. Bürgermeister Adrian Schmidle erläutert: "Auf die privat verkauften Grundstücke hatten wir als Kommune im Bereich Baustandards natürlich keinen Einfluss. Aber wir haben für die Anschließung dieser Gebäude an das Nahwärmenetz einen Zuschuss von 9.000 Euro pro Haushalt verlangt. Der Plan ist aufgegangen. Alle von privat gekauften Grundstückseigentümer sind angeschlossen."     

Energetische Sanierung: Die Bürgerschaft zieht mit

Weniger einfach gestaltet sich die Wende hin zu mehr Nachhaltigkeit normalerweise im Gebäudebestand. Aber auch in diesem Bereich sieht der Bürgermeister Murg auf einem guten Weg. "Wir haben schon seit vielen Jahren eine sehr engagierte Bürgerschaft, deren Forderung es einst sogar war, einen Klimaschutzmanager in der Kommune zu installieren. Das Interesse an energetischen Sanierungen und PV-Anlagen ist mit der Energiekrise noch einmal größer geworden, aber nun kommen die Handwerker nicht nach." Adrian Schmidle weiß aber auch, dass seine Kommune ein Stück weit privilegiert ist. Murg, sagt er, profitiere von der räumlichen Nähe zur Schweiz. "Nicht wenige unserer Bürgerinnen und Bürger leben in Murg, arbeiten aber im Nachbarland. Verglichen mit der Schweiz sind die Lebenshaltungskosten bei uns sehr viel moderater. Da bleiben ein paar Tausend Euro im Jahr übrig, die unsere Pendler gerne investieren, um ihre Immobilien energieeffizienter zu machen."     

Holzbauweise? In Murg Favorit

Besonders stolz ist der Bürgermeister auf die neu errichtete Kita im Holzbaustil. Vorbild für Murg waren ähnliche Bauten im österreichischen Vorarlberg. Das 400 Quadratmeter große Gebäude ist komplett mit Weißtannenholz gebaut worden. Adrian Schmidle ist davon überzeugt, dass Holz das Baumaterial der Zukunft ist, auch wenn diese Bauweise nicht unumstritten ist: "Ich ärgere mich darüber, wenn manchmal - in Anführungszeichen - schon ein grün lackiertes Auto als nachhaltig durchgeht, die Holzbauweise aber kritisiert wird, obwohl sie nicht CO2 produziert, sondern CO2 bis zu 100 Jahre bindet. Fakt ist: In unseren Wäldern wächst mehr nachhaltiges Baumaterial, als wir verwenden können und Fakt ist auch, dass wir Holz schlagen müssen, weil ein sich selbst überlassener Wald viel zu dicht nachwächst, als das die einzelnen Bäume gut gedeihen könnten." Solange er Bürgermeister sei - gerade denkt er über eine dritte Amtszeit nach - werde in Murg auch weiterhin Holz als Baumaterial favorisiert. Etwa für das derzeit in Planung befindliche Feuerwehrhaus.

Die Kita "In der Mühle" wurde bereits als "Baukultur Schwarzwald/Südbaden" ausgezeichnet.

Blackout: In Murg soll Strom gespeichert werden 

Der derzeitigen Energiekrise kann der 51-Jährige durchaus auch eine positive Seite abgewinnen. "Ich habe die Hoffnung, dass jetzt endlich ein Umdenken im großen Stil einsetzt. Ich sehe zum Beispiel Anzeichen dafür, dass auch Unternehmen - die ja oft in kurzen Zeitabständen planen - sich nun auch für Energielösungen interessieren, die eine längere Phase der Amortisierung beinhalten. Aber auch als Kommunen müssen wir uns weiter bewegen. In Murg denken wir derzeit intensiv darüber nach, wie wir Strom zukünftig speichern können. Denn ein Blackout ist durchaus ein Szenario, das so unwahrscheinlich nicht ist."    

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Fotocredits: Gemeinde Murg
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