Hassbriefe gegen Bürgermeister nehmen immer mehr zu

Hassbriefe: Bürgermeister niedergeschlagen

Erst gab es Hassbriefe, dann musste der Bauausschuss unter Polizeischutz stattfinden - jetzt wurde der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Oersdorf bei Bad Seegeberg niedergeschlagen. Trauriger Höhepunkt einer offenen Flüchtlingspolitik im Ort.

UPDATE, 07. Oktober 2016:
Der ehrenamtliche Bürgermeister hat das Krankenhaus inzwischen wieder verlassen. Bleibende Schäden wird er von dem Schädel-Hirn Trauma laut Ärzten nicht behalten. Von dem Täter fehlt weiter jede Spur, offenbar hat die Polizei jedoch DNA-Spuren sichern können.
Am Tag nach dem Angriff ging ein weiterer Drohbrief in der Gemeinde ein - darin heißt es: "Aus Knüppel wird Hammer, aus Hammer wird Axt". Der Bürgermeister und seine Familie stehen unter Polizeischutz. Alle Einzelheiten finden Sie HIER
Hier die Meldung vom 01. Oktober 2016:
Bürgermeister Joachim Kebschull gehört zu denen, die offen auf Flüchtlinge zugehen. Der 61-Jährige ist in Oersdorf Bürgermeister, einer kleinen Gemeinde mit knapp 1000 Einwohnern. Flüchtlinge gibt es hier bisher nicht, jedoch ist seit längerem die Unterbringung einiger Geflüchteter in einem Haus im Ort geplant.
Seit das bekannt ist, gab es zwei Bombendrohungen im Vorfeld der Bauausschussitzung - die Sitzungen fielen aus. Am Donnerstag bekam Bürgermeister Kebschull dann einen anonymen Drohbrief. "Wer nicht hören will, muss fühlen" und dazu der Hinweis "Oersdorf den Oersdorfern". Nicht der erste Brief dieser Art.

Hassbriefe gegen den Bürgermeister von Oersdorf - das Wappen zeigt das beschauliche Dorf - Die sechs Speichen des Rades symbolisieren die sechs auf Oersdorf zulaufenden Wege. Der Baum steht für den Wald, der blaue Balken für die Ohlau.

Auch die Bauausschusssitzung am Donnerstagabend war wieder von der Polizei gesichert. Doch der Bürgermeister parkte sein Auto etwas abseits - dort wurde er unmittelbar vor der Sitzung mit einem Knüppel niedergeschlagen. Der Täter entkam unerkannt. Kebschull verlor das Bewusstsein, liegt nun verletzt im Krankenhaus.

Hassbriefe werden immer häufiger

Was der 61-Jährige und sein Gemeindeparlament in diesen Tagen erleben müssen, ist leider kein Einzelfall. Eine exklusive Umfrage von KOMMUNAL hatte bereits im Sommer ergeben, dass Drohungen, Einschüchterungen und Hassbriefe in Deutschlands Kommunen wegen der Flüchtlingspolitik lange an der Tagesordnung sind. So berichtete ein Bürgermeister davon, dass ihm eine tote Ratte vor seine Wohnungstür gelegt wurde. Ein Landrat hat inzwischen aufgegeben, weil er die Einschüchterungsversuche gegen sich und seine Familie nicht mehr ertrug.
Körperliche Angriffe hingegen waren bis zum Sommer die Ausnahme. Der jüngste Fall aus Schleswig-Holstein zeigt: Die Gewaltbereitschaft nimmt offenbar weiter zu. Die Hasswelle hat die Kommunen leider mit voller Wucht erreicht - die Leidtragenden sind vor allem die vielen Ehrenamtlichen sowie Mitarbeiter in den Kommunen.

Konsequenzen gefordert - Kommunalpolitiker wirksam schützen

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat alarmiert auf den hinterhältigen Angriff reagiert. Er fordert die Innenminister auf, das Thema "Sicherheit in der Kommunalpolitik" auf der nächsten Innenministerkonferenz zu beraten und wirksame Strategien zu entwickeln. Unter anderem fordert der DStGB einen Straftatbestand "Politiker-Stalking" um wirksam schon Bedrohungen etwa in sozialen Netzwerken verfolgen zu können. Zudem brauche es zentrale Ermittlungsstellen in den Ländern, an die sich Kommunalpolitiker bei Bedrohungen wenden können.

„Wenn es uns nicht gelingt, die Menschen zu schützen, die sich vor Ort für die lokale Demokratie und ein funktionierendes Gemeinwohl einsetzen, gefährden wir die demokratische Kultur in unserem Land. Der Vorfall in Oersdorf ist unerträglich und zeigt, was die aufgeheizte Stimmung in unserem Land hervorbringen kann“, so ihr Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg in einer ersten Stellungnahme.
Hier finden Sie die komplette Stellungnahme des DStGB

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