Immer mehr Kommunen sperren ihre Badestellen aus Angst ab
Immer mehr Kommunen sperren ihre Badestellen aus Angst ab

Absicherung vor "Urteilen"

Badestellen: Immer mehr Kommunen sperren sie ab

Ob in Schleswig-Holstein oder in Baden-Württemberg: In ganz Deutschland gibt es in diesen Tagen Gemeinderatsbeschlüsse, die Badestellen im Ort einzuzäunen. Hintergrund sind gleich zwei besorgniserregende Anlässe, über die KOMMUNAL bereits mehrfach berichtet hatte. Zum einen das Urteil gegen einen Bürgermeister wegen fahrlässiger Tötung, zum anderen ein Schreiben zu Haftungsfragen, die der Bundesgerichtshof für kommunale Badestellen aufgeworfen hat.

Der Dörpsee in Schacht-Audorf bietet eine idyllisch gelegene Badestelle. Jeden Sommer kommen viele der rund 4800 Einwohner des Dorfes im Kreis Rendsburg-Eckernförde in Schleswig-Holstein hier her, um zu baden. In diesem Jahr wäre die Badestelle vermutlich besonders beliebt - denn Coronabedingt gelten in Freibädern, so sie überhaupt wieder öffnen dürfen, besondere Regeln und Einlasskontrollen. Doch in diesem Jahr wird am Dörpsee nichts mehr so sein, wie bisher. Die Badestelle am Dörpsee wird eingezäunt. Damit reagierte die Gemeinde in dieser Woche auf Haftungsfragen, die der Bundesgerichtshof für kommunale Badestellen aufgeworfen hat. Demnach muss sichergestellt sein, dass die Badestelle mit Steg nur unter Aufsicht genutzt werden kann. Das heißt auf gut deutsch: Ohne Bademeister kann es für die Gemeindevertreter und insbesondere den Bürgermeister brenzlich werden. KOMMUNAL hatte über die Hintergründe im vergangenen Sommer ausführlich berichtet. Nach langem Streit im Gemeinderat haben sich die Gemeindevertreter jedoch in der jüngsten Sitzung auf die Einzäunung verständigt. 

Badestelle ist bald auch in diversen Kommunen im Süden eingezäunt 

Ganz ähnlich ist die Situation in Frommern, einem Ortsteil von Balingen in Baden-Württemberg am Fuße der Schwäbischen Alb. 4400 Menschen leben hier rund um den Schiefersee. Genau der bereitet Ortsvorsteher Stephan Reuß seit längerem Kopfzerbrechen. Auch er fürchtet, er beziehungsweise die Gemeinde, könnten haftbar gemacht werden, wenn ein Badegast ertrinkt. Und so wird nun auch hier beraten, wie eine Einzäunung aussehen kann und was das für den kleinen See mit Badestelle mitten in einem Wohngebiet bedeutet. 

Nicht weit weg, in Lauterbach im Landkreis Rottweil, einem Ort mit gut 3000 Einwohnern, wurden bereits Fakten geschaffen. Bürgermeister Norbert Swoboda kündigte die Änderungen in der jüngsten Gemeinderatssitzung an. Zur Zeit wird ermittelt, das die Einzäunung von Teichen, Badestellen und künstlich angelegten Wasserflächen kosten wird. Im Schwarzwälder Boten wurde der Bürgermeister in dieser Woche sehr deutlich, als er nach den Gründen gefragt wurde: "Ich muss mich gegen praxisferne, um nicht zu sagen idiotische Urteile" absichern. Gemeint war das Urteil gegen den Bürgermeister der nordhessischen Gemeinde Neukirchen wegen fahrlässiger Tötung von drei Kindern. In dem Fall ertranken drei Kinder aus bis heute nicht genau geklärten Gründen. Ein Schild hatte dort darauf hingewiesen, dass Eltern für ihre Kinder haften. Doch das Gericht meinte, ein solches Schild sei nicht rechtlich bindend. Ein Urteil, das schon andere Gerichte zuvor ähnlich gefällt hatten. Die Richterin ging aber deutlich weiter und meinte, der Bürgermeister hätte persönlich dafür sorgen müssen, dass die Badestelle eingezäunt wird. Das Urteil hat der Bürgermeister zwar angefochten, noch gibt es aber keinen Termin vor der nächsthöheren Instanz. Wörtlich hatte die Richterin gesagt: "Ein Bürgermeister trägt die Verantwortung für seine Bürger". KOMMUNAL hatte den Prozess begleitet und über das Urteil im Februar ausführlich berichtet.

Badestellen - so geht es nun weiter 

In der Praxis prüfen gerade zahlreiche Gemeinden die Sperrung ihrer Badestellen. In mehreren Dutzend Gemeindeparlamenten stehen aktuell Entscheidungen an. Denn um ganz sicher zu gehen, gibt es nur zwei Wege. Entweder Einzäunen oder sicherstellen, dass jederzeit eine Aufsicht vor Ort ist. Letzteres ist entsprechend für Kommunen mit hohen Kosten verbunden und vor allem personell zumeist gar nicht leistbar.