Viele Kommunen stehen dem Thema Bürgerbeteiligung noch skeptisch gegenüber
Viele Kommunen stehen dem Thema Bürgerbeteiligung noch skeptisch gegenüber
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Bürgerbeteiligung: Zwischen Überzeugung, Sekpsis und Widerstand

28. Juni 2018
Wie steht es um die Bürgerbeteiligung in Deutschlands Kommunen? Eine groß angelegte wissenschaftliche Studie hat dazu Daten erhoben. Die Macher der Studie stellen Ihre Ergebnisse im KOMMUNAL-Gastbeitrag exklusiv vor.

Text: Rainer Fauss und Ingo Seeligmüller

Die Studie besteht aus zwei Stufen: Einer quantitativen Online-Befragung und qualitativen telefonischen Tiefeninterviews. Befragt wurden Verwaltungsangestellte und Bürgermeister von 124 deutschen Kommunen mit über 20.000 Einwohnern. Zu einem anschließenden Interview stellten sich Mitarbeiter aus 19 Kommunen zur Verfügung. In den Interviews stuften alle Kommunen die informelle Bürgerbeteiligung als wichtig ein. Dabei wurden drei Aspekte hervorgehoben: Demokratisches Gebot, Qualitätssteigerung und Akzeptanzerhöhung.

Die Tiefeninterviews offenbarten aber auch eine skeptische beziehungsweise vorsichtige Haltung vieler Kommunen. Durch eine erfahrungsgemäß selektive Annahme der Einladungen zur Beteiligung seitens der Bürger komme es zu einer Verzerrung der Interessenvertretung. Außerdem fehlen vielen Bürgern der Überblick und die fachliche Expertise bei komplexen Fragestellungen. Vor allem auf mittlerer Führungs- und Referentenebene herrschte anfänglich die Ansicht vor, man brauche solche Verfahren nicht, da bereits durch gutes Fachpersonal alle relevanten Aspekte abgewogen würden. Zudem wurde häufig die für Beteiligungsverfahren zuständige Person auf der Hierarchiestufe eines Sachbearbeiters angesiedelt, wo das Thema nicht die notwendige Aufmerksamkeit erlange. Doch diese verwaltungsinternen Widerstände sehen manche Interviewpartner als Generationenproblem, da jüngere Kollegen den informellen Beteiligungsverfahren von vornherein meist aufgeschlossener gegenüber stünden. 90% der befragten Kommunen bieten bereits informelle Beteiligungsverfahren an, im Durchschnitt 7,7 pro Jahr. Allerdings ist die Verteilung keinesfalls gleichmäßig.

Bürgerbeteiligung: Große Städte haben Erfahrung

Die Studie bestätigte die naheliegende Vermutung, dass die durchschnittliche Anzahl jährlich durchgeführter Verfahren mit zunehmender Größe ansteigt. So besitzen Städte ab 100.000 Einwohnern bereits ausnahmslos Erfahrungen mit Bürgerbeteiligungen, von denen sie im Durchschnitt 16,7 pro Jahr durchführen, während die kleinen Kommunen mit 20.000 bis 25.000 Einwohnern nur zu 79% eine Beteiligungspraxis haben und im Durchschnitt lediglich 4 Verfahren betreiben. Mit 91% konnten die meisten Kommunen Erfahrungen im Bereich der Stadt- und Regionalentwicklung vorweisen. Es folgten unter den Top 5 die Kinder- und Jugendarbeit, Infrastruktur, öffentlicher Verkehr sowie Bildung und Kultur. Auf die Frage, welches Beteiligungsformat schon einmal genutzt wurde, entfiel der höchste Anteil mit 94% auf die reine Informationsveranstaltung.

Zu den Top 5 gehören des weiteren Workshops, Arbeitskreise, runde Tische und Zukunftswerkstätten. Online-Dialoge belegen nur den achten Platz. Deren zunehmende Nutzung wird von einigen Interviewpartnern kritisch gesehen. So würden insbesondere ältere Menschen tendenziell von der Teilnahme ausgeschlossen. Zudem berichteten viele Interviewpartner, dass die Online-Plattform fast immer von bestimmten, nicht repräsentativen Akteuren „gekapert“ und mit Fake-News stark emotionalisiert werde.

Welche Probleme haben die Kommunen bei der Bürgerbeteiligung?

Fragt man nach den Herausforderungen, welche die Verwaltungen in der neuen Beteiligungskultur sehen, stößt man überall auf dieselben Probleme: Personalmangel und zu wenig Budget. Fast alle Befragten berichten von einem anhaltenden Sparzwang, der zu einer Konzentration auf die gesetzlich unumgänglichen Aufgaben führe. Nur knapp ein Drittel der Kommunen stellt ein eigenes Budget für Beteiligungen. Und nur ein Viertel verfügt bislang über Leitlinien.

Überall stößt man auf dieselben Probleme: Personalmangel und zu wenig Budget.

Ingo Seeligmüller, Geschäftsführer der NeulandQuartierGmbH

Gerade kleinen Kommunen fällt es schwer, für die informelle Bürgerbeteiligung feste Strukturen aufzubauen. Größtenteils müssten sich Mitarbeiter nebenbei darum kümmern, was schnell zur Überlastung führe. Von vielen Kommunen wird aber auch die geringe Teilnahmebereitschaft der Bürger sowie deren fehlendes Durchhaltevermögen bei lang anhaltenden Partizipationsverfahren beklagt. Außerdem beteiligten sich häufig immer nur dieselben, was dem Sinn einer Bürgerbeteiligung zuwider läuft.

Und was ist nun das Fazit?

Im Resümee gewinnt man aus den Ergebnissen der Studie den Eindruck, dass die Weichen für eine weitere Intensivierung der Bürgerbeteiligung gestellt sind, und diese zunehmend zum kommunalpolitischen Alltag gehören. Auch wenn nichts gegen eine effiziente öffentliche Verwaltung spricht, so kann diese offenbar nicht durch einen kategorischen Sparzwang erreicht werden. Die politische Ebene sollte erkannt haben, dass mit informellen Beteiligungsverfahren am Ende nicht nur die Zufriedenheit der Bürger erhöht, sondern auch das Gesamtbudget geschont werden könnte.