Ordnungsamt Corona - Angriffe bei Corona-Kontrollen
Ordnungsamtsmitarbeiter und Polizei werden bei Corona-Kontrollen vielfach attackiert.
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EM, illegale Partys, Feiern

Ordnungskräfte schlagen Alarm

Ordnungskräfte werden immer häufiger bei Kontrollen angegriffen. Jetzt stehen für sie herausfordernde Wochen während der Fußball-Weltmeisterschaft an. Was Vertreter der kommunalen Ordnungsamtsmitarbeiter und der Polizei beklagen und wie ihr Appell lautet.
Aktualisiert am 13. Juni 2021

Die Corona-Auflagen sind gelockert, jetzt haben die Ordnungskräfte aber nicht weniger zu tun. Im Gegenteil: Appelle bleiben vielfach ungehört. "Aber übertreibt´s nicht!" hatte etwa Ministerpräsident Markus Söder die Bayern gebeten, als er die Lockerungen wegen gesunkener Infektionszahlen verkündete. In München feierten  nachts rund 500 Menschen in der Maxvorstadt. Einige Angetrunkene schlugen auf den Streifenwagen ein, andere versuchten, die Fahrbahn zu blockieren. In den nächsten Wochen mit weitreichenden Lockerungen und der Fußball- WM 2021 steht den Ordnungskräften deutschlandweit bei Corona-Kontrollen wieder Ungemach ins Haus. Kommunale Ordnungskräfte und Polizei müssen bei Corona-Kontrollen mit erneuten Angriffen rechnen.

Angriffe gegen Ordnungskräfte bei Corona-Kontrollen

Quer durch die Republik wurden in den vergangenen Tagen wieder massive Verstöße gegen die Corona-Regeln und Attacken gegen Polizei und Ordnungsamtsmitarbeiter gemeldet. Bei einem Schwergewichts-Boxkampf war es in Magdeburg zu einer Prügelei unter den Zuschauern gekommen. Mehrere Menschen wurden leicht verletzt, darunter auch Mitarbeiter des Ordnungsdienstes. In Heidelberg biss ein 30-Jähriger bei der Kontrolle einer Polizistin in den Finger.

Polizei warnt vor weiteren Eskalationen und Angriffen

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens, warnt vor weiteren Eskalationen. "Wir appellieren an Alle: Bringt die notwendige Restgeduld bei den Beschränkungen in der Corona-Pandemie auf. Genießt das schöne Wetter, aber haltet Euch an die Corona-Regeln." Die meisten Menschen, so Mertens, hätten sich in der Pandemie sehr diszipliniert verhalten. "Leider gibt es aber auch die anderen, denen es nicht schnell genug geht, zur Normalität zurückzukehren." Gerade in den Ballungszentren komme es immer wieder zu schweren Konflikten, bei denen die Ordnungskräfte attackiert werden, betonte Mertens, der auch GdP-Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen ist. "Die Zündschnur ist bei manchen Menschen kürzer geworden", sagte Mertens zu KOMMUNAL. "Sie reagieren besonders aggressiv, vor allem, wenn Alkohol im Spiel ist." Doch nicht nur in den großen Städten kommt es bei Kontrollen immer wieder zu Angriffen gegen Ordnungskräfte.

Die Zündschnur ist bei manchen Menschen kürzer geworden. Sie reagieren besonders aggressiv, vor allem, wenn Alkohol im Spiel ist."

Michael Mertens, Vize-Bundeschef der Gewerkschaft der Polizei
 

"Die Anfeindungen haben massiv zugenommen", sagt Andreas Hemsing, Vorsitzender der Gewerkschaft Komba zu KOMMUNAL. "Zum Glück sind körperliche Übergriffe noch die Ausnahme. Es ist allerdings trauriger Alltag geworden, dass beispielsweise Einsatz- und Ordnungsdienstkräfte angepöbelt, bespuckt und beleidigt werden." Die Respektlosigkeit in der Gesellschaft nehme zu, beklagt Hemsing. "Das sorgt für eine hohe Frustration und führt bei vielen Beschäftigten zu Angst. "Wir haben Kolleginnen und Kollegen, die sich deshalb krankmelden und teilweise in psychologischer Behandlung sind. Die Folgen sind mitunter lang anhaltende Arbeitsausfälle".

Es ist trauriger Alltag geworden, dass beispielsweise Einsatz- und Ordnungsdienstkräfte angepöbelt, bespuckt und beleidigt werden."

Andreas Hemsing, Vorsitzender der Gewerkschaft Komba

Es sei inakzeptabel, dass Kolleginnen und Kollegen in Ausübung von Tätigkeiten von Bürgerinnen und Bürgern attackiert werden, kritisiert der Komba-Gewerkschaftschef.  Seine Forderung: "Politik, Verbände, Gewerkschaften, aber auch Ausbildungseinrichtungen und Schulen müssen intensiv darauf hinwirken, dass der Respekt zurückkehrt und Werte wieder gelebt werden. In jedem einzelnen Fall muss ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung gelten."

KOMMUNAL-Umfrage: Gewalt gegen Amtsträger und Mitarbeiter steigt

Nach einer KOMMUNAL-Umfrage im Auftrag des ARD-Politmagazins Report aus München sind bereits in jeder fünften Stadt und Gemeinde in Deutschland Mitarbeiter oder Amtsträger Opfer körperlicher Gewalt im Amt geworden. Die Gewaltattacken haben sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. Im Jahr 2019 gaben bei einer gleichen KOMMUNAL-Erhebung neun Prozent aller Kommunen an, dass Bürgermeister, Mitarbeiter oder Gemeinderäte angegriffen wurden, jetzt sind es alarmierende 20 Prozent. Ähnlich wie damals sind Bürgermeisterinnen und Bürgermeister besonders häufig betroffen.

"Neun Prozent der gut 11.000 Stadtoberhäupter in Deutschland hat Gewalt bereits am eigenen Leib erfahren müssen", erläuterte KOMMUNAL-Chefredakteur Christian Erhardt die erschreckenden Ergebnisse. Immer wieder werden werden aber auch Stadt- und Gemeinderäte sowie Verwaltungsmitarbeiter von Bürgern körperlich angegriffen. "Selbst in kleinen Gemeinden liegt dieser Wert bei 8 Prozent, in Großstädten sogar bei 32 Prozent", erläutert der Chefredakteur. Jeder zweite betroffene Bürgermeister wurde demnach bereits mehrfach angegriffen.

Auch im persönlichen Gespräch rasten immer mehr Bürger aus. In Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern haben fast 80 Prozent der Mitarbeiter solche Situationen schon erleben müssen."

KOMMUNAL-Chefredakteur Christian Erhardt

"Sieben von zehn Kommunen haben zudem mit persönlichen Beleidigungen und verbalen Drohungen gegen Bürgermeister und Mitarbeiter zu kämpfen", sagte Erhardt. Hinzu kämen Hassmails, Beschimpfungen in sozialen Medien und Briefe mit konkreten Drohungen. "Auch im persönlichen Gespräch rasten immer mehr Bürger aus. In Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern haben fast 80 Prozent der Mitarbeiter solche Situationen schon erleben müssen", so der KOMMUNAL-Chefredakteur. Aber selbst in kleinen Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern liege dieser Wert bei 58 Prozent.

KOMMUNAL hatte mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa in der Zeit vom 19. Februar bis zum 2. März  2494 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Deutschland befragt.