Coronavirus
Das „Dortmunder U“ – Wahrzeichen der Stadt. Die Botschaft „Abstand Halten“ ist weit sichtbar.
© Adolf Winkelmann

Kampf gegen Covid-19

Coronavirus: So klappt ein Pandemieplan

Wenn Wirklichkeit auf Plan trifft: Dortmund hat einen Pandemieplan für den Notfall erstellt. Er wurde mit 1,5 Millionen Euro gefördert. Was davon im Kampf gegen das Corona-Virus übrig beibt - und was andere Kommunen daraus lernen können.

Die Stimmung ist angespannt, als der Krisenstab der Stadt Dortmund das erste Mal tagt. Im großen Sitzungssaal des Rathauses trifft sich eine große Runde: etwa 50 Männer und Frauen aus der Verwaltung, der Feuerwehr, den Versorgungsbetrieben und den Kliniken kommen zusammen. Es ist der 27. Februar, 11 Uhr.

Pandemieplan für 1,5 Millionen Euro

An jenem Donnerstag hat Dortmund noch keinen einzigen bestätigten Covid-19-Fall. Doch die Stadt will früh dran sein – und das kann sie auch. Sie ist bestens vorbereitet:  Mit einem Pandemieplan,  erarbeitet vom Institut für Feuerwehr- und Rettungstechnologie. 1,5 Millionen Euro hat das Bundesforschungsministerium für das Projekt GenoPlan bereitgestellt. Von den Erfahrungen Dortmunds sollen bundesweit andere Kommunen profitieren, so die Hoffnung.

Corona-Virus statt Influenza

Acht Jahre hat es gedauert bis zum ersten Praxistest.  KOMMUNAL will wissen: Was haben die 58 Seiten im Kampf gegen die weitere Ausbreitung des Corona-Virus der größten Stadt im Ruhrgebiet im Praxistest tatsächlich bislang gebracht? „Der Plan ist in der Corona-Krise eine prima Grundlage für unsere Arbeit“, sagt die Leiterin des Krisenstabes, Birgit Zoerner. „An sehr vielen Stellen gehen wir danach vor.“ Alles aber lässt sich dann doch nicht übertragen. Das beginnt schon damit, dass der seit 2012 vorliegende Pandemieplan von einer Influenzapandemie ausgegangen war.

Corona-Viren gab es damals zwar schon, doch niemand hätte sich damals vorstellen können, dass sie für die Menschen rund um den Erdball gefährlich werden könnten. „Wir mussten den Leitfaden daher an mehreren Stellen überarbeiten“, sagt die Krisenstableiterin.

Erfahrungen in Flüchtlingskrise gesammelt

Birgit Zoerner ist Dezernentin für Arbeit, Gesundheit und Soziales und hat in der 600.000-Einwohner-Stadt auch ohne Corona genügend Aufgaben, um die sie sich kümmern muss. Als Oberbürgermeister Ullrich Sierau die 59-Jährige an die Spitze des Krisenstabs berief, baute er auf eine Frau mit Erfahrung: Denn dies ist bereits ihr zweiter großer Krisenstab-Einsatz. 2015/2016 bekam Dortmund über 7.000 Flüchtlinge zugewiesen, sie sollten alle untergebracht und betreut werden. „Die Entscheidungen mussten damals in einer unglaublichen Geschwindigkeit getroffen werden“, erinnert sich die Sozialdezernentin.

Dortmunds Sozialdezernentin empfiehlt frühen Krisenstab

Von diesen Herausforderungen hat Birgit Zoerner stark profitiert. Sie rät anderen Kommunen: „Ein Krisenstab bietet die beste Struktur, um in komplexen Lagen zielgerichtet und zeitnah erfolgreich zu arbeiten“.  So setzt Dortmund auch bei „kleinen Lagen“ ein solches Gremium ein.  Dortmund war auch die erste Stadt in Nordrhein-Westfalen, die diese Struktur in der Corona-Krise hochgefahren hat. „Noch deutlich vor dem ersten nachgewiesenen Covid-19-Fall in Dortmund“, wie die Krisenmanagerin betont.

Arbeitsgruppen als Grundlage für Entscheidungen

Anderthalb Stunden berät der Krisenstab beim ersten Treffen mit den städtischen Kliniken. Schon damals ist die wesentliche Frage: Hat Dortmund genügend Klinikbetten, wenn immer mehr Menschen an Corona erkranken? Wie sieht es mit den Intensivbetten aus? Reichen die Beatmungsplätze aus? Inzwischen gibt es für die Krankenhaus-Koordinierung eine eigene Arbeitsgruppe, sie ist eine von zwölf, dazu kommen diverse Untergruppen. All diese Gremien bilden die Grundlage dafür, dass die Leitung fundierte Entscheidungen treffen kann.

Dortmund plant 1800 zusätzliche Krankenhausbetten

Und es sind zahlreiche Entscheidungen zu fällen: Dortmund plant schließlich schrittweise 1.800 zusätzliche Krankenhausbetten und 200 weitere Beatmungsplätze für Corona-Patienten. Verschiebbare Operationen werden rasch runtergefahren. Die Beatmungsgeräte aus den OP-Sälen stehen so für weitere Betten zur Verfügung. Von Anfang an setzt Dortmund stark auf Corona-Tests und schafft dafür die Kapazitäten.  Das Zwischenfazit der Verantwortlichen: Bisher funktionieren Notversorgung und Unterbringung der Corona-Patienten gut.

Corona-News-Ticker auf Homepage der Stadt

Als Ziele nennt der Pandemieplan die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, die Erkrankungs- und Sterberaten zu minimieren und die Infrastruktur sowie Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten.  Wichtig auch ein zuverlässiges Informationsmanagement der Kommune. Auf ihrer Homepage hält die Stadtverwaltung die Bürger deshalb mit einem Corona-News-Ticker auf dem Laufenden, die interne Kommunikation läuft wie bei allen Kommunen stärker als sonst über digitale Wege. Denn viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind im Homeoffice.  

Desinfektionsmittel sind knapp

Worin unterscheidet sich die Praxis besonders deutlich von der Theorie? Ein Beispiel: Laut Pandemieplan sollten für jeden Beschäftigen in der größten Risikogruppe, also Ärztinnen und Ärzte oder Pflegekräfte, 300 Mund-Nasen-Schutz-Masken für acht Wochen zur Verfügung stehen, dazu 2 Liter Händedesinfektionsmittel und 2 Liter Flächendesinfektion. Aber in der Realität gibt es deutschlandweit Engpässe.

Matthias Gahlen, Geschäftsführer des Krisenstabs, sagt: „Wir sind dennoch gut klargekommen. Von einer riesigen Vorratshaltung halte ich wenig, wegen der Ablaufdaten.“ Wichtig sei dagegen ein gutes Einkaufsmanagement. Gahlen ist Branddirektor und seit 44 Jahren bei der Feuerwehr. Er zieht ein positives Zwischenfazit: „Alle Beteiligten arbeiten sehr lösungsbezogen zusammen.“

Ständig neue Corona-Erlasse

Krisenmanagement kennt keinen Acht-Stunden-Tag. „Ich hatte über Wochen kein freies Wochenende“, erzählt Krisenstabsleiterin Birgit Zoerner.  Ständig neue Erlasse müssen umgesetzt werden – ob es um die Ausweitung der Kindernotbetreuung geht oder um die Corona-Aufnahmeverordnung.

Beklagen will sie sich aber nicht. Sie mache den Job gern, betont sie. Auch wenn mal was nicht so gut läuft. So wie letztens. An einem Sonnabend wurde überraschend eine Lieferung von Schutzmasken und Schutzanzügen angekündigt. „Wir bereiteten umgehend alles vor, standen parat, doch nichts tat sich.“

Später stellte sich heraus:  ein Kommunikationsfehler. Die Schutzausrüstung kam dann eine Woche später. Fazit: Ein guter Plan ist wichtig, in der Krise zählt dann aber Flexibilität.