Rheinsberg im Landkreis Ostprignitz-Ruppin ist auch in Zeiten des Coronavirus ein beliebtes Ausflugsziel
Rheinsberg im Landkreis Ostprignitz-Ruppin ist auch in Zeiten des Coronavirus ein beliebtes Ausflugsziel

KOMMUNAL-Blitzumfrage

Coronavirus: Streit um Regeln zum Zweitwohnsitz

In der Corona-Krise schottete sich der Landkreis Ostprignitz-Ruppin in Brandenburg ab. Er verweigerte sogar vorübergehende Kurzaufenthalte. Das Gericht hat ihm dies inzwischen untersagt. Aus der bei Touristen beliebten Uckermark waren ebenfalls Forderungen gekommen, sich abzuschotten. Aus Angst, dass Tausende Berliner mit Zweitwohnsitz das Virus verbreiten, Intensivbetten und Beatmungsplätze nicht ausreichen. KOMMUNAL hat in den Bundesländern nachgefragt, wie – und auf welcher Grundlage – sie verfahren.
Aktualisierung: 06.05.2020

Die vom Bund und den Ländern verschärften Regelungen im Kampf gegen das Coronavirus schlagen sich in Verordnungen und Allgemeinverfügungen nieder - und fallen recht unterschiedlich aus. Landkreise können ergänzend zu den Rechtsverordnungen des Landes ergänzende Allgemeinverfügungen erlassen. Mit einer solchen Verfügung auf Basis des Infektionsschutzgesetzes wollte sich der Landkreis mit touristischen Highlights wie Rheinsberg - über die Landesvorschriften hinaus - eigene, strengere Regeln schaffen.

Oberverwaltungsgericht kippt Einreiseverbot

So waren laut bisheriger Regelung in Ostprignitz-Ruppin vorerst bis 19. April alle touristischen Reisen aus privatem Anlass verboten - in Datschen, Bungalows, Häuser, Wohnungen und mit Wohnmobilen zum Campen oder per Boot. Reisende, die bereits in Ostprignitz-Ruppin sind, mussten spätestens bis zum 28. März abreisen. Vermeidbare oder aufschiebbare Reisen in den Landkreis zur medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation wurden untersagt.

Bund und Länder haben am 30. April inzwischen zwar Lockerungen beschlossen, doch Kontaktbeschränkungen und Abstandsregelungen bleiben in allen Bundesländern. Sie gelten nun weiter bis 5. Juni.

Zwei Berliner haben vor dem Verwaltungsgericht Potsdam erreicht, dass sie trotz der in Ostprignitz-Ruppin beschlossenen Regelung zu ihrem Zweitwohnsitz in Ostprignitz-Ruppin reisen dürfen. Der Landkreis legte dagegen Beschwerde ein. Nun hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg diese abgewiesen. Das Gericht geht davon aus, dass die Anordnung der Kreisverwaltung voraussichtlich rechtswidrig ist. Die vom Brandenburger Gesundheitsministerium erlassenen Regelungen zur Eindämmung des Corona-Virus böten grundsätzlich keinen Raum für die Ergänzung durch einen einzelnen Landkreis, so das Gericht. Wie die Märkische Allgemeine Zeitung berichtet, kündigte der Landrat an, das Verbot am Karfeitag aufheben zu wollen, was dann auch erfolgt ist.

Uckermark wegen Coronavirus abriegeln -  "Berliner bleibt zu Hause"

In der brandenburgischen Uckermark, in der Tausende Berliner Wochenendgrundstücke, Häuser oder Wohnungen haben, wächst ebenfalls die Sorge, die Hauptstädter könnten das Corona-Virus in die Dörfer bringen – und die medizinische Versorgung bricht zusammen. 

Henryk  Wichmann, Sozialdezernent in der Kreisverwaltung in Prenzlau, sagte zu KOMMUNAL: „Wir appellieren an die Berliner: Bleibt zu Hause.“  In der Uckermark lebten besonders viele alte Menschen, die Krankenhäuer verfügen über beschränkte Kapazitäten. Wichmann erwartet aber auch vom Land Brandenburg, dass es zusammen mit Berlin die medizinische Versorgung von Corona-Schwer-Erkrankten sicherstellt. In der weitläufigen Uckermark gibt es in den Kliniken derzeit 57 Intensivplätze, davon sind 25 Beatmungsplätze. Pro 100.000 Einwohner bedeutet das 6,8 Intensivbetten. Das Brandenburger Gesundheitsministerium will aufgrund von Corona landesweit die Zahl der Beatmungsplätze etwa verdoppeln- auf rund 1000.

Ein Sprecher des Brandenburger Innenministeriums stellt auf KOMMUNAL- Anfrage klar: „Wer ein Ferienhaus oder eine Ferienwohnung in Brandenburg besitzt, darf diese selbstverständlich auch für sich selbst nutzen.

Allerdings gelte auch für diese Besitzer bei ihrem Aufenthalt in Brandenburg die dort verhängte Kontaktsperre.  Vorerst bis einschließlich  5. April dürfen Brandenburger draußen nur noch allein oder höchstens mit Angehörigen aus dem eigenen Haushalt oder mit einer anderen Person bei 1,5 Meter Abstands unterwegs sein. 

Wichtig: Das Ferienhaus oder die Ferienwohnung darf nicht an Freunde, Verwandte oder Kollegen vermietet oder zur Verfügung gestellt werden. In der Brandenburger Eindämmungsordnung ist klar geregelt, dass nur notwendige Übernachtungen erlaubt sind, keine touristische. Wer dagegen verstößt, muss mit Strafen rechnen, da er gegen das Infektionsschutzgesetz verstößt. Denn Übernachtungsangebote gelten immer noch nicht für Touristen. Ausgenommen sind Dauercamper, die in Brandenburg ihren Erstwohnsitz haben.

Nach dem Infektionsschutzgesetz können bei Verstößen gegen die Einschränkungen Bußgelder bis zu 25 000 Euro sowie Geld- und Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren drohen. Als Straftat wird nach dem Gesetz beispielsweise bewertet, wenn gegen Quarantäne-Anordnungen verstoßen wird. Ein eigener Bußgeldkatalog wie in Nordrhein-Westfalen erlassen hat, ist in Brandenburg bislang nicht vorhanden.

Lässt Berlin die Städter aber überhaupt noch nach Brandenburg? „Es gibt in der geltenden Verordnung kein Verbot, die Stadt zu verlassen oder sie nicht wieder zu betreten“, teilte Martin Pallgen, der Sprecher der Innensenatsverwaltung KOMMUNAL auf Anfrage mit. Dies wäre auch unrealistisch mit Blick auf die vielen Pendler, so der Sprecher.

Tobias Schween, Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung in Lychen, fordert gegenüber KOMMUNAL: „Die Uckermark muss sich in der Corona-Krise jetzt auch abschotten.“  Er wandte sich damit bereits an die Landrätin. Wenn uns schon die Landesregierung nicht schützt, dann sollte jetzt der Landkreis dafür sorgen.“

 Sein Blick geht nach Mecklenburg-Vorpommern. Das Land weist dort alle Touristen zurück, Deutsche mit einem Zweitwohnsitz wurden zur Abreise aufgefordert, sofern sie nicht in dem Bundesland arbeiten. Inzwischen ist aber entschieden: Ab 1. Mai dürfen Besitzer von Zweitwohnungen wieder einreisen. Dauercamper dürfen zurück, aber nur dann, wenn sie ihren Hauptwohnsitz in Mecklenburg-Vorpommern haben. Vom 9. Mai an dürfen Restaurants wieder öffnen, wenn sie die Hygieneregeln einhalten. Ab dem 18. Mai öffnen die Hotels wieder. IZuerst so der derzeitige Plan, können Gäste aus dem eigenen Bundesland dort übernachten, eine Woche später dann auch Urlauber aus anderen Bundesländern.

In Schleswig-Holstein durften Besitzer von Zweitwohnungen dann doch bleiben, allerdings nach der Abreise vorerst nicht wiederkommen – und ohne triftigen Grund nicht mehr neu einreisen. Zweitwohnungsbesitzer auf den Inseln und Halligen mussten abreisen. Die Kreise des Landes haben teilweise eigene Regelungen getroffen.

Ministerpräsident Daniel Günther wollte Zweitwohnbesitzer mittlerweile nicht länger aussperren, doch einige Landkreise wollen bei den Lockerungen nicht mitmachen. Seit 4. Mai dürfen Zweitwohnbesitzer mit ihren Familien wieder ihre Ferienwohnungen auf Sylt nutzen. An Dritte dürfen sie aber nicht vermieten. Falls bei ihnen eine Infektion mit dem Coronavirus festgestellt wird, müssen sie an ihren Hauptwohnort zurückkehren. Ab 18. Mai dürfen sogar Touristen wieder nach Schleswig-Holstein reisen. Auch mit Wohnmobilen.

Bayern untersagt Fahrten zum Zweitwohnsitz nicht explizit

In  Bayern sind im Unterschied zu Mecklenburg-Vorpommern touristische Reisen aus privatem Anlass nicht explizit untersagt. „Es gelten die strengen Regularien der Ausgangsbeschränkung sowie der Allgemeinverfügung zu Veranstaltungsverboten und Betriebsuntersagungen“, sagte ein Sprecher des Bayerischen Innenministeriums zu KOMMUNAL. Entsprechend auch für Zweitwohnsitze. Bloße Fahrten zum Zweitwohnsitz ohne triftigen Grund sollen nicht stattfinden. 

Kontrollen wie beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern waren vom zuständigen Gesundheitsministerium nicht geplant.

Niedersachsen verbietet Pendeln zwischen Erst- und Zweitwohnsitz

 In Niedersachsen ist der Reiseverkehr laut Allgemeinverfügung unbedingt zu unterlassen. Wer sich schon in seiner Zweitwohnung aufhält, kann dort bleiben. Ziel sei es aber, soziale Kontakte auf ein Minimum zu begrenzen. Dies werde durch einen ständigen Ortswechsel nicht erreicht. Das Bewohnen einer Zweitwohnung sei erlaubt, nicht aber das Pendeln zwischen Erst- und Zweitwohnsitz.  Gegebenenfalls werden Polizei und Ordnungskräfte nachfragen und gezielte Ansprachen durchführen, so das Niedersächsische Sozial- und Gesundheitsministerium auf Anfrage.

Das Land Hessen führt im Zusammenhang mit der Corona-Krise keine polizeilichen Kontrollen an den Grenzen des Bundeslandes ein. Seit 23. März gilt in Hessen ein Kontaktverbot. Demnach dürfen sich (Stand April) nur noch Gruppen von maximal zwei Personen gemeinsam in der Öffentlichkeit aufhalten. Ausnahme: Nur wenn die Personen zu einem gemeinsamen Hausstand zählen.

Hessen erarbeitet Corona-Bußgeldkatalog

„Bei der Durchsetzung der Vorgaben durch die Corona-Verordnungen setzt die Polizei nach wie vor auf einen kommunikativen Ansatz“, so das Innenministerium. Verstöße könnten durch die zuständigen Gesundheitsämter und Ordnungsbehörden mit Bußgeldern geahndet werden. Die Höhe des Bußgeldes hänge vom konkreten Einzelfall ab. Ein Bußgeldkatalog zum Infektionsschutzgesetzes werde derzeit erarbeitet. 

 Im Saarland untersagt die Allgemeinverfügung vom 25. März die Übernachtung zu touristischen Zwecken. Den Aufenthalt im Saarland, sofern er aus triftigen Gründen im Sinne der Allgemeinverfügung geschieht, verbieten die Regelungen nicht. An der Grenze zu Frankreich und Luxemburg kontrolliert die Bundespolizei auf triftige Gründe, die Grenze zu passieren. Dies kann zum Beispiel auf die zahlreichen Grenzpendler zutreffen, die zur Arbeit müssen. Touristische Ausflüge und Reisen gelten nicht als triftiger Grund. Ein Bußgeldkatalog bei Verstößen gegen die Ausgangsbeschränkungen ist inzwischen beschlossen.

Sachsen-Anhalt lässt Zweitwohnungsbesitzer weiterhin zu ihren Wohnungen. Allerdings sind auch Tagesausflüge aus touristischem Anlass untersagt. Reisen aus familiären, gewerblichen und beruflichen Gründen bleiben erlaubt.

In Nordrein-Westfalen, das nun beim Kontaktverbot hart durchgreift und bereits einen eigenen Bußgeldkatalog erlassen hat, finden derzeit weder an den Staatsgrenzen zu Holland und Belgien noch zu anderen Bundesländern Kontrollen statt. Einzuhalten ist das Kontaktverbot. Gemäß Erlass darf keine Übernachtung zu touristischen Zwecken stattfinden. Zweitwohnungsinhaber dürfen bislang aber anreisen. 

Die Bundesländer und Landkreise verfahren also auch beim Umgang mit dem Zweitwohnsitz sehr unterschiedlich. Und es wird noch viele Anpassungen und Änderungen im Laufe der Corona-Krise geben.