Energieautarke Gemeinde Ascha

Die energieautarke Gemeinde

Ascha in Bayern – eine Gemeinde mit 2.000 Einwohnern ist deutschlandweit Vorreiter beim Thema Klimaschutz. Aus Überzeugung. KOMMUNAL vor Ort.

Weiche Hügel, sanfte Täler, wenig Bebauung und viel Natur: Die kleine Gemeinde Ascha im niederbayerischen Landkreis Straubing-Bogen liegt fern der großen Zentren und Industrieareale. „Leben wo andere Urlaub machen“ lautet dementsprechend auch der Werbeslogan der Kommune auf ihrer Webseite. Wer sich jedoch aufmacht in die Idylle der Provinz, dem fallen bald ungewohnte Dinge ins Auge: Er fährt vorbei an einem Photovoltaik-Großfeld und einem Biomasseheizkraftwerk, begegnet Elektrorollern und stößt auf ausgefallene Straßenleuchten.

Ascha

Das gerade einmal 2.000-Einwohner-starke Ascha ist deutschlandweit ein Vorzeigeort. Wenn Klimapolitik eine Breitenwirkung haben soll, dann sind es vor allem die Kommunen, die bei der Umsetzung ihrer Leitlinien eine ganz entscheidende Rolle spielen. In Ascha lässt sich beobachten, wie das gelingen kann. Auslöser für das besondere Engagement der Gemeinde war eine Schlüsselerfahrung Anfang der 1990er Jahre. Damals plante der Abfallzweckverband den Bau einer Mülldeponie auf Gemeindegebiet. Die Einwohner waren empört und kämpften gemeinsam gegen das Planfeststellungsverfahren. Mit Erfolg: Nach einigen Jahren geschlossenen Widerstands der Dorfgemeinschaft wurde das Projekt eingestellt. „Damals haben wir erkannt: Man kann gemeinsam etwas bewirken“, so Wolfgang Zirngibl, der schon damals als Bürgermeister im Amt war und bekannt für scheinbar verrückte Ideen.

Wir hatten den ersten Wertstoffhof im ganzen Landkreis. Das war damals eine Sensation. Aber nur wenig später hat das Wellen geschlagen.

Wolfgang Zirngibl, Bürgermeister von Ascha

Im Jahr 1993/94 wurde unweit des Gemeindezentrums ein Biomasseheizkraftwerk erbaut, das von der Nahwärme Ascha GmbH betrieben wird, einem Zusammenschluss von sechs ortsansässigen Landwirten und der Gemeinde. 2011 wurde die Anlage saniert und bis heute ist die Nahwärmeversorgung auf Hackschnitzelbasis ein wichtiger Aspekt der Energieversorgung in Ascha. Mit den Jahren folgten weitere wegweisende Projekte: So wurde im Ortsteil Au der Gemeinde Ascha zum Beispiel eine 2,5 Hektar große Freiland-Photovoltaikanlage errichtet. Außerdem wurde das Projekt „Bürgersolarkraftwerk Mehrzweckhalle“ gestartet. Nach der erfolgreichen Errichtung gemeindeeigener Photovoltaikanlagen auf dem Rathaus- und dem Schuldach wurde den Bürgern nun die Dachfläche der gemeindeeigenen Mehrzweckhalle zur Verfügung gestellt, um dort als Eigentümer in eine Photovoltaikanlage investieren und von den Steuervergünstigungen profitieren zu können. Dass sich Energiesparen lohnt, wurde auch in den Neubausiedlungen der Gemeinde gezeigt: So wurde etwa für das Ökobaugebiet Deglholz in Ascha ein eigenes Bonussystem entwickelt, das freiwillige Maßnahmen der Bauherren wie beispielsweise den Einbau von Wärmeschutzfenstern oder eine geringe Bodenversiegelung mit bestimmten Fördersummen belohnt.

Stromsparwettbewerb soll Bürger motivieren mitzumachen

Ein beliebtes Projekt ist auch ein Stromsparwettbewerb, bei dem die Gemeinde alle zwei Jahre 1.000 Euro zur Verfügung stellt, um jene Bürger zu belohnen, die besonders viel Strom einsparen. „Es geht immer auch um den Geldbeutel. Aber daraus entsteht auch eine Überzeugung“, sagt Zirngibl. Deshalb wurde in Ascha der Kauf von klimafreundlichen Kühlschränken und Heizungspumpen ebenso bezuschusst wie der von Elektrorollern. Für die Gemeinde bedeutete das erst einmal einen finanziellen Verlust. Der Gewinn aber zeigte sich auf ganz anderer Ebene: „Wichtig ist, dass jeder Bürger bei sich zuhause merkt, dass er etwas hat vom Klimaschutz. Das löst eine Kettenwirkung aus. Während der einzelne Bürger mitunter direkt eine Ersparnis auf seinem Konto vermerken kann, ist die kommunale Finanzplanung auf dem Weg zur Nachhaltigkeit komplexer. Umso wichtiger waren und sind die zahlreichen Förderprogramme, die kommunale Projekte im Bereich Klimaschutz unterstützen. „Für uns rechnet sich das Engagement auf jeden Fall ideell und zum großen Teil auch finanziell“, sagt Zirngibl. Das Engagement für eine bessere Umwelt bringe aber noch einen anderen Mehrwert für die gesamte Kommune. „Die Leute sind sehr stolz darauf, aus Ascha zu kommen und die Identifizierung mit unserem Ort ist immens“, so Zirngibl.

Arbeitskreise beziehen engagierte Bürger in Entscheidungen ein

Um die Bürger vor Ort aktiv mit in die Gemeindeentwicklungen einzubeziehen, hat sich in Ascha eine besondere Struktur herausgebildet. Dabei werden die wenigsten Entscheidungen ohne Einbindung der Bürger im Gemeinderat gefällt. Stattdessen gibt es verschiedene Arbeitskreise und Interessensgemeinschaften, in denen engagierte Bürger aktuelle Themen des Gemeindelebens diskutieren. Kristallisieren sich hier konkrete Ideen heraus, kommen diese in eine Steuerungsgruppe, an der bereits der Bürgermeister teilnimmt und in der die Vorschläge gesichtet werden. Jene Projekte, die realisierbar erscheinen, gehen zur Verfeinerung zurück in die Arbeitsgruppen und erst dann berät der Gemeinderat über die Durchführung. „Mach aus den Betroffenen Beteiligte“ – das ist für Wolfgang Zirngibl der Leitspruch seiner Arbeit. Die Einbindung der Bürger beginnt hierbei schon im Kleinkindalter. Erst kürzlich wurde im Kindergarten ein Tag ohne Strom durchgeführt, um den Kindern vor Augen zu führen, wie Elektrizität das Leben bestimmt. In der Schule wiederum gibt es in jeder Klasse einen Lüftungs- und einen Schalterbeauftragten. Allen basisdemokratischen Strukturen zum Trotz ist freilich auch der Weg in Ascha nicht frei von Konflikten und mitunter hatte Bürgermeister Zirngibl schwer zu kämpfen. So löste die Planung einer zweiten Biogasanlage einen regelrechten Proteststurm samt Unterschriftenaktion aus, der erst durch langwierige Gespräche und viel Durchhaltewillen besänftigt werden konnte. Wichtig sei eine klare Linie und allem voran eine ehrliche Kommunikation. „Man muss den Bürgern reinen Wein einschenken. Nur dann vertrauen sie einem auch“.

Nahwärme Ascha
Nahwärme Ascha

Längst begeistert die Gemeinde mit ihrer Arbeit auch weit über ihre Grenzen hinaus und erst vor eineinhalb Jahren wurde Bürgermeister Wolfgang Zirngibl auf eine Konferenz nach Japan eingeladen, um von seinen Erfahrungen in Ascha zu berichten. Die Größe der Gemeinde spielt aus der Sicht von Zirngibl bei einer erfolgreichen Umsetzung von klimafreundlicher Politik überhaupt keine Rolle. Viel entscheidender ist für ihn: „Letztlich muss Klimaschutz Spaß machen“. Autoritäre Anweisungen und Druck von oben bringen seiner Erfahrung nach gar nichts, vielmehr müsse der einzelne Bürger die Vorteile in seinem Leben spüren. Klar ist auch: Wenn es um Klimaschutz und nachhaltige Stärkung der Umwelt geht, ist das kein abgeschlossenes Projekt. „Das ist nicht in ein, zwei Jahren machbar und man sollte als Gemeinde nichts überstürzen. Es ist viel wichtiger, kleine Schritte zu machen, aber dafür einen klaren Weg zu gehen“, so Zirngibl. Blickt der umtriebige Bürgermeister von Ascha heute auf die vergangenen Jahrzehnte unermüdlicher Arbeit zurück, so bleibt für ihn die Erkenntnis: „Man muss sich einfach trauen und keine Angst haben. Am Anfang haben alle gesagt, wir spinnen. Doch es funktioniert.“