Eltern-Talk
Vertrauensvoller Austausch über Erziehungsfragen beim Format ELTERNTALK.
© Aktion Jugendschutz Landesarbeitsstelle Bayern e.V.

Gesprächsrunden

Eltern-Talk - das können Kommunen bieten

Attraktiv sein für junge Familien – ein Ziel, das sich fast alle Kommunen gesetzt haben. Mit einer Reihe von unkomplizierten Formaten kann die Attraktivität deutlich gesteigert werden. KOMMUNAL hat sich umgehört und Beispiele zusammengetragen, wie Kinder – und Jugendarbeit erfolgreich sein kann.

Was brauchen Eltern und was wünschen sie sich? Eine Frage, die Kommunen ihren Bürgern schon vor der Geburt des Kindes stellen sollten. Denn spätestens ab der Schwangerschaft haben Eltern diese Fragen im Fokus. Die Kommunen haben dabei vor allem Familien in belasteten Lebenslagen, etwa mit hohem Armutsrisiko, Migrations- und Fluchthintergrund auf dem Zettel. Gerade hier steht im Mittelpunkt,„jedem Kind eine gesunde Entwicklung und ein gewaltfreies Aufwachsen zu ermöglichen“, sagt Mechthild Paul, die Leiterin des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Städtische Ansprechpartner sind für sie Gesundheitsamt, Kinder- und Jugendhilfe oder auch die Schwangerschaftsberatung.

Von Familienpaten bis zum Elterntalk

Die Beispiele für den Einsatz früher Hilfen in Kommunen reichen von Lotsen in Geburtskliniken über den Willkommensbesuch bei den Eltern von Neugeborenen durch Vertreter der Gemeinde bis hin zur Arbeit von Familienhebammen, Familienpaten oder dem Angebot von Eltern-Kind-Gruppen.  „Frühe Hilfen sind ein guter Ausgangspunkt für kommunale Unterstützungs- und Präventionsangebote“, so Paul.

Ein besonders erfolgreiches Projekt in Kommunen ist dabei der sogenannte Elterntalk. Marianne Meyer von der Aktion Jugendschutz der Landesarbeitsstelle Bayern schwärmt aus Erfahrung für das Format. Das Prinzip ist simpel: Zu Beginn werden engagierte Mütter und Väter als Gesprächsmoderatoren ausgebildet, in Folge laden diese jeweils interessierte Bekannte zu Gesprächstreffen zu sich nach Hause ein, bei denen nach einem standardisierten Ablauf ein konkretes Thema besprochen wird. Das Spektrum reicht dabei vom Bereich „Smartphone und Internet“ über „Suchtprävention“ bis hin zum Fragen im Umgang mit Taschengeld und Kaufentscheidungen.

„Die Themen beim Elterntalk sind bewusst nicht problemorientiert, sondern behandeln Alltags- und Erziehungsfragen“, betont Meyer. „Wie macht ihr das?“ sei eine der Leitfragen eines solchen Treffens, denn „jede Familie ist anders und es gibt selten ein Richtig oder Falsch. Beim Elterntalk teilt man seinen Erfahrungsschatz als Eltern“, so die Expertin. In Bayern gestartet und sukzessive gewachsen, gibt es den Elterntalk als Format mittlerweile auch in Niedersachsen und NordrheinWestfalen und wird er in den jeweiligen Kommunen als „ein wichtiger Mosaikstein im Gesamtprogramm für Eltern und Familien“ wahrgenommen, wie Meyer berichtet. Als Teil des kommunalen Angebots  wird er von einem Träger im Landkreis koordiniert und vom Landkreis mitfinanziert, etwa was die Materialien, die Aufwandsentschädigungen für die Moderatoren sowie die Personalkosten der sozialpädagogischen Fachkraft betrifft, die die Gesprächsleiter ausbildet und kontinuierlich bei ihrer Arbeit begleitet.

„Mit dem Elterntalk erreicht man als Kommune speziell Familien, die sich von herkömmlichen Angeboten wie Vorträgen eher weniger angesprochen fühlen“, sagt Meyer. So seien unter den Teilnehmern auch viele Eltern mit Zuwanderungshintergrund – nicht zuletzt deshalb, weil Elterntalks auch in der Muttersprache stattfinden können und so niemand außen vor bleibt.

Elternarbeit in der Kommune

Elterninitiativen können für Kommunen stressig, aber auch sehr fruchtbar sein. Die Erfahrung hat auch Christiane Stein vom Verband der Kindertageseinrichtungen in Nürnberg gemacht. Sie berät unter anderem Einrichtungen, in denen Eltern die Trägerschaft übernehmen, meist indem sie einen Verein gründen. Häufig seien Elterninitiativen die Vorläufer für Einrichtungen, die später Teil des kommunalen Regelangebots werden würden. „Wenn etwas gebraucht wird, es aber noch nicht existiert, gründet sich oft eine Elterninitiative“, so Stein. Was die Eltern dabei bewegt, ist so vielfältig wie die Elternschaft selbst. So setzen sich Elterninitiativen längst nicht nur für Kinderbetreuung ein, sondern auch für Schulbildung oder die Gründung von Selbsthilfegruppen, etwa zu Legasthenie oder Autismus

Weitere zentrale Themen, mit denen Eltern konfrontiert sind, sind Unsicherheiten bei der Erziehung, steigender Bildungsdruck und die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bis hin zu finanziellen Sorgen und der Bewältigung von Trennungssituationen. „All diese Punkte haben auch kommunale Relevanz“, sagt Stein, und umso wichtiger sei es, Elterninitiativen als wichtigen Bestandteil einer Kommune zu erkennen. „Oft muss das Rad gar nicht neu erfunden werden. Als Bürgermeister oder Landrat sollte man sich vielmehr genau anschauen, was es bereits gibt in der Kommune und dort gezielt hingehen. Wobei Elternarbeit nicht nur komplex, sondern oft auch sehr emotional ist.

Bürgermeister sollten sich ansehen, was es bereits gibt in der Kommune und dort gezielt hin gehen.“

Christiane Stein, Verband Kita-Einrichtungen Nürnberg

Kein Wunder: „Schließlich geht es um ihre Kinder - deshalb sind Eltern extrem anspruchsvoll und persönlich involviert“, was den bürokratischen Abläufen in einem Verwaltungsbetrieb mitunter widerspricht. Nichts desto trotz bergen die Elterninitiativen nach Erfahrung von Stein ein großes ehrenamtliches Potential in sich, das man ausschöpfen sollte als Kommune. „Hier ist so viel Erfahrung und so viel Wissen vorhanden, was Eltern wirklich brauchen – das sollten Kommunalvertreter unbedingt nutzen und nicht an den Eltern vorbei entscheiden“, so Stein.

Kinderrechte-Satzung in Lampertsheim

Dass sich die Einbeziehung der Eltern lohnt, erlebt man auch in der 30.000-Einwohner-Stadt Lampertheim in Südhessen. Mehrere Projekte hat die Stadt schon initiiert, erklärt der erste Stadtrat Marius Schmidt. Von der Entwicklung einer Kinderrechte-Satzung über einen Kinderrechtebaum mit Kummerbriefkasten, einen kostenlosen Büchereiausweis bis hin zur Gestaltung eines Kinderstadtplans reicht das Angebot der Stadt, zudem gibt es bei allen kinderrelevanten Entscheidungen eine enge Abstimmung mit dem Jugendbeirat und wurde in der Stadtverwaltung eine spezielle Sprechstunde für Kinder- und Jugendinteressen eingeführt. „Welche Marke wollen wir unserer Gemeinde geben?“, diese Frage stand am Anfang, so Schmidt. Das Ziel: Kindern und Eltern eine attraktive Heimat sein.

„Kinder- und Familienfreundlichkeit dreht sich oft nur um das Thema Kitaplätze und Betreuungsangebot. Das ist natürlich wichtig, aber es geht um viel mehr“, so Schmidt. So würden bei den Wünschen der Eltern zum einen oft konkrete infrastrukturelle Aspekte eine Rolle spielen, die Präsenz von Jugendtreffs, Kinos oder Geschäften zum Beispiel, wobei die kommunalen Einflussmöglichkeiten hier teilweise beschränkt sind. Zum anderen sind für Eltern die Sicherheit im Ort, die Sauberkeit auf Spiel- und Aufenthaltsplätzen sowie der große Bereich der Freizeitgestaltung wichtige Aspekte, ebenso wie die dichte Taktung und Zuverlässigkeit des öffentlichen Nahverkehrs.

Kinder- und Familienfreundlichkeit dreht sich oft nur um das Thema Kitaplätze. Aber es geht um viel mehr.“

Marius Schmidt, erster Stadtrat in Lampertheim

Um die Eltern als Diskussionspartner mit ins Boot zu holen, wurden in Lampertheim verschiedene Beteiligungsmodelle entwickelt, allen voran der Stadtelternbeirat, der seit 2017 das kommunale Leben mitgestaltet. Zusammengesetzt aus Elternvertretern der verschiedenen Betreuungseinrichtungen der Stadt, trifft sich der Beirat einmal im Quartal mit städtischen Vertretern und diskutiert verschiedene Themen. Für die Kommune ist das ein großer Gewinn, wie Schmidt sagt. „Die Eltern sind sehr interessiert und engagiert und uns hilft es enorm, hier eine sofortige Rückmeldung zu bekommen. Das ist ein praktischer Lackmustest dafür, ob und wie unsere Maßnahmen wirken.